Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche. Andere Straftäter kamen aus der Türkei, aus Tunesien, aus Algerien, Afghanistan oder Polen.
Bundesfamilienministerin Barley erklärte: "Wir dürfen in unserem Land nie wieder zulassen, dass Antisemitismus akzeptiert oder beiläufig toleriert wird". Dafür müsse die gesamte Gesellschaft einstehen. Das beste Mittel gegen Hass und Intoleranz bleibe Bildung und Mitmenschlichkeit.
"Wir erleben eine ungeahnte Renaissance antijüdischer Ressentiments und Verschwörungstheorien. Die Tabus sind gefallen", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. "Pegida und Co. sowie die AfD haben diesen Virus in Deutschland ausbrechen lassen", erklärte Knobloch. Israelkritik sei zum Volkssport geworden. Auch Antisemitismus unter Muslimen sei eine enorme Bedrohung. Sie warf den muslimischen Verbänden vor, jahrzehntelang nichts gegen antisemitische Hassprediger getan zu haben. (KNA)
22.01.2018
Im Bundestag herrscht Einigkeit, dass es in Deutschland einen Antisemitismusbeauftragten geben soll. Das Bundesland Rheinland-Pfalz war schon schneller. Dieter Burgard startet im Mai - und erzählt, was er ausrichten kann.
DOMRADIO.DE: Was machen Sie als Antisemitismusbeauftragter konkret?
Dieter Burgard (Antisemitisbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz): Ich bin fast acht Jahre Bürger- und Polizeibeauftragter und ich erlebe in einem Jahr über 400 Gespräche mit Bürgern und deren Anliegen. In der neuen Aufgabe ab Mai werde ich auch erstmal Ansprechpartner sein. Wo es Probleme vor Ort gibt, werde ich in Aktion treten und natürlich Präventionsarbeit leisten. Seit 1989 arbeite ich mit jüdischen Gemeinden und der Polizei in der Gedenkarbeit zusammen, daher habe ich reichliche Erfahrungen gesammelt. Schändungen von jüdischen Einrichtungen oder Friedhöfen sind kein neues Phänomen, aber der Bodensatz von 20 Prozent Antisemitismus in der Gesellschaft ist erschreckend.
DOMRADIO.DE: Ab Mai treten Sie die neue Stelle an. Wie werden Sie darauf vorbereitet? Was machen Sie im Vorfeld?
Burgard: Der Beschluss kam am 19. Dezember im Kabinett, auf Vorschlag von der Ministerpräsidentin. Ich werde unmittelbar in der Staatskanzlei angesiedelt sein. Die ersten Anfragen kamen schon, die israelische Konsulin aus München, Sandra Simovich, war schon hier in Mainz. Es gibt eine Einladung zu einer Tagung in Jerusalem für die Beauftragten aus aller Welt. Heute habe ich zum Beispiel ein erstes längeres Gespräch in der Staatskanzlei, um mich danach dann länger vorbereiten zu können.
DOMRADIO.DE: Wenn es dann auf Bundesebene diesen Beauftragten geben wird. Gibt es schon Anfragen, ob Sie assistieren oder beraten können?
Burgard: Ein guter Bekannter von mir ist Prof. Dr. Wolfgang Benz, die Koryphäe im Bereich der Antisemitismusforschung in Berlin. Es gibt eine breite Vernetzung, so dass ich auch in der Konstituierung der Fassung mitarbeite. Ich finde es auch wichtig, sich zu vernetzen und gegenseitig anzuregen.
DOMRADIO.DE: Im Gegensatz zu Frankreich ist Deutschland ein bisschen spät dran mit dem Antisemitismusbeauftragten. Was denken Sie?
Burgard: Wir sind in der Tat etwas spät dran. Die ersten Diskussionen kamen 2011 auf, das Thema gibt es im Bundestag seit 2004. Es hat lange gedauert und wird natürlich im Prozess der Regierungsbildung jetzt nicht gerade beschleunigt. Der Bundestag hat ein sehr geschlossenes Bild abgegeben. Ich habe die Debatte verfolgt und das Anliegen ist bei allen Parteien gleich. Wobei man natürlich bei der AfD genauer hinschauen muss, was gesagt wurde.
Das Gespräch führte Silvia Ochlast.
Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche. Andere Straftäter kamen aus der Türkei, aus Tunesien, aus Algerien, Afghanistan oder Polen.
Bundesfamilienministerin Barley erklärte: "Wir dürfen in unserem Land nie wieder zulassen, dass Antisemitismus akzeptiert oder beiläufig toleriert wird". Dafür müsse die gesamte Gesellschaft einstehen. Das beste Mittel gegen Hass und Intoleranz bleibe Bildung und Mitmenschlichkeit.
"Wir erleben eine ungeahnte Renaissance antijüdischer Ressentiments und Verschwörungstheorien. Die Tabus sind gefallen", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. "Pegida und Co. sowie die AfD haben diesen Virus in Deutschland ausbrechen lassen", erklärte Knobloch. Israelkritik sei zum Volkssport geworden. Auch Antisemitismus unter Muslimen sei eine enorme Bedrohung. Sie warf den muslimischen Verbänden vor, jahrzehntelang nichts gegen antisemitische Hassprediger getan zu haben. (KNA)