Kardinal Lorenzo Baldisseri zur Vorbereitung der Jugendsynode

"Spontaneität der Jugendlichen überrascht"

Online-Umfrage, Symposium und eine Vorsynode. Selten wurde eine Bischofssynode so breit vorbereitet wie die Jugendsynode im Oktober. Im Interview zieht Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Bischofssynode, eine Zwischenbilanz.

Jugendliche im Gebet / © Corinne Simon (KNA)
Jugendliche im Gebet / © Corinne Simon ( KNA )

KNA: Sie haben sich schon viel mit den Themen der Jugendsynode befasst. Gibt es im Abschlussdokument der Vorsynode Ende März etwas, das Sie noch überrascht hat?

Kardinal Lorenzo Baldisseri (Generalsekretär der Bischofssynode): Überrascht hat mich vor allem die Spontaneität, mit der sich die jungen Leute geäußert haben. Die zweite wichtige Beobachtung ist für mich, wie wichtig ihnen Familie ist. Das mag ungewöhnlich erscheinen. Doch auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit fühlen sich viele Jugendliche allein. Daher suchen sie Unterstützung, oft zuerst bei ihren Eltern. Darüber hinaus erstaunt mich ihr Gefühl für Gemeinschaft - ob in Schule, Elternhaus, Vereinen oder Kirche.

Auf ihrem Weg in die Zukunft wollen junge Menschen begleitet werden. Dies ist ein Schlüssel, sie zu verstehen. Begleitung heißt aber, neben ihnen zu gehen, nicht vor und nicht hinter ihnen. Diese Haltung wird zu einem pädagogischen Prinzip, wenn der Jugendliche dem jeweiligen Begleiter vertraut.

KNA: Es gab auch eine Online-Umfrage. Welches waren dort die für Sie überraschendsten Ergebnisse?

Baldisseri: Zunächst die Tatsache, dass es überhaupt so viele Kontakte gab. Insgesamt waren das fast eine halbe Million. Etwa 110.000 haben angefangen, den Fragebogen zu beantworten, 80.000 haben dies komplett getan ...

KNA: Und inhaltlich?

Baldisseri: Für uns war es eine erstmalige Erfahrung, eine Webseite zu eröffnen, um mit Jugendlichen zu interagieren. Zudem haben wir gesehen, dass die Mehrheit von ihnen sich schon in der Kirche engagiert. Viele waren einfach neugierig, was die Kirche hier zu bieten hat. Die Jugendlichen heute sind es ja gewohnt, sich alle Optionen anzuschauen - darunter eben auch die Kirche.

KNA: Also ist für Sie die Kontaktaufnahme an sich wichtiger als der Inhalt der Antworten?

Baldisseri: Ja, in gewisser Weise schon. Auf diesem Gebiet müssen wir einfach weitere Schritte unternehmen.

KNA: Etliche Teilnehmer der Vorsynode waren skeptisch, wie viel von dem, was sie bewegt, bei den Bischöfen in der Synode ankommt. Wie genau fließt ihr Dokument in das Arbeitsdokument für die Bischöfe ein? Wer macht das?

Baldisseri: Das Arbeitsdokument der Synode speist sich aus vier Quellen: erstens den Antworten der Bischofskonferenzen. Denen hatten wir ebenfalls einen Fragebogen geschickt. Von den 114 Bischofskonferenzen haben bisher 80 Prozent geantwortet. Das ist für uns ein Rekord zu diesem Zeitpunkt einer Synodenvorbereitung. Von den 15 orientalischen Kirchen haben schon zwölf geantwortet. Zusätzlich sind Kurie, Orden und nichtkatholische Institutionen angefragt.

Die zweite Quelle ist ein Symposium über jugendliche Lebenswelten, das im vergangenen Herbst stattgefunden hat.

Die dritte Quelle ist die Webseite zur Jugendsynode und der Online-Fragebogen, die vierte schließlich das Abschlussdokument der Vorsynode. Dazu kommen Zusammenfassungen der diversen Eingaben während der Vorsynode. Aus all diesem Material erstellen unsere Fachleute jetzt eine Synthese, die das "Instrumentum laboris" darstellt.

KNA: Wann wird das fertig sein?

Baldisseri: Mitte Mai soll es hier intern vorgestellt werden. Im Juni wird es dann weltweit verschickt.

KNA: Wie werden junge Menschen an der Synode selbst beteiligt - als Auditoren, Gäste, Sprecher?

Baldisseri: Nach den Statuten der Synode sind etwa 40 Auditoren vorgesehen, die das Thema der Synode repräsentieren sollen. Die können dort reden, aber nicht mit abstimmen. Ausgewählt werden sie mit Hilfe der Bischofskonferenzen aus verschiedenen Teilen der Welt. Dabei wollen wir eine möglichst breite Auswahl, auch von Nicht-Glaubenden. Die können einmal in der Aula sprechen, sich aber auch in den Sprachgruppen äußern.

KNA: Werden die Auditoren unter den Teilnehmern der Vorsynode ausgewählt?

Baldisseri: Wir sind frei und offen, von den Teilnehmern der Vorsynode jemanden auszuwählen oder andere. Wir wollen auch anderen die Chance geben, sich einzubringen, wollen selbst andere hören. Daher können bei der Synode im Oktober Teilnehmer der Vorsynode dabei sein - und andere.

KNA: Wie genau wurden überhaupt die 300 Teilnehmer der Vorsynode ausgewählt?

Baldisseri: Zunächst haben wir die 114 Bischofskonferenzen schriftlich gebeten, eine Person zu delegieren, die größeren Konferenzen zwei. Die Ostkirchen ebenso. Dann haben wir die wichtigsten katholischen Bewegungen und Verbände gebeten, einen Vertreter zu schicken. 15 bis 20 Prozent der Teilnehmer der Vorsynode haben wir außerhalb der Kirche gesucht, über Sportverbände, Gewerkschaften und andere Organisationen. Deren Beiträge waren oft sehr bewegend und bereichernd.

KNA: Einige junge Menschen kritisieren, die Kirche vernachlässige das Thema Sexualität. Welche Rolle wird das im "Instrumentum laboris" spielen?

Baldisseri: Das Thema Sexualität wird vorkommen wie andere - etwa Erziehung - auch. Es stimmt auch, dass bei dem Symposium im Herbst diese Kritik angebracht wurde. Das war aber, weil der entsprechende Referent kurzfristig ausfiel.

KNA: Zum Schluss eine ganz andere Frage: Es gibt Kreise, die vermuten oder argwöhnen, die Jugend-Synode sei auch ein Vorwand, um über das Thema Sexualität die kirchliche Lehre aus "Humanae vitae" zu verändern oder abzuschwächen. Ihr Kommentar dazu?

Baldisseri: Das ist für mich völlig absurd. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Natürlich behandeln wir, wie gesagt, das Thema Sexualität insgesamt. Aber in eine derartige Debatte werden wir gar nicht einsteigen.

Das Interview führte Roland Juchem.


Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Synode / © Cristian Gennari (KNA)
Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Synode / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA
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