Debatte um den Auftritt der AfD auf dem Katholikentag in Münster

Wird das Tischtuch zerschnitten?

Dass die AfD auf den 101. Katholikentag eingeladen ist, ist eine Premiere. Zwar werden auf Katholikentagen traditionell nicht nur kirchliche Positionen vertreten. Doch in der Geschichte gab es immer wieder Gruppen, die man dort nicht haben wollte.

AfD-Plakat / © Oliver Dietze (dpa)
AfD-Plakat / © Oliver Dietze ( dpa )

Meinungsvielfalt, Austausch, Streit: Dass all das zum Katholikentag gehört, ist in dem beinahe 700 Seiten starken Programm gleich ganz vorne zu lesen. "Beim Katholikentag ist es gute Tradition, dass kontroverse Themen auf den Tisch kommen", schreibt Thomas Sternberg, Vorsitzender der Katholikentagsleitung, in seinem Grußwort.

Im Vorfeld der Veranstaltung, die in dieser Woche in Münster stattfindet, sorgte jedoch ausgerechnet die Frage nach dem rechten Maß an Kontroverse für Streit. Konkret ist es die Einladung eines AfD-Manns, an der sich die Debatte entzündete.

Kritik: Christsein und AfD passen nicht zusammen

Dass die AfD auf einem Katholikentag vertreten sein soll, ist eine Premiere. Zu einer Diskussion zum Thema Staat und Religion seien Repräsentanten aller Parteien im Bundestag angefragt, hieß es im Februar seitens der Veranstalter.

Jedoch nicht die Parteien als solche wolle man zusammenkommen lassen, wie Sternberg betonte, "sondern nur ihre kirchenpolitischen Sprecher". In der AfD-Fraktion ist das Volker Münz.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und einige Theologen forderten daraufhin seine Ausladung - bisher ohne Erfolg. Der Katholikentag solle einer Partei, der unter anderem rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, kein Forum bieten, argumentierten die Kritiker. Christsein und AfD passten nicht zusammen.

Keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr

"Die Kritiker tun sich schwer mit der Kehrtwende, die die Katholikentagsleitung vollzogen hat", sagt Franz-Josef Bormann, Professor für Moraltheologie an der Universität Tübingen. "Eine Kursänderung ist immer eine Selbstkorrektur." Auf dem bisher letzten Katholikentag 2016 in Leipzig war die AfD noch unerwünscht. Doch seither ist vieles passiert.

Schon auf dem evangelischen Kirchentag im Mai 2017 in Berlin fand eine Diskussion mit einer AfD-Politikerin statt, die inzwischen jedoch wieder aus der Partei ausgetreten ist. Und im September erhielt die AfD bei der Bundestagswahl knapp 13 Prozent der Stimmen.

Seit sie jeden achten Wähler in Deutschland hinter sich weiß, ist die Partei keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr.

Klare Kante zeigen

Theologe Bormann meint, wenn es um Rassismus geht, solle man klare Kante zeigen. Als Ethiker plädiere er jedoch dafür, mit Vertretern aller Parteien zu sprechen - so lange sich die Diskussion im Rahmen der Verfassung bewege.

Die Entfernung der Positionen einer Partei zu denen der Kirchen kann seiner Meinung nach jedoch nicht das Kriterium für den Austausch sein: "Die FDP zum Beispiel war ja bisher auch eingeladen, obwohl sie in Fragen des Lebensschutzes ganz andere Positionen vertritt als die Kirche. Und die SPD will das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abschaffen, mit ihr wird auch diskutiert."

Bormann sieht die Aufgabe der Katholikentage auch darin, Meinungsvielfalt abzubilden.

Meinungsvielfalt abbilden

Ein Bestreben, das sich die Katholikentage in ihrer 170-jährigen Geschichte relativ spät zu eigen machten. "Erst in den 1990er Jahren setzte sich der Anspruch durch, Meinungsvielfalt abzubilden", sagt Holger Arning von der Universität Münster und einer der beiden Autoren des Buchs "Hundert Katholikentage".

"Die Katholikentage standen bis dahin stets bestimmten kirchlichen und politischen Strömungen nah, so dass es auch Gruppen gab, die nicht erwünscht waren", erklärt er.

Dabei wechselten die Allianzen. Bis zur Weimarer Republik hätten die Katholikentage als Parteitagsersatz der gemäßigten Zentrumspartei gegolten. "In den frühen 1930er Jahren folgte die Herausforderung durch die Rechtskatholiken, die auf dem Katholikentag nationalistische und völkische Positionen vertraten", sagt Arning.

Historische Parallelen

Hier sieht er mögliche Parallelen zu dem geplanten Auftritt des AfD-Vertreters. Doch anders als früher seien Repräsentanten rechter Parteien heute nicht in die Organisation der Veranstaltung eingebunden.

Auch der Streit um die Anwesenheit bestimmter Parteien ist nicht ohne historische Parallelen. "1986 sah man davon ab, die Grünen einzuladen, die drei Jahre zuvor erstmals in den Bundestag eingezogen waren", berichtet Arning.

"Nachdem die Grünen die Abschaffung von Paragraf 218 zum Schwangerschaftsabbruch gefordert hatten, hieß es, das Tischtuch sei zerschnitten." Die Grünen blieben auf den Podien außen vor. Doch auch hier wiederholt sich die Geschichte nur ansatzweise: Volker Münz ist eingeladen. Und bisher hält er an seinem Auftritt fest.

Julia Lauer


Heimatkongress in Münster / © Rolf Vennenbernd (KNA)
Heimatkongress in Münster / © Rolf Vennenbernd ( KNA )
Quelle:
epd