Jair Bolsonaro liegt in Wahlumfragen vorne

"Brasiliens Trump"

Den ultrarechten Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro nahm bisher kaum jemand ernst. Doch die ausufernde Gewalt im Land könnte den Waffennarr überraschend zu Brasiliens neuem Regierungschef machen - trotz unglaublicher Sprüche.

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

Polizistin Katia war gerade mit ihren Kindern am Schultor angekommen, als ein Mann mit einem Revolver in der Hand einen Überfall ankündigte. Katia, außer Dienst, aber trotzdem bewaffnet, sprang vor den jungen Mann und feuerte dreimal aus nächster Nähe. Ein Video zeigt, wie sie den Sterbenden dann mit dem Fuß auf den Boden drückt. Im Internet wurde gejubelt, ein toter Bandit sei ein guter Bandit, las man da.

Katia soll nun bei den brasilianischen Oktoberwahlen für die "Sozial-Liberale Partei" PSL kandidieren. Menschen, die mit Waffen umgehen können, sind in der bisher weitgehend unbekannten Partei gerngesehen. Ihr Präsidentschaftskandidat Jair Messias Bolsonaro (63), der während der Militärdiktatur (1964-1985) als Fallschirmjäger diente, hat um das Thema Schießeisen seinen Wahlkampf aufgebaut.

Die "Guten" bewaffnen

Seine Kernbotschaft: alle Guten bewaffnen, damit sie die Bösen abknallen können.

In seinem Wahlkreis Rio de Janeiro, wo es viele Armee-Stützpunkte gibt, kamen solche Slogans schon immer gut an. Rio ist voll von pensionierten Militärs, die der harten Hand der Diktatur nachtrauern.

Besonders jetzt, da die Gewalt von den Favela-Slums auf die Reichenviertel übergreift. Bereits 51 Polizisten starben dieses Jahr in Rio. Im Februar hatte Präsident Michel Temer die Stadt deshalb dem Militär unterstellt. Doch die Armee ist angesichts der Gewaltexplosion ratlos.

Allein Bolsonaro hat eine Idee: Den Drogenbanden, die sich im Armenviertel Rocinha verschanzt haben, solle man ein Ultimatum stellen. Ergeben sie sich nicht, solle man das Viertel mit Maschinengewehren durchsieben. Man kann darüber lachen oder entsetzt sein. So seltsam es klingt - viele Brasilianer finden die Idee gut.

Sexistische, rassistische und homophobe Sprüche

Seit 30 Jahren ist Bolsonaro Berufspolitiker, achtmal hat er dabei die Partei gewechselt. Aufgefallen ist er durch sexistische, rassistische und homophobe Sprüche wie: "Lieber einen toten Sohn als einen schwulen Sohn!" Einer Abgeordneten rief er zu, sie sei "so hässlich, dass sie es nicht einmal verdiene, vergewaltigt zu werden".

Nachfahren afrikanischer Sklaven seien so dick, dass sie "nicht einmal mehr zur Menschenzucht zu gebrauchen" seien.

Er stehe für die Verteidigung christlicher Werte, besonders der traditionellen Familie, betont er dabei stets. So ist er bereits zum dritten Mal verheiratet, hält Lobreden auf die Folterer der Diktaturzeit, plädiert für die Einführung der Todesstrafe, die Zwangskastration von Sexualstraftätern und die Zulassung von Folter bei Polizeiverhören. Die Landwirte verspricht er mit Gewehren zu bewaffnen, damit sie damit die Landlosenbewegungen bekämpfen können.

Teilen der Bevölkerung gefällt solch "politisch Unkorrektes". Schon gilt Bolsonaro als "Brasiliens Donald Trump". Genau wie beim US-Präsidenten werden seine Erfolgschancen notorisch unterschätzt. Im Internet kursieren Videos mit Bolsonaros wirren Diskursen, bei Themen wie Wirtschaft oder Bildung wirkt er überfordert. Es hagelt Hohn und Spott. Doch seiner Beliebtheit schadet das nicht.

In Umfragen vorn

Ganz im Gegenteil. Derzeit liegt Bolsonaro in Umfragen bei 20 Prozent, meilenweit vor allen potenziellen Gegnern. Zwar führt derzeit noch Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva mit mehr als 30 Prozent. Doch Lula sitzt seit April wegen Korruption in Haft, kandidieren kann er wohl nicht. Anfangs war Lulas Verhaftung ein Schock für Bolsonaro, raubte sie ihm doch seine Wahlkampfparole zur korrupten Justiz, die den Gauner Lula laufen lasse. Wie besessen prügelte Bolsonaro damals vor seinen jubelnden Anhängern auf Lula-Puppen ein.

Solche Auftritte haben Slapstick-Charakter. Mit einer Präsidenten-Schärpe und einer Billig-Sonnenbrille ausgestattet, wird er von seinen meist männlichen Anhängern gerne auf den Schultern durch die Gegend getragen. Dazu imitiert er mit seinen Armen den Usain-Bolt-Blitz, wobei die Finger imaginäre Pistolen bilden.

"Mythos" nennen ihn seine Anhänger dafür. Seine Gegner lachen ihn aus. Kein Gegner werde ihn im Wahlkampf direkt angreifen, glauben Experten. Denn alle wollten mit ihm in die Stichwahl gehen, wo man ihn in den TV-Duellen locker fertigmachen werde. Das könnte jedoch nach hinten losgehen. Denn die Brasilianer haben genug von dem als korrupt geltenden Establishment. Sie könnten einen großmäuligen Haudrauf wie Bolsonaro am Ende vorziehen.


Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz (KNA)
Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz ( KNA )

Zwölf Jahre Gefängnis für Brasiliens Ex-Präsidenten Lula / © Paulo Lopes (dpa)
Zwölf Jahre Gefängnis für Brasiliens Ex-Präsidenten Lula / © Paulo Lopes ( dpa )
Quelle:
KNA