Pater Nikodemus Schnabel über Ausgang der Israel-Wahl

"Politik der Angst tut niemandem gut“

Netanjahu hat die Parlamentswahl in Israel gewonnen. Er muss nun schnell eine Regierung bilden. Pater Nikodemus Schnabel aus Jerusalem hofft, dass der Dialog in Zukunft im Vordergrund steht. Hier das domradio-Interview.

Pater Nikodemus Schnabel / © dormitio.net
Pater Nikodemus Schnabel / © dormitio.net

domradio.de: Dass es so klar wird, das war nicht abzusehen oder?

Pater Nikodemus Schnabel (Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft): In Israel ist vieles nicht abzusehen. Ich glaube, wenn man eine Prognose macht, wird man immer wieder von der Wirklichkeit gestraft. Tatsächlich war das nicht abzusehen. Aber um vielleicht das Positive herauszustreichen. Die Wahlbeteiligung war enorm hoch. 72 Prozent, das ist für Israel absolut ungewöhnlich und das zeigt, dass diese Wahl die Menschen elektrisiert und interessiert hat. Und dass viele, auch in meinem Bekanntenkreis, mit denen ich gesprochen habe, die sonst eher Nichtwähler sind, die sagen, das bringt eh nichts, gesagt haben, dieses Mal gehen sie zur Wahl. Das sehe ich positiv. Die Demokratie hat gewonnen, wenn man so will.

domradio.de: Ministerpräsident Netanjahu ist zwar mit seiner Partei stärkste Kraft. Aber damit ist er noch nicht durch. Wie schwer wird die Regierungsbildung?

Schnabel: Enorm schwer. Wir haben zwar dieses mal nur 10 Parteien im Parlament. Das klingt viel, aber es waren letztes Mal noch ne Hand voll mehr. Dieses Mal gab es zum ersten Mal diese 3, 25 Prozenthürde, die lag vorher nur bei 2 Prozent. Und es gibt keinen ganz klaren Gewinner. Netanjahus Partei ist die stärkste. Aber sogar wenn er mit seinen naheliegenden Koalitionspartnern, den rechten Parteien, vielleicht auch den religiösen,  zusammengehen würde, käme er nicht auf die erforderlichen 61 Sitze. Er müsste mindestens eine Partei aus dem Zentrum für sich gewinnen. Genauso schwierig wäre es jetzt für Herzog, für das quasi linke Bündnis. Die müssten versuchen, sowohl die religiösen, wie vielleicht auch noch Liebermann, der mit Netanjahu nicht auf dem besten Fuß steht, vielleicht für ein Bündnis zu gewinnen. Auch das ist schwierig. Was er Präsident will ist eine große Koalition, aber auch da müsste noch eine dritte Partei mitmachen. Also alles sehr, sehr schwierig. Ich glaube, es bleibt spannend. Es ist nicht so klar, wie es politische ausgeht. Der Präsident wird auch entscheiden, wer die Verhandlungen führt und wer die Regierung bildet, das muss nicht die stärkste Partei sein.

domradio.de: Netanjahu hat vor der Wahl und auch noch am Wahltag selbst sich sehr radikal geäußert, was die Frage zum Beispiel nach einem Palästinenserstaat angeht. Das sei mit ihm nicht zu machen. Heißt das Wahlergebnis auch, eine Entspannung im Konflikt mit den Palästinensern ist nicht in Sicht?

Schnabel: Das ist schwierig. Einige sagen, das ist Wahlkampfrhetorik. Die anderen meinen, er sagt das, was er eh schon immer getan hat. Das sind alles schwierige Fragen. Man sieht politisch, dass er es natürlich auf Kosten der radikaleren Parteien, die noch weit rechts von ihm stehen geschafft hat, so stark zu werden. Die Jahad-Partei ist beispielsweise an der 3,25-Prozenthürde gescheitert. Daran kann man die Stärke seiner Partei erklären. Und sicher auch durch solche Aussagen. Sie reden ja gerade mit einem Mönch und Theologen, nicht mit einem Politikwissenschaftler. Wenn ich mich hier umhöre bei den Christen oder bei der Justitia et Pax-Kommission oder anderen, die das Land beobachten, die sagen, es kann alles einen Vor- und einen Nachteil haben. Wenn Netanjahu an der Macht bleibt, mit einer klar ausgerichteten parteipolitischen Stütze, dann kann man sagen, es ist vielleicht eine Chance für uns zu sagen, er sagt was er tut und er bringt klare Kante und wir können ihn auch klar konfrontieren mit seiner Politik. Wir können sagen: Du bist gegen eine Zwei-Staaten-Lösung, dafür agierst du. Und viele meinen, eine linkere Politik könnte schwieriger sein, um Rede und Antwort zu stehen, weil sie international mehr geachtet ist. Die eine Position finde ich natürlich schwierig. Die andere Position, in der fühle ich mich mehr zu Hause. Ein Dialog ist eigentlich die einzige Möglichkeit, denn ich glaube nicht, dass eine Politik, die klare Kante zeigt, die stark mit Ängsten arbeitet, etwa der Atomgefahr vom Iran, ich glaube, das tut niemandem gut. Wir müssten wieder den Dialog fördern und Kräfte die dafür sind zu reden. Die Alternative zum Dialog, der immer gern belächelt wird, wäre eine Form von militärischer Gewalt und das wünsche ich mir wirklich nicht mit den Christen zusammen hier.

 

Das Interview führte Verena Tröster

 

Quelle:
DR