Angela Merkel feiert 65. Geburtstag

Im Herbst der Macht

Sie strebt nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft kein neues Amt an. Doch noch gilt Angela Merkel weiter als Stabilitätsanker in einer unruhigen Welt. Das zeigt auch das internationale Interesse an ihrem Gesundheitszustand.

Autor/in:
Christoph Scholz
Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag / © Michael Kappeler (dpa)
Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag / © Michael Kappeler ( dpa )

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgt derzeit vor allem mit ihrer Gesundheit für Schlagzeilen. Drei öffentliche Zitteranfälle werfen Fragen nach ihrer Amtstüchtigkeit auf. An diesem Mittwoch nun wird sie 65 Jahre alt. Für Politiker noch kein wirkliches Alter. In den USA geht gerade der 76-jährige Joe Biden gegen den 73-jährigen Donald Trump ins Rennen um die künftige Präsidentschaft. Spätestens wenn die neue Amtszeit des künftigen US-Präsident beginnt, geht jene von Merkel allerdings ihrem Ende zu.

Regierungsarbeit hat Spuren hinterlassen

Unabhängig davon, ob es sich um eine vorübergehende Schwäche handelt oder nicht: Das langjährige immense Arbeitspensum auf nationaler wie internationaler Ebene, vor allem aber die schwere Last der Verantwortung, haben bei der Regierungschefin Spuren hinterlassen.

Anders als bei manch anderem Spitzenpolitiker gehört es zu Merkels Pflichtbewusstsein, sich auch in Detailfragen einzuarbeiten. Hinzu kam Anfang April der Tod ihrer Mutter Herlind Kasner, der sie dem Vernehmen nach eng verbunden war.

"Ein bisschen traurig"

Ihrer letzten Kanzlerkandidatur ging nach eigenen Angaben eine intensive Bedenkzeit voraus. Bei der Zusage soll auch die internationale Großwetterlage nach Trumps Sieg eine Rolle gespielt haben. Unversehens fand sich die eher zurückhaltend agierende Merkel in der Führungsrolle der liberalen wesentlichen Demokratien wieder, die durch rechtspopulistische Bewegungen erschüttert werden. Für ihre politische Arbeit erhielt sie im Mai von der US-Elite-Uni Harvard ihre inzwischen 16. Ehrendoktorwürde.

Spätestens mit der Aufgabe des CDU-Vorsitzes nach 18 Jahren hat Merkel nach Ansicht von Beobachtern allerdings den Zenit ihrer Macht überschritten. Vorausgegangen war ein für sie bitteres Bundestagswahlergebnis und die aufreibenden Koalitionsverhandlungen, aus denen das ungeliebte Bündnis mit der SPD hervorging. Ein weiteres Amt etwa in Brüssel hat sie frühzeitig ausgeschlossen. Sie sei "ein bisschen traurig", meinte sie auf Nachfragen, "dass meine Worte scheinbar überhaupt nicht respektiert werden".

Zeit für ein neues Kapitel

Ebenso deutlich betont sie aber, dass sie bis zum Ende der Regierungszeit bereitstehe. Anfang 2020 würde sie mit 14 Jahren und zwei Monaten die Regierungszeit von Konrad Adenauer überholen und Ende 2021 die von Helmut Kohl - sofern sie dann geschäftsführend noch im Amt ist.

Die CDU verabschiedete ihre Vorsitzende im Dezember mit zehnminütigem Applaus und auch einem Hauch von Wehmut. Es sei nun an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, so die scheidende Chefin, die mit den Tränen rang.

"So wahr mir Gott helfe"

Die ostdeutsche Pastorentochter fand erst spät, mit 35 Jahren, in die Politik, um in einer männerdominierten, rheinisch-katholisch geprägten CDU eine fulminante Karriere zu machen. Mit 51 Jahren war sie die jüngste Amtsinhaberin, die erste Frau und erste ostdeutsche Regierungschefin.

Ihren Amtseid legte sie auch zu Beginn der vierten Amtszeit mit der Formel "so wahr mir Gott helfe" ab. Das ist für sie wohl weit mehr als eine Floskel. Der Glaube sei eine "Entlastung", sagte Merkel einmal; das Wissen darum, "dass ich wie jeder Mensch nicht nach Absolutheit streben muss, sondern auch fehlerhaft sein darf".

Sympathie für Papst Franziskus

An ihrer christlichen Grundüberzeugung ließ sie nie einen Zweifel. Für die Anliegen der Kirchen hat sie stets ein offenes Ohr. Ihre Sympathie für Papst Franziskus bekundete sie bei mehreren Begegnungen im Vatikan. Bei ihrer Flüchtlingspolitik konnte sie sich umgekehrt auf die Unterstützung der Kirchen verlassen; gerade auch dann, als ihr der Wind aus der eigenen Partei mächtig ins Gesicht blies.

Mit ihrer Entscheidung für die Flüchtlingsaufnahme 2015 schrieb sie Geschichte. Bis heute scheiden sich an dieser Entscheidung die Geister. Politisches Kapital schlugen daraus vor allem die Rechtspopulisten der AfD. Auf dem internationalen Parkett mehrte die Kanzlerin dagegen ihr Ansehen. Der Franziskanerorden ehrte sie mit der "Lampe des Friedens" - für ihr "Versöhnungswerk für ein friedliches Zusammenleben der Völker".

Merkel mag im Herbst ihrer Macht stehen - aber sie gilt doch weiter als Stabilitätsanker in den Umbrüchen der Globalisierung. Die Debatte um ihren Gesundheitszustand wirkt da eher zweitrangig.


Sternsinger bei Kanzlerin Merkel / © Michael Kappeler (dpa)
Sternsinger bei Kanzlerin Merkel / © Michael Kappeler ( dpa )

Bundeskanzlerin Merkel bei der Verleihung der "Lampe des Friedens" im Mai 2018 / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Bundeskanzlerin Merkel bei der Verleihung der "Lampe des Friedens" im Mai 2018 / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Kirche trifft Politk: Die Bischöfe Franz-Josef Overbeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx (r.) mit Kanzlerin Angela Merkel / © Markus Nowak (KNA)
Kirche trifft Politk: Die Bischöfe Franz-Josef Overbeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx (r.) mit Kanzlerin Angela Merkel / © Markus Nowak ( KNA )

In der Inklusiven Kita Maria Hilf in Köln-Kalk bastelt Bundeskanzlerin Merkel mit den Kindern.  / © Hirschbeck (Erzbistum Köln)
In der Inklusiven Kita Maria Hilf in Köln-Kalk bastelt Bundeskanzlerin Merkel mit den Kindern. / © Hirschbeck ( Erzbistum Köln )
Quelle:
KNA
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