Thanksgiving: Wenn sich die Familie um einen gebratenen Vogel versammelt

Trump begnadigt Truthähne

Die Mythen rund um Thanksgiving gehören ebenso untrennbar zu dem Fest wie die Truthähne. Die US-Amerikaner lieben diesen Tag, an dem sie sich mit Familie und Freunden um einen gebratenen Vogel versammeln.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Trump begnadigt Truthähne vor Thanksgiving / © Manuel Balce Ceneta (dpa)
Trump begnadigt Truthähne vor Thanksgiving / © Manuel Balce Ceneta ( dpa )

Selbst der große Störer von Gepflogenheiten im Weißen Haus hält an dieser Tradition fest: Wie alle seine Vorgänger in den zurückliegenden 70 Jahren begnadigte US-Präsident Donald Trump am Dienstag (Ortszeit) im Rosengarten des Weißen Hauses zwei prächtige Truthähne aus dem Westen des US-Bundesstaats Minnesota.

Vor die Kamera durfte dann jedoch nur einer - und der trägt einen Namen, der vielen seiner Landsleute das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Der 47 Pfund schwere "Drumstick" (Schlegel) hatte sich in einem Schönheitswettbewerb im Internet gegen den nicht minder gewichtigen "Wishbone" (Gabelbein) durchgesetzt. Zur Belohnung durften beide Vögel nach Washington reisen und eine Nacht im vornehmen Willard Hotel verbringen.

Truthähne "Tater" und "Tot"

"Ich fühle mich so großartig dabei, das hier zu tun", sagte Trump nach der Begnadigung der Flattermänner. Drumstick und Wishbone haben nun das Glück, künftig im Gehege der University of Virginia Nachbarn der beiden Truthähne "Tater" und "Tot" zu werden, deren Leben Barack Obama zuletzt verschont hatte. "Ich war sehr aktiv, eine Reihe exekutiver Befehle meines Vorgängers rückgängig zu machen", scherzte Trump. "Aber mein Personal im Weißen Haus hat mich informiert, dass ich die Begnadigung von Tater und Tot unter keinen Umständen rückgängig machen kann."

Glück für die beiden Truthähne, wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr etwa 46 Millionen ihrer Artgenossen erst tiefgekühlt in den Eistruhen der Supermärkte, dann in den Bratröhren und schließlich an diesem Donnerstag (23.11.) auf den festlich gedeckten Tischen der Nation enden. Und das zu einem sagenhaft günstigen Preis. Das Pfund Truthahnfleisch geht bei der deutschen Aldi-Kette in den USA bereits für 99 Cent über die Theke. Günstiger gibt es das nur bei GIANT, der seinen Kunden den Truthahn für 49 Cent fast schon aufdrängt, wenn diese mindestens 25 Dollar für andere Einkaufe ausgegeben haben. Kein Problem angesichts der zahlreichen Zutaten, die für Saucen, Dressing, Beilagen und Nachtische benötigt werden.

Mythen des Thanksgiving-Fests

Anleitungen für die "stressfreie Vorbereitung" der Völlerei des Jahres finden sich seit Tagen in der "New York Times" und "Washington Post". Wer es einfach haben möchte, kann das ganze Mahl für zwölf Personen bei Whole-Foods vorgekocht für knapp 250 US-Dollar erwerben.

Dass Truthähne irgendetwas mit dem Ereignis zu tun haben, zu dessen Ehren sie geschlachtet werden, gehört übrigens zu den großen Mythen des Thanksgiving-Fests. Dieses hatte US-Präsident Abraham Lincoln nach zwei erfolgreichen Schlachten zum Ende des Bürgerkriegs 1863 erstmals angeordnet - mehr als zwei Jahrhunderte nachdem die ersten Siedler mit der Mayflower in Massachusetts am Plymouth Rock gelandet waren. Aus historischen Dokumenten geht hervor, dass die Kolonisten 1621 zusammen mit den Ureinwohnern der Wampanoag ein dreitägiges Fest feierten.

Reh mit Kürbis und Cranberries

Alles andere ist Legende. Niemand kann mit Sicherheit sagen, was Siedler und Indianer zusammenbrachte: Die erste erfolgreiche Ernte, das Überleben Dank der Hilfe der Ureinwohner oder ganz etwas anders. Truthähne gab es übrigens auch nicht. Die Rede ist von fünf Rehen, die die Indianer mit den rund einhundert Pilgervätern teilten. Dazu dürfte es Kürbis und Cranberries gegeben haben, aber gewiss keine Süßkartoffeln oder Kuchen.

In der Schule lernen die US-Amerikaner, es sei ein Dankfest der Pilgerväter für die Indianer gewesen. Ein schöner Mythos, der nicht so recht zu dem passen will, was die Ureinwohner danach erwartete. Wie die Pilgerväter auch lange nicht so fromm waren, wie es die Legende überliefert. "Sie sind nicht hierhergekommen, um religiöse Freiheit zu suchen", sagt der Sozialhistoriker James W. Loewen. Vielmehr sei es ihnen um die Errichtung einer Theokratie gegangen. "Sie kamen gewissermaßen wegen des exakten Gegenteils."

Gründungsgeschichte der Vereinigten Staaten

Trotzdem ist es eine schöne Geschichte, die die von Seuchen, Gewalt, ethnischen Säuberungen und Tod begleitete Gründungsgeschichte der Vereinigten Staaten in ein mildes Licht taucht - und die US-Amerikaner von heute kreuz und quer durch das Land reisen lässt, um sich mit Familie und Freunden um einen gebratenen Vogel zu versammeln.


Quelle:
KNA