Prälat Karl Jüsten zum 65. Geburtstag von Angela Merkel

Im Glauben fest verwurzelt

Blitzgescheit, humorvoll und vom christlichen Glauben geprägt - so beschreibt der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, Kanzlerin Angela Merkel. Zum 65. Geburtstag der CDU-Politikerin blickt er auf eine gute Zusammenarbeit.

Angela Merkel mit Prälat Jüsten (KNA)
Angela Merkel mit Prälat Jüsten / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie kennen die Bundeskanzlerin sehr gut und sagen von sich selbst, Sie arbeiten gut mit Angela Merkel zusammen. Was zeichnet die Kanzlerin Ihrer Meinung nach aus?

Prälat Karl Jüsten (Leiter des Katholischen Büros in Berlin): Zunächst einmal ist sie blitzgescheit, sehr intelligent. Sie erfasst Problemstellungen in Windeseile, durchdringt sie auch in der Tiefe und versucht dann, frei von ideologischem Überbau, die aus ihrer Sicht besten Lösungen herbeizuführen.

Dazu ist sie eine sehr humorvolle Frau. Im kleinen Kreis kann sie geradezu den Alleinunterhalter mimen. Sie kann Leute auch wunderbar nachmachen. Und man merkt auch, dass sie eine feste Verwurzelung im christlichen Glauben hat. Das sind drei Dinge, die mir als hervorstechend bei ihr auffallen.

DOMRADIO.DE: Angela Merkel bekennt sich ja immer wieder zu ihrem christlichen Glauben. Sie hat sogar einmal gesagt, dass es ihr anfangs ziemlich schwergefallen ist, die richtige Balance zwischen Politik und ihrem Glauben zu finden. Wo erkennen Sie denn diese christliche Prägung in ihrer Arbeit?

Jüsten: Zunächst einmal merkt man es natürlich an der Art und Weise, wie sie Menschen begegnet: immer sehr vornehm, sehr wertschätzend. Selbst Menschen gegenüber, die ihr persönlich schwer zugesetzt haben, bleibt sie immer sehr freundlich. Das, denke ich, ist sicher ein Teil ihrer Prägung aus dem Geist der christlichen Nächstenliebe heraus. Außerdem merke ich, dass sie es sich nicht leicht macht, wenn es um schwere oder große ethische Fragestellungen geht, bei denen man als Christ eine Gewissensentscheidung treffen muss.

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als Leiter des Katholischen Büros genau an dieser Schnittstelle zwischen Politik und Kirche in Berlin. Gab es denn da auch Momente, in denen Sie sich gewünscht hätten, dass die Kanzlerin mehr an den christlichen Prinzipien festgehalten hätte?

Jüsten: Ja, da habe ich sogar einen aktuellen Fall und zwar das Thema Organspende. Da ist sie für die doppelte Widerspruchslösung eingetreten, die Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagen hat. Die halten wir für falsch, weil sie gegen die Autonomie des Menschen ist. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir eine Entscheidung finden, wo der Mensch sich immer wieder selber entscheiden muss, ob er Organspender sein möchte oder nicht. Das kann nicht vom Staat vorgegeben werden. An dieser Stelle hatte ich mit der Kanzlerin einen Dissens.

DOMRADIO.DE: Jetzt feiert die Kanzlerin heute ihren 65. Geburtstag. Sie wird froh reingerutscht sein, hat mit Sicherheit die Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin gestern im Fernsehen verfolgt und sie wird auch erleichtert sein. Diese Wahl ist für Merkel ja enorm wichtig. Eine Zeitung titelt heute Morgen: "Das war Muttis letzter Coup. Merkel ist Mrs. Europa." Das ist ihr Thema und ihre Botschaft, oder?

Jüsten: Zunächst einmal bin ich mir nicht sicher, ob dieser Autor Recht hat. Es wurde schon oft geschrieben, dass Merkel am Ende sei. Wer das glaubt, der unterschätzt Frau Merkel immer wieder. Das ist wahrscheinlich ihr hervorstechendstes Merkmal, dass Journalisten sie immer wieder unterschätzen.

Trotzdem ist das ein toller Erfolg, nicht nur für sie, sondern für die EVP insgesamt - für die Christlich Demokratische Union. Gestern war ja sowieso der "Frauen-Power-Tag" in der CDU. Die Bundeskanzlerin setzt sich durch, Frau von der Leyen hält eine großartige Rede. Sie ist ja volles Risiko gefahren: Sie hat auf die Stimmen der Rechten verzichtet, um in der Mitte Stimmen zu holen. Das ist ein großartiges Ergebnis, was sie erzielt hat. Deshalb verstehe ich gar nicht, warum manche ihrer Kolleginnen und Kollegen rumnörgeln, dass es nur so wenige Stimmen seien. Sie hat mit Haltung gewonnen. Das ist sicher für die CDU sehr wichtig.

Und dann hat Annegret Kramp-Karrenbauer gestern Mut gezeigt, indem sie gesagt hat: "Ja, ich bin bereit, Verteidigungsministerin zu werden." Das sind sehr wichtige Ereignisse - für die Union, aber auch für Deutschland. Wenn man sich vorstellt, dass die wesentlichen Posten, die Deutschland zu vergeben hat, jetzt von Frauen regiert werden, ist das ein Paradigmenwechsel. Den hätten viele der CDU so nie zugetraut. Viele hätten sicher gedacht, das würde nur eine rot-grüne Regierung hinkriegen. .

DOMRADIO.DE: Wenn Sie sagen, Merkel sei viel stärker als die Journalisten immer denken, lassen Sie uns kurz noch auf den Gesundheitszustand der Kanzlerin schauen. Der sorgt für ziemliche Diskussionen. Merkel selber sagt: "Mir geht's gut. Man muss sich da keine Gedanken machen." Was denken Sie? Ist die Belastung vielleicht doch ein bisschen viel, jetzt mit 65 Jahren?

Jüsten: Zunächst muss man ja sagen: Sie hat letztes Jahr im Sommer keinen richtigen Urlaub gemacht. Das merkt man natürlich dann schon, wenn man über einen längeren Zeitraum keine richtige Auszeit hat - und das mit der Belastung dieses Amtes.

Letzte Woche Freitag war sie bei uns, wir hatten den Rückkehrer-Tag für die Entwicklungshelfer und die Kräfte, die für die Friedensdienste arbeiten. Dazu hat sie eine Ansprache gehalten und hinterher munter diskutiert, im Kreise von anderen. Ich habe unmittelbar neben ihr gesessen. Um es mal so zu sagen: Ich wünsche Frau Merkel den Urlaub jetzt sehr, damit sie sich mal erholen und im wahrsten Sinne des Wortes entspannen kann. Und wenn diese Entspannung eintritt, hört vielleicht auch das Zittern auf.

Ich wünsche ihr jedenfalls auch am heutigen Tag viel Gesundheit, Kraft und Gottes Segen und dass sie dieses Amt für die Zeit, die sie sich noch vorgenommen hat - die nächsten zwei Jahre - für unser Land und für Europa gut ausfüllen kann.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR