Pfarrer sieht Asylangebot an Puigdemont als Christenpflicht

Von der eigenen Kirche mehr erwartet

Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont sitzt in Deutschland in Haft. Ob es aber zu einer Auslieferung kommt, ist noch unklar. Weshalb der evangelische Pfarrer Karl-Wilhelm ter Horst ein ungewöhnliches Angebot unterbreitet hat.

Wie geht es mit Puigdemont und Katalonien weiter? / © Emilio Morenatti (dpa)
Wie geht es mit Puigdemont und Katalonien weiter? / © Emilio Morenatti ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie sehen es als ihre Christenpflicht, Puigdemont Asyl anzubieten. Warum tun Sie das? Schließlich sind hier eigentlich Politik und Justiz gefragt.

Karl-Wilhelm ter Horst (Pfarrer im Ruhestand in Schüttorf in Niedersachsen): Ich tue das, weil ich der Meinung bin, dass Carles Puigdemont unschuldig im Gefängnis sitzt. Dass nun ausgerechnet Deutschland ihn inhaftieren musste, halte ich ohnehin für skandalös. Schließlich war er in Finnland und hat vor dem finnischen Parlament gesprochen; da durfte er frei sein. Er hat als Exilierter frei in Belgien gelebt. Der sogenannte Rebellionsparagraf sollte eigentlich gegen die Faschisten in Spanien zum Einsatz kommen. Dass ausgerechnet dieser Paragraf nun gegen Leute angewandt wird, die einfach nur ihr politisches Mandat ausüben, ist schlichtweg gegen jedes Menschenrecht.

DOMRADIO.DE: Der Vorwurf gegen Puigdemont lautet neben Rebellion auch auf Veruntreuung öffentlicher Mittel. Tatsächlich sind das innenpolitische Angelegenheiten. Mischen Sie sich nicht in die spanische Justiz ein?

ter Horst: Nein, überhaupt nicht. Wer sich einmischt, ist Deutschland. Deutsche Polizisten haben Puigdemont einfach festgenommen; und nun denkt Deutschland darüber nach, ihn als politischen Gefangenen auszuliefern. Sollte das wirklich so kommen, wäre das skandalös. Ich will nicht gleich den spanischen Ministerpräsidenten Rajoy als Tyrannen bezeichnen. Aber die Art und Weise, wie in Spanien mit friedlichen Menschen umgegangen wird, mit einer gewählten Regierung – es sind ja mehrere Minister inzwischen in Haft – das ist schon tyrannisch. Es ist meine Pflicht als Christ, mich gegen eine Tyrannei zu wehren. Nach Matthäus 25 heißt es ja so schön beim Weltenrichter: "Ihr habt mich im Gefängnis besucht. Was ihr dem Geringesten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

DOMRADIO.DE: Sie sind als Pfarrer schon eine Weile im Ruhestand. Sie bieten auch nicht als Asyl die Kirche ihrer ehemaligen Gemeinde an oder das Gemeindehaus, sondern ihr Privathaus. Was hat das denn dann mit Kirchenasyl zu tun?

ter Horst: Ich bin zwar seit gut zwei Jahren formell im Ruhestand, ich fühle mich aber nicht so. Man bleibt doch immer Pastor, wenn man mit dem Herzen dabei ist. Ich predige weiter jede Woche in Ohne, dem kleinen Dorf, wo ich mein Haus habe, in der Gesamtgemeinde Schüttorf in der Nähe der holländischen Grenze. Ich habe damals während des Zweiten Golfkrieges auch angeboten, dass zum Beispiel in Deutschland stationierte Soldaten im Pfarrhaus unterkommen können. Aber weil das ja quasi eine illegale Unterkunft ist - die Betroffenen werden ja gesucht, wenn sie desertieren -  brauchte ich immer auch Privaträume, also irgendwo versteckte Räume. Wir haben damals ein Netzwerk in ganz Europa gehabt. Das alles nenne ich Kirchenasyl: Weil ich es als Pastor und Christ aktiv verantworte und dahinter stehe. Als Pastor setze ich jetzt mein Haus ein. Ich biete Carles Puigdemont mein Haus an. Wenn er es denn benötigt, kann er da sein. Ich finde schon woanders Unterkunft.

DOMRADIO.DE: Kritik üben Sie aber auch an der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm predige in diesen Tagen eher über Martin Luther King als über Puigdemont, haben Sie moniert. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

ter Horst: Ich bin natürlich auch auf der Seite von Martin Luther King und finde gut, an ihn zu erinnern. Aber erinnern ist immer leicht und billig. Es kommt aber darauf an, sich aktuell einzumischen und zwar unter Umständen auch gegen die Bundesregierung. Das fällt der Kirche, glaube ich, immer schwer. Die da oben schwimmen gerne so mit, anstatt wirklich zu sagen: "Nein, mit uns nicht." Dieses klare Nein vermisse ich. Ich vermisse auch, was an früheren Kirchentagen en vogue war, nämlich ein klares "Nein" gegen jede Aufrüstung, das verschwimmt scheinbar immer mehr. Dagegen wehre ich mich. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn Reaktionen auf Ihr Angebot bekommen?

ter Horst: Von sehr vielen Seiten, auch von katalanischer Seite. Ich bin seit 50 Jahren mit Katalonien sehr verbunden. Ich sehe diese Separationsbestrebungen durchaus skeptisch. Aber ich liebe die Menschen in Katalonien, ich liebe ihre Friedfertigkeit. Ich stand immer mit ihnen in Verbindung und war gerade in letzter Zeit ständig in Kontakt. Sie bestärken mich und nennen mein Angebot eine "geniale Initiative", um diese Dinge in die Öffentlichkeit zu rücken - aus der Mitte der Menschen heraus, aus der Mitte der Gemeinde und nicht "nur" aus der Links-Fraktion. Es muss klar werden, dass in Deutschland inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung es nicht gut findet, dass ihr Land einen Menschen, der im Prinzip ja unschuldig ist, an die spanische Justiz ausliefert, die ihn mit Sicherheit über viele, viele Jahre ins Gefängnis bringen würde.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Carles Puigdemont / © Virginia Mayo (dpa)
Carles Puigdemont / © Virginia Mayo ( dpa )

Geöffnete Kirchentür / © Markus Linn (KNA)
Geöffnete Kirchentür / © Markus Linn ( KNA )
Quelle:
DR