Theologe Vietmeier über Mexikos Sorge vor Trump

"Der schlecht behandelte Hinterhof"

Schon im Wahlkampf hat Donald Trump mit seinen Äußerungen zu Mexiko für Aufsehen gesorgt. Seine jetzt beginnende Präsidentschaft wird mit großer Besorgnis gesehen, sagt Alfons Vietmeier. Der Theologe arbeitet seit 30 Jahren in Mexiko. 

"Gerechtigkeit! Keine Grenzen!" - Grafitti an der Grenze zwischen Mexiko und den USA / © Nancy Wiechec (KNA)
"Gerechtigkeit! Keine Grenzen!" - Grafitti an der Grenze zwischen Mexiko und den USA / © Nancy Wiechec ( KNA )

domradio.de: Was denken die Mexikaner über Donald Trump als neuen US-Präsidenten?

Alfons Vietmeier (Mitbegründer und Koordinator des Arbeitskreises Großstadtpastorale in Mexiko-Stadt): Die allgemeine Stimmungslage ist: Große Besorgnis. Man macht sich Sorgen, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Angst und Wut sind festzustellen. Dabei muss man berücksichtigen, dass das Verhältnis Mexikos zu den Vereinigten Staaten eine lange Geschichte hat. Wir sind historisch gesehen immer der schlecht behandelte Hinterhof für die USA gewesen. Das kann man an vielen Daten belegen. Insofern gibt es immer ein Gefühl: Das ist nicht richtig, wie wir behandelt werden. Das macht traurig, macht ängstlich und macht wütend.

domradio.de: Nun ist es ja so, dass viele der Aussagen Trumps sich nicht nur auf die mexikanische Politik beziehen, sondern wirklich Angriffe auf die Menschen sind. Wie fühlen sich denn die Menschen damit, wenn sie vom künftigen US-Präsidenten so angriffen werden? 

Vietmeier: Sie empfinden das schlicht und einfach als ungerecht. Das ist einfach nicht wahr. Jetzt muss man das an ganz bestimmten Fakten deutlich machen: Derzeit leben in den USA über elf Millionen Mexikaner, die ohne Dokumente über die Grenze gegangen sind. Man nennt sie die Illegalen, während viele hier sagen: Wir haben doch ein Menschenrecht, zu wohnen, wo wir wohnen wollen. Das ist ein Thema, das in Europa ja auch diskutiert wird. Viele dieser Menschen arbeiten mit Schweiß im Angesicht und für wenig Geld in der Landwirtschaft und in vielen anderen Jobs und machen Gutes in den USA. Sicher gibt es unter denen auch Kriminelle - das steht gar nicht zur Debatte. So, wie unter allen Flüchtlingen Kriminelle sind und es auch unter US-Amerikanern Kriminelle gibt. Aber, das zu generalisieren, ist absolut absurd. Es ist statistisch nicht belegbar und tut weh.

domradio.de: Trump hat mehrere Drohungen ausgesprochen, die Mexiko betreffen. Es gibt die Drohung an den Autokonzern BMW, wenn sein neues Werk nicht in den USA, sondern in Mexiko gebaut wird, drohen Strafzölle. Dann gibt es die Befürchtung der Ausweisungen. Was bedeutet es denn für Mexiko, wenn das tatsächlich alles so kommt? Darunter wird doch dann die Wirtschaft massiv leiden.

Vietmeier: Das ist eine ganz große Sorge. Mexiko ist ein Billiglohn-Land. Und was macht man in Billiglohn-Ländern, wenn die Import-Zölle in den USA erhöht werden? Dann wird halt in Mexiko weniger produziert. Das ist die Wirtschaftslogik. Und darunter leidet die Beziehung zwischen den USA und Mexiko. Trump sagt: Mexiko zahlt die Mauer. Man schätzt derzeit, dass die Mauer vielleicht 10 Milliarden kosten könnte. Die mexikanische Regierung wird natürlich nie dieses Geld direkt auf ein Konto der USA überweisen. Aber Trump könnte es reinholen, indem er zum Beispiel Steuern für die Überweisungen der mexikanischen Gastarbeiter an ihre Familien erhebt - oder eben durch Steuern von Import-Produkten aus Mexiko.

domradio.de: Kurz in die Zukunft geblickt: Wie wird Mexiko aussehen, wenn diese vier Jahre unter Trump als Präsidenten rum sind?

Vietmeier: Im Grunde wird Mexiko weiter existieren. Es werden weiterhin 120 Millionen Menschen hier leben - wahrscheinlich in jedem Jahr eine Million mehr. Und eine Million mehr ist im Grunde das Schlüsselthema. Diese Million besteht aus jungen Menschen. 30 Prozent der Bevölkerung sind zwischen 15 und 25 Jahre alt. Welche Zukunft haben sie? Das Problem ist dann nicht so sehr nur die USA, sondern die Frage: Wie ist die politische Struktur innerhalb Mexikos selbst? Dort herrscht massive Korruption. Wer was will, der muss bestechen. Das ist inzwischen so schlimm geworden, dass die Leute die Nase voll haben von der Regierung und den Parteien. Wir haben im Sommer 2018 Wahlen. Insofern ist die Frage eher: Wie wird die Krise innenpolitisch bewältigt?

Außerdem hat Mexiko ein Problem mit zentralamerikanischen Migranten. Es gibt über eine Million Menschen aus Guatemala, El Salvador und Honduras, die durch Mexiko reisen, um den Traum eines "american way of life" zu leben. Das heißt, die Frage ist auch: Wie geht Mexiko mit seinen südlichen Nachbarn um? Diese Themen sind alle noch unklar. Aber – das möchte ich betonen: Es gibt eine Fülle von engagierten Menschen in Sozialinstitutionen, Nichtregierungsorganisationen, in der Kirche – das ist eine kritisch-konstruktive Masse. Um die nicht allein zu lassen, ist die Hilfe von Organisationen wie Misereor oder Adveniat wichtig. Und auch die internationale Politik muss am Ball bleiben und Einhaltung von Normen, Standards und Menschenrechten einfordern.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 


Quelle:
DR