Alois Glück zum Tod von Hans-Jochen Vogel

Die christliche Soziallehre als Kompass

Am Sonntag ist der ehemalige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel im Alter von 94 Jahren gestorben. Er sei tapfer seinen letzten Lebensweg gegangen, sagt der CSU-Politiker Alois Glück. Von seiner Ernsthaftigkeit und Prinzipientreue könnten wir heute noch lernen.

Trauer um SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel / © Lukas Barth (KNA)
Trauer um SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel / © Lukas Barth ( KNA )

DOMRADIO.DE: Woran haben Sie zuerst gedacht, als Sie die Nachricht vom Tod Hans-Jochen Vogels gehört haben?

Alois Glück (ehem. Landtagspräsident im Bayerischen Landtag und von 2009 bis 2015 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Dass er sehr tapfer seinen letzten Lebensweg gegangen ist. Auch wenn ich an unseren letzten Kontakt denke - Parkinson hat ihm immer mehr zugesetzt. Er hat immer vom "Bruder Parkinson" gesprochen. Unser letzter direkter Kontakt liegt etwa ein dreiviertel Jahr zurück. Wir sollten beide ein Grußwort sprechen und ich habe dann in seinem Namen bei einer Veranstaltung gesprochen. Er war einfach ein Mensch, der zu allen Zeiten engagiert und gleichzeitig akribisch pflichtbewusst war - auch in seinen Anforderungen an die Partner in der Politik oder wo auch immer.

DOMRADIO.DE: Er war ja als SPD-Politiker auch wirklich sehr aktiv, wenn es um Gerechtigkeit geht. Sie selber sind ja in der CSU. Wie war er denn als politischer Gegner?

Glück: Engagiert, kompetent. Auseinandersetzung im Wettbewerb gewissermaßen. Sein Instrumentarium war nicht die Diffamierung des Andersdenkenden. Er war auch ein engagiert-gläubiger Mensch, der die Fragen des Glaubens genauso ernst genommen hat. Er hat immer wieder von der Verantwortung vor dem Herrgott gesprochen.

Und er war jemand, der die Entwicklung Bayerns stark durch seine Großstadterfahrung gesehen hat. Er war Spitzenkandidat der SPD in Bayern für die Landtagswahl und auch trotz eines schwachen Wahlergebnisses war er zu jeder Zeit ernsthaft und engagiert.

DOMRADIO.DE: Wenn man politisch so lange im Geschäft war wie sie beide und oft auch in Führungsverantwortung, was gab es da an Gemeinsamkeiten, an verbindenden Elementen?

Glück: Die Schwierigkeiten der Politik, das heißt die Schwierigkeit, bestimmte Themen, die notwendig sind, zu realisieren, die Bedingungen des Wettbewerbs und die Zustimmung der Bevölkerung - das braucht solide Arbeit, Kompetenz in den Sachfragen, weil sonst kann man nur große Sprüche klopfen. Und das war ihm besonders zuwider, wenn einfach nur Parolen verkündet worden sind.

Ich habe auch miterlebt, wie sehr er darunter gelitten hat, wie ihm die Jusos und der linke Flügel der SPD in München zugesetzt haben. Da war er menschlich sehr getroffen.

Wir sind uns hin und wieder in der Katholischen Akademie begegnet, wo er häufig war. Als Münchner war der Weg dorthin kurz. In letzter Zeit hatten wir kaum direkten Kontakt. Er hat sich bei mir aber nochmal wegen seines Herzensthemas bei mir gemeldet: Die Frage der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Explosion der Mieten in den Städten. Dazu hat er noch publiziert. Ansonsten hatten wir außerhalb der Politik kaum Kontakt.

DOMRADIO.DE: Er hatte immer das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Hans-Jochen Vogel hat zum Beispiel gesagt, dass die Nächstenliebe nie nur individuell ein Auftrag sei, sondern eben auch das System die gerechten menschenwürdigen Strukturen, wie zum Beispiel bezahlbaren Wohnraum, schaffen müsse. Das war ihm Zeit seines Lebens wirklich sehr wichtig. Ist es ihm aus Ihrer Sicht auch gelungen, den Glauben und sein politisches Leben in Einklang zu bringen?

Glück: Ja, davon bin ich überzeugt. Er hatte andere Schwierigkeiten mit der Kirche, weil er immer so akribisch war, er war geschieden und wiederverheiratet. Und dann hatte er gelesen, was im katholischen Katechismus steht. Das hat ihn umgetrieben.

Er hat das Gespräch mit Freunden und Theologen gesucht. Das war ihm im politischen Bereich sehr wichtig. Im Prinzip war sein Denken in politischen und gesellschaftlichen Fragen deckungsgleich mit der christlichen Soziallehre. Sein Kompass war ein Wertesystem, nicht Macht um der Macht willen.

DOMRADIO.DE: Trotzdem hat er seinen Glauben nicht als Monstranz vor sich hergetragen. Was denken Sie denn, Herr Glück, bleibt denn darüber hinaus von ihm hier auf Erden? Was sollten wir auf jeden Fall von ihm in Erinnerung behalten?

Glück: Die Ernsthaftigkeit des Engagements. Der Ernst der Aufgaben, die sich in dieser Zeit neu stellen. Und die Integrität seiner Persönlichkeit, des Menschen, des Politikers als Mensch, der seine Prinzipien hat und auf die achtet, ob sie momentan nützen oder nicht, ob populär oder nicht populär.

 


Alois Glück / © Harald Oppitz (KNA)
Alois Glück / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR