Tanzverbot am Karfreitag sorgt alljährlich für Debatten

"Tag der Unterbrechung tut gut"

Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet das Tanzverbot am Karfreitag, so eine Umfrage aus dem vergangenen Jahr. Die Länder reagieren bisweilen unterschiedlich - in einigen Städten gab es nun Sondergenehmigungen.

Autor/in:
Paula Konersmann und Rainer Nolte
Tanzverbot an Karfreitag sorgt für Diskussionen / © Jörg Loeffke (KNA)
Tanzverbot an Karfreitag sorgt für Diskussionen / © Jörg Loeffke ( KNA )

Der Karfreitag ist fast durchgehend rot markiert. In der Übersichtstabelle einer Online-Enzyklopädie zu den sogenannten stillen Feiertagen steht Rot für ein ganztägiges Tanzverbot. Es gilt am kompletten Karfreitag in den meisten Bundesländern; in den übrigen zumindest zu bestimmten Zeiten. Kein anderer Tag ist so still. Ruhe kehrt in die Debatten bislang jedoch nicht ein. "Relikt aus dem letzten Jahrhundert", "überkommene Rücksichtnahme", "Ausbremsen von Nachtschwärmern" - solche Worte von Kritikern sind noch verhältnismäßig sachlich.

"Ein Tag der Rücksicht"

Die Kirchen pochen dagegen auf die Bedeutung des Karfreitags. Die Deutsche Bischofskonferenz unterstrich: "Der besondere Charakter des Karfreitags als Tag der Ruhe, der Besinnung und der Einkehr gehört untrennbar zur kulturellen Gestalt dieses Tages." Dies habe zwar im christlichen Glauben ihren Ursprung, aber darüber hinaus auch eine eigenständige kulturelle Bedeutung. "Es tut auch einer weitgehend säkularen Gesellschaft gut, einen allgemeinen Tag der Unterbrechung des alltäglichen Erwerbs-, Konsum- und Vergnügungsbetriebes aufrecht zu erhalten", so Sprecher Matthias Kopp an Gründonnerstag.

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, erklärte am gleichen Tag in der "Rhein-Neckar-Zeitung": "Ist das echt so eine skandalöse Einschränkung der persönlichen Freiheit, wenn ich an 364 Tagen tanzen kann, ich an einem einzigen Tag mal Rücksicht auf die religiösen Überzeugungen der Mehrheit der Menschen im Land nehmen soll?"

Regelungen sind Ländersache

Am Karfreitag gedenken Christen der Kreuzigung Jesu. In der evangelischen Kirche gilt er als einer der höchsten Feiertage. Für Katholiken ist er ein Fast- und Abstinenztag. Unterdessen gab es immer wieder Tanzverbote zu bestimmten Tagen oder Zeitabschnitten. Allgemeine derartige Regelungen herrschten in Deutschland zeitweise auch aus politischen Gründen, etwa während der beiden Weltkriege.

Die heutigen Regelungen sind Ländersache. Mehrere Bundesländer lockerten ihre Gesetze in den vergangenen Jahren. Schleswig-Holstein verkürzte das Tanzverbot: Das Verbot gilt nicht mehr rund um die Uhr, sondern von 2.00 Uhr morgens am Karfreitag bis 2.00 Uhr morgens am Karsamstag. Bayern, das 2013 ebenfalls das Feiertagsgesetz gelockert hatte, entschied 2014, dass an den stillen Tagen keine Zirkusvorstellungen erlaubt sind, im konkreten Fall an Allerheiligen. Das Tanzverbot betrifft in aller Regel auch Sportveranstaltungen.

Verfassungsgericht urteilt zu Karfreitag

Im November 2016 erklärte dann das Bundesverfassungsgericht den strengen bayerischen Schutz des Karfreitag für verfassungswidrig. Geklagt hatte der "Bund für Geistesfreiheit" (BfG), dem die Stadt seit 2007 das Feiern von "Heidenspaß"-Partys am Karfreitag untersagt hatte. Ein generelles Verbot sei unverhältnismäßig, so das Urteil, es müsse auch Möglichkeiten für Ausnahmen von der Pflicht zur Stille geben. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bedauerte den Beschluss.

Nun wurden in München und Leipzig "Heidenspaß"-Partys am stillsten Feiertag zugelassen. Die erteilte Befreiung sei dennoch kritisch zu sehen, so der BfG: "Warum brauchen konfessionsfreie Menschen eine Ausnahmegenehmigung, wenn sie ihre vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte wahrnehmen wollen?" Die Politik müsse die Feiertagsgesetzgebung den gesellschaftlichen Realitäten anpassen.

Ausnahme in Bochum

Obwohl die Aufführung der Komödie "Das Leben des Brian" an Karfreitag - wie rund 700 weitere Filme - grundsätzlich verboten ist, darf sie in diesem Jahr in Bochum gezeigt werden. Die Initiative "Religionsfrei im Revier" erhielt von der Bezirksregierung Arnsberg eine Ausnahmegenehmigung - für dieses Jahr.

Hessen ist das Land mit den meisten stillen Feiertagen. An 15 Tagen, darunter auch Neujahr, herrscht dort zeitweiliges Tanzverbot. Die wenigsten stillen Tage begehen Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein. Dort sind Karfreitag, Volkstrauertag und Totensonntag geschützt - noch.

Stärkste Lockerung in Bremen

Am stärksten wurde die Regelung 2013 in Bremen gelockert. Nach einer Petition entschied die Bürgerschaft, das Tanzverbot einzuschränken. Das neue Gesetz sah außerdem eine komplette Abschaffung des Verbots im Jahr 2018 vor. Dies nahm die Bürgerschaft jedoch im vergangenen Jahr zurück und beließ es bei der Übergangsregelung. Dafür hatten sich unter anderem die Kirchen stark gemacht.

Mit einer neuen Petition will jedoch der Bremer SPD-Politiker Maurice Mäschig die komplette Abschaffung vorantreiben. 570 Unterstützer hat er derzeit. "Ob Besinnung und Ruhe jemandem gut tun oder man seine Zeit lieber anders verbringen möchte, sollte jeder für sich entscheiden dürfen", erklärt er. Die Landesopposition in Niedersachsen forderte am Donnerstag in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" ebenfalls eine Streichung des Tanzverbots aus dem Feiertagsgesetz.

"Bedürfnis nach Ausnahmegenehmigungen"

Neben dem Karfreitag gibt es bundesweite Einschränkungen nur am Volkstrauertag - einem staatlichen Gedenktag - und am Totensonntag. Für alle anderen stillen Tage gilt längst, was für den Karfreitag immer wieder gefordert wird: Regionale Besonderheiten werden berücksichtigt. So ist etwa Allerheiligen nur in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ein stiller Tag.

Der Münsteraner Rechtswissenschaftler Fabian Wittreck rechnet künftig mit mehr Ausnahmeregelungen: "Je mehr die religiöse Vielfalt in der Gesellschaft wächst, umso stärker wird das Bedürfnis nach Ausnahmegenehmigungen - genauso steigt die Bereitschaft, sie zu erteilen.»

Viele Bischöfe und Priester erinnern gerade am Karfreitag an Terror und Kriege, Katastrophen und Hungersnot. Das Leid der Welt steht an diesem Tag im Zentrum. Die Zumutung, 24 Stunden lang aufs Tanzen zu verzichten, ist dagegen doch vergleichsweise klein.

 

Quelle:
KNA