CSU-Politiker Geis zur Einigung in der Union

"Gewaltige Kraft darf nicht verloren gehen"

Die Unions-Schwestern haben sich im Laufe des späten Montagabends wieder aufeinander zubewegt - für das katholische CSU-Urgestein Norbert Geis ein wichtiger Schritt. Seehofers Forderungen deckten sich mit dem Grundgesetz.

Asylbewerberin in einem Warteraum / © Boris Roessler (dpa)
Asylbewerberin in einem Warteraum / © Boris Roessler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Spaltung der Union scheint im letzten Moment abgewendet. Das erinnert an den Winter 1976, den Kreuther Trennungsbeschluss. Damals war die Trennung zwischen CDU und CSU beschlossen, aber nach rund drei Wochen wieder zurück genommen worden. Warum haben Sie gehofft, dass die Union zusammenbleibt?

Norbert Geis (CSU-Politiker und langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestags): Wie 1976 haben wir uns hier in Unterfranken heftig dagegen gewehrt, dass die Union sich spaltet. Und genau das Gleiche habe ich auch in der Bevölkerung gespürt. Alle, mit denen ich gesprochen habe, haben eine Spaltung zwischen CSU und CDU abgelehnt. Die Union hat nach dem Krieg eine gewaltige Leistung erbracht. Ohne CDU/CSU wären wir so schnell nicht aus dem Schlamassel herausgekommen.

Ohne Adenauer und andere, Franz Josef Strauß eingeschlossen, wäre dies nicht möglich gewesen. Diese gewaltige Kraft, die Deutschland wieder herausgeführt hat, darf nicht verloren gehen. Und deswegen bin ich der Meinung, dass CDU und CSU sich nicht so zerreißen sollten, wie das in den vergangenen zwei, drei Wochen der Fall gewesen ist. Das kann wirklich einmal zum Bruch führen. Und das wäre schade - nicht nur für die Geschichte der Partei, sondern auch für die Geschichte der Bundesrepublik.

DOMRADIO.DE: Da drängt sich der Verdacht auf, dass es einfach nur eine Inszenierung von Horst Seehofer war.

Geis: Das kann man nicht sagen. Die Migrationsbewegung ist ein gewaltiges Problem. Schon im Koalitionsvertrag ist enthalten, dass dies eine der wichtigsten Fragen ist. Horst Seehofer hat nun mal dieses zentrale Ministerium, das in diesen Fragen die entscheidende Rolle spielen muss. Und deswegen darf man ihm das nicht übel nehmen.

Er hat sich ganz klar auch an die Vorgaben des Grundgesetzes gehalten. Ich weiß noch, wie wir Anfang der 90er Jahre den 16a-Artikel ins Grundgesetz eingeführt haben. Wir haben mit Zweidrittelmehrheit reingeschrieben, dass der Asylsuchende, der bereits in einem anderen Land Schutz gefunden hat, nicht verlangen kann, dass er auch in Deutschland Schutz findet. Es geht beim Asyl immer darum, dass man den politisch Verfolgten Schutz gewährt. Und diese Schutzgewährung ist dann schon geschehen, wenn er aus einem Land kommt, das ihm Schutz gewährt hat. Dann kann er nicht sagen: Ich will aber unbedingt nach Deutschland. Das geht nicht. Das hat Horst Seehofer meiner Meinung nach auch befolgt.

Aber es ist überhaupt keine Frage - und da muss man der Bundeskanzlerin Recht geben - , dass diese große Migrationsbewegung, die unter Umständen in den nächsten zehn Jahren auf uns zukommt, nur europäisch gelöst werden kann. Und deswegen wäre dieser Alleingang fatal gewesen. Aber er wäre notwendig gewesen, wenn die Europäer sich nicht zusammengefunden hätten. Aber sie haben sich zusammengefunden, dank auch unserer Bundeskanzlerin. Das muss man mal deutlich sagen. Und nun sind die Voraussetzungen gegeben, dass die beiden Parteien zusammenarbeiten.

DOMRADIO.DE: Kommen wir noch mal zu diesem Kompromiss zurück. Sie wären ja schon mit dem Kompromiss zufrieden gewesen, den Merkel vom EU-Gipfel aus Brüssel mitgebracht hatte. Aber Seehofer wollte mehr Menschen an der Grenze abweisen. Lässt sich das überhaupt mit dem christlichen Menschenbild vereinbaren? Da kommt ja viel Kritik von allen Seiten.

Geis: Natürlich muss ich jedem, der in Not ist, Hilfe gewähren. Das gebietet uns unserer christlicher Glaube. Aber wenn jemand auch in Österreich Asyl bekommen könnte, dann kann er nicht verlangen, dass er auch noch in die Bundesrepublik Deutschland reinkommt. Das geht nicht. Ein Asylsuchender muss Schutz gewährt bekommen, aber wenn er diesen Schutz schon in einem anderen Drittland bekommen hat oder hätte bekommen können, dann hat er nicht den Anspruch nach Deutschland zu kommen. Dann ist das reine Willkür des Asylsuchenden. Und deswegen gehört es auch zu einer vernünftig geführten Politik mit christlichem Vorzeichen, dass solche Leute eben auch abgewiesen werden können.


Seehofer und Merkel  / © Kay Nietfeld (dpa)
Seehofer und Merkel / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
DR