Ein Bürgermarsch von Berlin nach Aleppo

Staffellauf der Solidarität

Zu Fuß nach Aleppo - über die umgekehrte Flüchtlingsroute dahin, wo alle Menschen im Moment weg wollen. Ausgedacht haben sich das Berliner Aktivisten. Es soll ein Protestmarsch werden, erklärt "civil march"-Mitorganisator Sebastian Olenyi.

Deutsche Bischöfe und EKD-Mitglieder schnüren Wanderschuhe / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Deutsche Bischöfe und EKD-Mitglieder schnüren Wanderschuhe / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

domradio.de: Geschlagene 3.000 Kilometer über Tschechien, Österreich, den Balkan, Griechenland und die Türkei, also die umgekehrte Flüchtlingsroute. Ist das nicht eine Kamikaze-Aktion? Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie nicht selbst gerettet werden müssen?

Sebastian Olenyi (Mitorganisator der Aktion"civil march"): Wie das Ende unseres Weges aussieht, das wissen wir heute auch noch nicht. Es ist auf jeden Fall erst einmal eine sehr lange Demonstration, mit der wir Aufmerksamkeit für das Thema erwecken wollen. Auch in den Ländern, durch die wir laufen.

domradio.de: Laufen alle die gesamte Strecke?

Olenyi: Manche werden wahrscheinlich auch nur ein oder zwei Tage dazu stoßen. Der Marsch wird 3,5 Monate dauern. Wir erwarten auch gar nicht, dass alle die ganze Strecke mitlaufen. Das ganze soll eher eine Art Staffellauf der Solidarität sein.

domradio.de: Wollen Sie denn auf jeden Fall bis zum Ende laufen?

Olenyi: Ob wir es am Ende schaffen werden, nach Aleppo oder in eine andere eingeschlossene Stadt vordringen können, das machen wir von der Sicherheitslage vor Ort abhängig. Für uns hängt der Erfolg nicht von den letzten paar Kilometern ab. Es geht in erster Linie darum mit diesem Bürgermarsch Aufmerksamkeit zu generieren.

domradio.de: Am zweiten Weihnachtstag geht es los, wie soll das ganze denn praktisch ablaufen? Wie bewegen Sie sich fort? Wo übernachten Sie?

Olenyi: Wir starten mit einer Veranstaltung mit vielen Gästen. Es spielt zum Beispiel eine syrische Band, die hier wahrscheinlich nicht so bekannt ist. Sie ist aber bei Syrern so bekannt wie bei uns etwa die Ärzte oder eine vergleichbar große Rockband. Und dann laufen wir los. Geplant sind jeden Tag ungefähr 20 Kilometer.

domradio.de: Ist denn alles soweit geplant?

Olenyi: Wir versuchen gerade noch beheizte Unterkünfte für die Teilnehmer zu finden. Für die erste Woche oder zehn Tage ist es bis jetzt gelungen, aber wir sind noch fleißig dabei und telefonieren jede freie Minute um Turnhallen oder Kirchen zu finden, die uns beherbergen.

Aber es kann auch sein, dass wir selbst bei diesen Temperaturen in den Zelten, die wir dabei haben, schlafen müssen. Wir versuchen es natürlich mit so wenig Kosten und so einfach wie möglich zu organisieren.

domradio.de: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen?

Olenyi: Man sieht ja täglich die schrecklichen Bilder über Social Media und alle anderen Kanäle. Da entstand natürlich ein gewisses Schuldgefühl. Man hat mal etwas davon geteilt oder ein "Like" (Gefällt mir) gedrückt, aber dabei macht man ja nicht etwas selber. Da kam die Idee.

domradio.de: Was ist Ihr Ziel mit diesem Marsch?

Olenyi: Wir versuchen auf dem Weg Aufmerksamkeit zu erwecken. Vielleicht können wir einige Hilfen mehr organisieren. Vielleicht können wir es schaffen, dass mehr diplomatischer Druck auf alle Parteien ausgeübt wird, die da in Syrien aktiv sind. Aber auch auf die europäischen Politiker. Von dort war ja auch öfters zu hören: "Meine Wähler interessiert es nicht, keiner kann mehr die Bilder sehen. Warum sollte ich mich dann engagieren?" Wenn wir wirklich dort ankommen, oder wenn nur ein paar wenige mehr Hilfe bekommen, oder der Konflikt etwas früher vorbei ist, dann haben wir sehr viel erreicht.

domradio.de: Wäre es nicht sinnvoller, Spenden zu sammeln und die Menschen vor Ort so zu unterstützen?

Olenyi: Viele von den Spenden können gerade nicht eingesetzt werden. Selbst die Hilfsorganisationen sind gar nicht mehr in den Städten vor Ort. Natürlich brauchen auch viele andere noch Hilfe, auch in den Camps in der Türkei oder anderen Ländern. Wir rufen auch zu Spenden auf - auch entlang des ganzen Weges. Natürlich versuchen wir auch so wenig wie möglich selber Kosten zu generieren.

Unter dem Strich kommt mehr dabei raus, wenn wir die Aufmerksamkeit erhöhen. Denn jetzt im Moment gibt es für die Eingeschlossenen keine humanitäre Hilfe.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR