Nach kritischen Äußerungen über Kreuze und andere religiöse Symbole im öffentlichen Raum war der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) im Mai 2014 von der CSU scharf angegriffen worden. "Ich bin maßlos enttäuscht von Martin Schulz", sagte CSU-Chef Horst Seehofer: "Eine Abkehr von der christlichen Prägung Europas über Jahrhunderte ist für die CSU vollkommen inakzeptabel."
Schulz hatte in einer Fernsehdebatte zur Europawahl gesagt, jeder solle persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort jedoch müsse "neutral" sein. Es gebe in Europa "das Risiko einer sehr konservativen Bewegung zurück". Dies müsse in Sinne der Anti-Diskriminierung "bekämpft" werden, meinte der damalige Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten.
Als gravierenden Angriff auf die Tradition und Rechtsordnung in Deutschland hatte der damalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, die Forderung von Martin Schulz zurückgewiesen. "Die Forderung verstößt gegen unsere Rechtsordnung und missachtet das in Deutschland gewachsene Verhältnis von Religion und Staat. Die Wahlkampfaussage, jeder solle persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort jedoch müsse 'neutral' sein, ist eine Polemik, die geeignet ist, Christen aller Konfessionen zu verletzen. Letztlich fordere Schulz eine konsequente Verbannung der Religion in den privaten Bereich. "Religion ist aber keine Privatsache", so Glück. "Wir haben in Deutschland einen anderen Weg des Miteinanders von Religion und Staat entwickelt, das den nötigen Raum lässt für die historisch gewachsene, gegenüber der Religion wohlwollende, fördernde Neutralität. Schon das Grundgesetz nimmt in seiner Präambel ausdrücklich Bezug auf unsere Verantwortung vor Gott."
07.02.2017
Mit der Forderung nach einer Verbannung von Kreuzen aus dem öffentlichen Raum sorgte der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz 2014 für einen Sturm der Entrüstung. Staatskirchenrechtler Prof. Stefan Mückl erläutert, warum die Idee keine Aussicht auf Erfolg habe.
domradio.de: Für wie gerechtfertigt halten Sie das Anliegen von Martin Schulz?
Prof. Mückl: Ich halte die Einlassung für überaus erstaunlich, weil sie nicht in die Zukunft weist, nicht das Europa des 21. Jahrhunderts abbildet, sondern zurückweist bis tief ins 19. Jahrhundert. Europa lebt von der Vielfalt, der "Vertrag über die Europäische Union" - das ist gewissermaßen das Grundgesetz der EU - bekennt sich zur "kulturellen Vielfalt" und zum "Schutz und zur Entwicklung des kulturellen Erbes Europas". Was hier nun gefordert wird, ist die Ausweitung eines sehr spezifischen Modells eines Landes - nämlich Frankreichs - auf ganz Europa, also die Expansion der Laizität.
domradio.de: Schulz verweist auch auf konservative Strömungen innerhalb Europas, die man im Sinne der Anti-Diskriminierung bekämpfen müsse. Ist das der richtige Weg?
Prof. Mückl: Das ist eine verblüffende Wahrnehmung. Die Religionsfreiheit wie generell die Grundrechte haben nichts zu tun mit einer möglicherweise zugrunde liegenden politischen Haltung. Die Ausübung eines Grundrechtes ist weder konservativ, noch liberal, noch sozialdemokratisch oder sozialistisch. Es ist schlicht und einfach die Ausübung eines Grundrechtes, das einem jeden zusteht. Von daher entzieht es sich meinem Verständnis, eine unterstellte politische Haltung mit der Ausübung eines jedermann zustehenden Grundrechtes zu vermischen.
domradio.de: Andere Politiker nehmen immer wieder Bezug auf die christlichen Wurzeln Europas. Aber sind Kreuze in der Öffentlichkeit und geschlossene Geschäfte am Sonntag nicht ohnehin eher eine Fassade für ein Abendland, das so schon gar nicht mehr existiert?
Prof. Mückl: Sieht man sich die tatsächlichen Grundlagen an, dann ist es unbestreitbar, dass Europa christlich ist. In der Europäischen Union bekennen sich weit über 80 Prozent der Einwohner zum christlichen Glauben, sei es in der katholischen, einer protestantischen oder einer orthodoxen Domination. So gesehen, ist die Prägung Europas unzweifelhaft christlich. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Kulturgeschichte betrachtet, die Musik, die Literatur, die Kunst. Von daher entspricht es schlicht und einfach den tatsächlichen Gegebenheiten, diesen Faktoren, die historisch gewachsen sind, eine dementsprechende Präsenz im öffentlichen Raum nicht nur zuzugestehen, sondern sie geradezu auch als legitim erscheinen zu lassen - selbstverständlich immer auf der Basis der Freiwilligkeit.
domradio.de: Lässt sich so ein Vorstoß, wie ihn Martin Schulz geäußert hat, überhaupt auf Europa-Ebene verwirklichen, ist das am Ende nicht doch wieder die jeweils interne Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsstaaten?
Prof. Mückl: Das ist in der Tat der entscheidende Punkt. Ich kann nicht erkennen, wie dieser Vorstoß in rechtliche Formen gegossen werden könnte. Denn die Europäische Union kann nur dann tätig werden, wenn ihr im Hinblick auf einen Sachverhalt die Kompetenz zusteht. Und es ist nach der Rechtslage ganz klar, dass die Zuständigkeit für das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nicht im Bereich der Union liegt, sondern bei den Mitgliedsstaaten verblieben ist. Und ich sehe auch politisch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern könnte.
Das Interview führte Hilde Regeniter im Mai 2014.
Nach kritischen Äußerungen über Kreuze und andere religiöse Symbole im öffentlichen Raum war der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) im Mai 2014 von der CSU scharf angegriffen worden. "Ich bin maßlos enttäuscht von Martin Schulz", sagte CSU-Chef Horst Seehofer: "Eine Abkehr von der christlichen Prägung Europas über Jahrhunderte ist für die CSU vollkommen inakzeptabel."
Schulz hatte in einer Fernsehdebatte zur Europawahl gesagt, jeder solle persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort jedoch müsse "neutral" sein. Es gebe in Europa "das Risiko einer sehr konservativen Bewegung zurück". Dies müsse in Sinne der Anti-Diskriminierung "bekämpft" werden, meinte der damalige Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten.
Als gravierenden Angriff auf die Tradition und Rechtsordnung in Deutschland hatte der damalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, die Forderung von Martin Schulz zurückgewiesen. "Die Forderung verstößt gegen unsere Rechtsordnung und missachtet das in Deutschland gewachsene Verhältnis von Religion und Staat. Die Wahlkampfaussage, jeder solle persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort jedoch müsse 'neutral' sein, ist eine Polemik, die geeignet ist, Christen aller Konfessionen zu verletzen. Letztlich fordere Schulz eine konsequente Verbannung der Religion in den privaten Bereich. "Religion ist aber keine Privatsache", so Glück. "Wir haben in Deutschland einen anderen Weg des Miteinanders von Religion und Staat entwickelt, das den nötigen Raum lässt für die historisch gewachsene, gegenüber der Religion wohlwollende, fördernde Neutralität. Schon das Grundgesetz nimmt in seiner Präambel ausdrücklich Bezug auf unsere Verantwortung vor Gott."