Katholikentags-Podium debattiert über Konfessionslose

Der kleine Atheist in jedem von uns

"Wir wollen mit den Konfessionslosen ins Gespräch kommen" - das ist einer der Ansprüche dieses Katholikentags in der ostdeutschen Diaspora. Doch nicht jedes Veranstaltungsformat eignet sich offenbar dafür.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Podiumsdiskussion in Leipzig  / © Jan Woitas (dpa)
Podiumsdiskussion in Leipzig / © Jan Woitas ( dpa )

Beim Katholikentag in Leipzig wollen die Veranstalter zwar über die AfD reden, aber nicht mit ihr. Auch beim Hauptpodium zum Dialog mit den Konfessionslosen wird nur über, aber nicht mit den "Betroffenen" gesprochen. Symbolhaft bleibt in der Talkrunde in der gut gefüllten Kongresshalle ein Stuhl in der Mitte leer: nämlich der für alle, die sagen: "Ich glaub' nichts, mir fehlt nichts" - so auch das Motto des Podiums. Passende Repräsentanten dieser Gruppe lassen sich offenbar auch nur schwer finden. Denn es geht ja um die, die oft noch nie auch einen Gedanken an Religion und Glauben "verschwendet" haben. Anders als Atheisten, die beides bewusst ablehnen.

Das Problem bringt der Philosoph Eberhard Tiefensee von der Erfurter Katholisch-Theologischen Fakultät direkt in seinem Impulsreferat auf den Punkt: "Viele Religionswissenschafter und Theologen tun sich mit der Gruppe der religiös Indifferenten so schwer, dass sie sich lieber den Atheisten zuwenden." Für viele im offenbar überwiegend nicht konfessionslosen Publikum dürfte das, was Tiefensee im weiteren ernüchternd ausführt, starker Tobak sein. So relativiert er die oft hervorgehobene Bedeutung des Christentums für gesellschaftliche Werte: "Welche davon sind so genuin christlich, dass sie sich nicht auch als humanistische Werte in der Gesellschaft finden lassen?"

Viele Überschneidungen 

Studien zeigten, so Tiefensee, dass religiöse Menschen in Europa sich in ihren Moralvorstellungen kaum von nicht-religiösen unterscheiden: Religion und Christentum brauche man demnach zum Leben nicht unbedingt. Da sie aber in der Gesellschaft vorhanden seien, müsse sich jeder dazu verhalten. Und es zeige sich immer wieder: "In jedem Atheisten wohnt ein kleiner Christ - und in jedem Christen wohnt ein kleiner Atheist."

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beobachtet gewisse Überschneidungen in diese Richtung. Das zeige sich etwa "in der größten Herausforderung unseres Landes", der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen: "Ich sehe, wie Menschen wachsen, über sich hinaus wachsen - und zwar auf einem Wertekanon, um dessen christliche Wurzeln sie gar nicht wussten." Gesellschaft und Politik müssten sich fragen, was Mitmenschlichkeit denn konkret bedeute: "Jeder Asylbewerber, der länger als zwei Jahre hier ist, braucht eine Anerkennung."

Als Protestant in der Linkspartei 

Fast schon aufbrausend erzählt Ramelow von Flüchtlingsschicksalen und Familien, die nicht nachvollziehbare Abschiebebescheide bekämen: "Wie inhuman sind wir manchmal?" Doch es gebe eben auch die humane Seite, wenn sich etwa ein ganzes Dorf oder eine ganze Pfarrgemeinde - mit Erfolg - für Familien einsetze, denen die Abschiebung drohe. In der Flüchtlingshilfe, so zeigen die Beispiele, ziehen Konfessionslose und Gläubige gemeinsam an einem Strang für Menschlichkeit.

Schließlich erklärt Ramelow auf ein Neues, dass er auch als Protestant in der Linkspartei gut leben könne. Und er erinnert daran, dass auch seine Partei schon sehr lange einen Arbeitskreis für Christen habe. "Das Christentum ist für mich Glaubensheimat und Fundament", so der bekennende Protestant. Als er allerdings 1999 für die PDS kandidierte, "saß ich plötzlich ganz allein in meiner Kirche in der Bank". Im Christentum gebe es für ihn viele Ansatzpunkte, "mit denen ich auch politisch umgehen kann". Allerdings müsse man die Bibel immer wieder neu in die heutige Zeit übersetzen.

Betroffene bleiben stumm 

Wie jene "religiös Indifferenten" oder "religiös Unentschiedenen" über all das denken - man würde es gern wissen. Ihre Stimme blieb stumm bei diesem Podium. Auch als das Publikum um Wortmeldungen gebeten wurde. Dieser Dialog braucht offenbar andere Veranstaltungsformate.


Quelle:
KNA