Politik macht Wortanleihen bei der Kirche

Wird Klimaschutz zu einer "Ersatzreligion"?

Der Klimaschutz wird immer mehr zu einem zentralen Thema in Deutschland. Laut Analysten sorgte dies auch mit für das Hoch der Grünen bei der Europawahl. Die CDU spricht nun gar von einer "Ersatzreligion". Kann man das so sagen?

Wird Klimaschutz zu einer "Ersatzreligion"? / © Vasily Pindyurin  (shutterstock)
Wird Klimaschutz zu einer "Ersatzreligion"? / © Vasily Pindyurin ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Eine an diesem Dienstag veröffentlichte Studie zeigt, dass zwei Drittel der Befragten den Umwelt- und Klimaschutz für eine sehr wichtige Herausforderung halten. Mit "Ersatzreligion" hat sich die CDU aber doch ein bisschen in der Wortwahl vergriffen, oder nicht?

Prof. Michael Rosenberger (Institut für Moraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz): Auf jeden Fall. Interessant ist, dass dahinter eine Theorie steht, die bisher eigentlich bei extrem rechten Parteien, wie in Teilen der deutschen AfD, in Teilen der österreichischen FPÖ und anderen Parteien Europas, die in dieser Familie verbunden sind, beheimatet ist. Dass das jetzt in die CDU reinschwappt, finde ich schon sehr bemerkenswert.

Hinter diesem Gedanken, dass Klimaschutz eine Ersatzreligion sei, steht zum einen ein bestimmtes Bild. Demnach gibt es nämlich eine wahre Religion und alles andere ist ein billiger und schlechter Ersatz. Man macht so ein Wertgefälle auf. Das halte ich in einer Zeit moderner, dialogfähiger Religionen, wie sie auch Papst Franziskus für das Christentum möchte, für sehr problematisch.

Dazu kommt, dass man mit diesem Argument, es sei eine Ersatzreligion, gleichzeitig auch sagen will, dann sei es eigentlich überflüssig. Das brauche man nicht, weil man ja schon die wahre Religion habe. Dann ist eigentlich die Ersatzreligion nicht mehr nötig. Auch das finde ich problematisch.

Positiv kann man aus kirchlicher Sicht sagen, dass beim Klimaschutz immer auch so etwas wie religiöse Züge mitschwingen. Dabei ist es egal, von welcher Couleur und Ausprägung der Klimaschutz ist. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einer erlösten Welt, in der alle Lebewesen gut miteinander auskommen können, ist da als Beispiel zu nennen. Für das Erreichen einer solchen heilen Welt, müssen wir auch in mancher Hinsicht zurückstecken, eigene Bedürfnisse beschränken und können nicht einfach drauflos konsumieren. Wir müssen hier auch Grenzen ziehen. Das sind ja typische Merkmale von Religion. Da kann man sagen, dass der Klimaschutz tatsächlich auch eine religiöse Dimension hat.

DOMRADIO.DE: Diese Werte teilen wir auch mit den anderen großen Weltreligionen, oder?

Rosenberger: Ganz genauso so ist es. Im Grunde genommen kann man sagen, dass sich in diesem Punkt die großen Weltreligionen einig sind. Es gibt seit über 20 Jahren auch in Verbindung mit dem UNO-Umweltprogramm den Versuch, dass die großen Religionen ihre alten, spirituellen Ressourcen erschließen, um sie für die modernen Umweltprobleme fruchtbar zu machen.

Hier sind alle Religionen in Verbindung mit der UNO beteiligt. Das ist schon ein sehr erfreuliches Programm und eine sehr erfreuliche Initiative.

DOMRADIO.DE: Nun wurde in Deutschland und auch in einigen anderen Ländern schon sozusagen "pro Klimaschutz" gewählt. Mit der Wahl ist aber nicht alles getan. Seit Jahrzehnten sind wir uns darüber bewusst, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen, um die Schöpfung zu bewahren. Inwieweit sind wir da denn mit dem Umdenken schon vorangeschritten?

Rosenberger: Es gibt eine ganze Reihe von Umfragen des Statistischen Amtes der Europäischen Union in allen europäischen Ländern, bei denen man festgestellt hat, dass die Menschen schon wissen, dass ihr Lebensstil zu verschwenderisch ist und dass wir in bestimmten Dingen auch Einschränkungen in Kauf nehmen müssen.

Als Beispiel wäre zu nennen, dass wir die Wohnungen im Winter nicht mehr ganz so warm beheizen oder weniger Auto fahren und solche Dinge. Das ist den Menschen sehr bewusst. 70 bis 80 Prozent der Menschen in Europa wissen, dass das so sein muss, wenn wir den Klimaschutz wirklich ernst nehmen wollen.

Das Problem ist, von diesem Wissen zum Wollen oder zum Handeln zu kommen. Da haben wir alle sehr viel Trägheit in uns und wollen eigentlich lieber die gewohnten komfortablen Wege weitergehen, die wir seit Jahrzehnten bestreiten. Da müssen wir uns auch gegenseitig beim Wort nehmen, gegenseitig anspornen und verpflichten, damit das gelingen kann.

DOMRADIO.DE: Die Kirchen haben in der Vergangenheit immer wieder öfter dazu aufgerufen, sich für Umwelt und Klima einzusetzen. Bewahrung der Schöpfung ist ein christlicher Auftrag. Das wurde uns vor allem in den letzten Jahren immer wieder deutlich gemacht. Wo klappt das denn an der kirchlichen Basis schon ganz gut und wo ist da noch Luft nach oben?

Rosenberger: Bei der kirchlichen Basis würde ich ein bisschen differenzieren. Es gibt die Ebene der Pfarreien und die Ebene der Bistümer.

Auf der Ebene der Bistümer hat es in Österreich schon im Jahr 2016 und in Deutschland im Jahr 2018 von der Bischofskonferenz eine markante Initiative gegeben. Dabei hat man sich bestimmte Dinge auf Bistumsebene vorgenommen, die doch sehr deutliche Schritte Richtung Klimaschutz sind, wenn sie denn auch tatsächlich umgesetzt werden.

Ich weiß, dass in einzelnen Bistümern momentan eine Energieverbrauchsanalyse gemacht wird und man wirklich präzise Zahlen erhebt. Wo verbrauchen wir wie viel Energie und wo kommt diese her? Daraus müssen dann natürlich auch konkrete Schritte kommen, um die Energiebilanz zu verbessern.

Auf der Ebene der Pfarreien gibt es eine Minderheit von vielleicht zehn Prozent, in denen schon sehr Beachtliches geschieht, wo man mit viel Kreativität und hohem Engagement versucht, die Umweltbilanz zu verbessern. Das betrifft die Fragen, wie man die kirchlichen Immobilien beheizt oder mit Energie versorgt, wo man Sonnenenergie nutzt und wo man vielleicht auch eigene Energiequellen erschließt. Sie stellen sich auch die Frage, wie sie bei kirchlichen Festen oder in kirchlichen Küchen die Menschen ernähren. Wie viel Bioprodukte sind dabei?

Es gibt schon eine ganze Reihe von Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen, die das beeindruckend vorantreiben. Zugeben muss man allerdings auch, dass viele Pfarreien noch sehr viel Nachholbedarf haben.


Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger (privat)
Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger ( privat )
Quelle:
DR