BDKJ-Vorsitzende befürwortet Volksentscheide

"Für eine repräsentative Demokratie"

Der Ruf nach Volksentscheiden in Deutschland ist nicht neu. "Volksentscheid. Bundesweit" heißt eine Kampagne von 20 Organisationen, die der BDKJ unterstützt. Deren Bundesvorsitzende sieht darin eine Stärkung der Demokratie.

Stimmzettel nach einem Volksbegehren / © Paul Zinken (dpa)
Stimmzettel nach einem Volksbegehren / © Paul Zinken ( dpa )

domradio.de: Auf Landes- und auf kommunaler Ebene gibt es viele Formen der Bürgerbeteiligung. Warum wollen Sie, dass Volksentscheide auch auf Bundesebene eingeführt werden?

Lisi Maier (BDKJ-Bundesvorsitzende): Für den BDKJ sind Volksentscheide ein gutes Element zur Unterstützung der repräsentativen Demokratie sowie zur Stärkung und "Verbesserung" der parlamentarischen Demokratie. Dabei ist uns wichtig, dass diese Volksentscheide nach dem Vorbild der Bundesländer einzuführen sind. Wir haben in den letzten Jahren auch negative Beispiele aus der Schweiz oder England gehabt, wo Volksentscheide von oben herab diktiert worden sind und nicht von unten als Volksinitiativen nach oben gespült wurden.

domradio.de: Derzeit sind Volksentscheide auf Bundesebene so gut wie nicht vorgesehen, mit dem Argument, dass Gesetzgebungsverfahren dort zu kompliziert sind, um darüber nur mit "Ja" oder "Nein" abzustimmen. Denn es gehe dabei eben nicht nur um den Bau einer Straße oder die Schließung eines Schwimmbades. Teilen Sie diese Sorge nicht?

Maier: Aus unserer Perspektive wehren wir uns schon sehr lange gegen die Behautpung, dass Politik oder politische Fragestellungen für den Durchschnittsbürger zu groß oder zu kompliziert sind. Damit würden wir einen Schritt in Richtung einer technokratischen Expertenherrschaft gehen oder zu einer Struktur, die den Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern verliert. Für uns ist es wichtig, dass Politik für alle verständlich gemacht wird.

Für uns ist das Positive an einer Einführung von Volksentscheiden, dass man den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite Dinge noch einmal besser erklären müsste. Auf der anderen Seite stehen die Bürgerinnen und Bürger vor der Herausforderung, sich komplexen Fragestellungen widmen zu müssen. Dabei können sie indes erkennen, dass es Abgeordnete manchmal gar nicht so leicht haben. Das hilft dabei, nicht nur auf die repräsentative Demokratie zu schimpfen, sondern zu erkennen, dass auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier manchmal vor schwierigen Entscheidungen stehen, die vielleicht so schwierig sind, dass sie nicht immer so leicht mit "Ja" und "Nein" beantwortet werden können. Das ist uns wichtig.

Generell sehen wir einen Aufwind, weil bei der SPD und der CSU, als auch bei den Grünen und der FDP Volksentscheide im Wahlprogramm stehen. Das heißt, egal welche Regierungskoalition zustandekommt: Es werden Befürworterinnen und Befürworter dabei sein.

domradio.de: Glauben Sie, dass Bürger die manchmal weitreichenden Folgen einer Abstimmung überblicken können? Über 60 Prozent der Deutschen sprechen sich beispielsweise für aktive Sterbehilfe aus. Bei einem Volksentscheid wäre es also sehr wahrscheinlich, dass wir die Sterbehilfe in Deutschland bekämen.

Maier: Das ist ein Themenfeld, bei dem man merkt, dass Argumentationen nicht immer an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden. Die Zivilgesellschaft und die politischen Parteien haben eine gemeinsame Verantwortung, ihre Positionen darzustellen. Ich glaube, dass es viel um Aufklärung geht und dem BDKJ ist es wichtig, dass man eine starke Basis der Grundrechte hat; das nicht alles möglich ist, sondern dass der Grundrechte-Katalog als zentrale Instanz vorliegt, der auch durch Volksbegehren nicht infrage gestellt werden kann.

Das ist für uns wichtig, weil wir dadurch auch eine Instanz haben, die Minderheiten schützt, die auf unserer basierenden Verfassung und Rechtsgrundlage deutliche Signale sendet. Uns ist auch wichtig, dass Volksentscheide nicht dafür benutzt werden, um Bürgerinnen und Bürgern vorzugaukeln, dass sie etwas mitbestimmen können.

Ein Beispiel ist der Volksentscheid zum Flughafen Berlin-Tegel, der am Wochenende in Berlin durchgeführt wurde. Da hätte das Parlament aus der Perspektive unseres Bündnisses schon früher agieren müssen, weil wir glauben, dass diese Entscheidung nicht allein Berlin oder der Bund Brandenburg fällen kann.

Wenn man im Vorfeld weiß, dass eine Volksabstimmung eventuell keine Konsequenzen hat, dann darf man ihn nicht zulassen. Wir glauben deshalb, dass dieser Volksentscheid zum Flughafen Tegel nicht hätte zugelassen werden dürfen. Wir fordern dahingehend stärkere und klarere Richtlinien auf Basis des Grundgesetzes bei einem Volksentscheid auf Bundesebene.

Das Interview führte Aurelia Rütters.


Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Lisi Maier / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Lisi Maier / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
DR