Nach den Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich jüdisches Leben hierzulande etabliert. Im Zuge der Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion seit den 1990er Jahren seien in vielen Städten jüdische Gemeinden überhaupt erst entstanden. Dass mittlerweile wieder Rabbiner in Deutschland ordiniert würden, sei fast schon "jüdischer Alltag", sagte Schuster am Dienstag. Er verwies auf rund 96.000 Mitglieder in den 105 Gemeinden, die zum Zentralrat gehören.
Schuster äußerte sich auf einer online übertragenen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Beginn des Festjahres zu 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland. Im Jahr 321 erwähnte ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin erstmalig eine jüdische Gemeinde in Köln. Das Dokument ist Grundlage für das Jubiläum zu 1.700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland, das 2021 bundesweit mit zahlreichen Veranstaltungen begangen wird.
In dem Festjahr soll die "reiche Geschichte" und der Beitrag von Juden auf vielen gesellschaftlichen Feldern, in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft gezeigt werden. Zugleich handele es sich um eine Geschichte mit "Höhen und Tiefen", betonte Schuster. Nach der Schoah mit sechs Millionen ermordeten europäischen Juden sei jüdisches Leben in Deutschland undenkbar gewesen. "Die Zeiten haben sich geändert", so Schuster mit Blick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten.
Trotz aller positiven Gesichtspunkte gebe es demografische Probleme in den jüdischen Gemeinden, so Schuster. Zudem nannte er die Bedrohungen durch gewaltbereite Antisemiten, wie sie sich zum Beispiel in dem Anschlag auf die Synagoge in Halle gezeigt hätten. Gotteshäuser seien nach wie vor auf Schutz und die jüdische Gemeinschaft auf die Solidarität der Mehrheitsgesellschaft angewiesen. Einschränkungen in der Religionsfreiheit bedrohten zudem jüdisches Leben in Europa.
Schuster verwies in dem Zusammenhang auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum rituellen Schlachten von Tieren. Demnach dürfen EU-Länder eine Betäubung von Tieren auch im Rahmen religiöser Schlachtungen vorschreiben. Das ist beim Schächten nicht vorgesehen. Die Entscheidung hatte scharfe Kritik vonseiten jüdischer Vertreter in Europa nach sich gezogen. Schuster rief dazu auf, gemeinsam das Recht auf freie Religionsausübung zu verteidigen. (KNA / 05.01.2021)
27.01.2021
Am 27. Januar wird im Bundestag die Restaurierung einer historischen jüdischen Schriftrolle vollendet. 2021 wird bundesweit die 1.700 Jahre alte Präsenz jüdischer Kultur in Deutschland gefeiert. Einiges Wissenswertes über die Thora.
Was ist die Thora?
Das hebräische Wort lässt sich mit "Lehre, Gesetz" oder auch "Wegweisung" übersetzen und ist die heiligste Schrift der Juden. Sie umfasst die ersten fünf Bücher der Bibel und enthält 613 Ge- und Verbote, die fromme Juden in ihr Leben zu integrieren versuchen. Nach biblischer Überlieferung hat Gott vor mehr als 3.000 Jahren die Thora am Berg Sinai dem Volk Israel durch Mose offenbart. Seither wird sie von Generation zu Generation weitergegeben. Aus der Thora wird regelmäßig in der Synagoge vorgelesen. Dazu muss man die althebräische Schrift beherrschen, die ohne Vokale und Satzzeichen auskommt.
Wie sieht sie aus?
Es handelt sich um eine Schriftrolle, für die Pergamentstreifen mit Tiersehnen zusammengenäht wurden. Jede Seite hat genau 42 Zeilen. Die meisten Thorarollen messen in der Höhe etwa 65 Zentimeter und wiegen 10 bis 12 Kilogramm. Sie sind auf zwei hölzerne Griffe aufgewickelt, mit denen sie sich tragen und aufrollen lassen. Oft hängt ein silberner Zeigestab daran, denn die Rolle darf nicht von Hand berührt werden. Ungeöffnet wird sie von einem kostbaren Mantel umhüllt und in einem heiligen Schrein aufbewahrt.
Wie wird so eine Rolle hergestellt?
Durch reine Handarbeit, für die Spezialisten neun Monate lang in Israel ausgebildet werden. Es geht dabei um mehr als das Erlernen eines anspruchsvollen Handwerks. Ein Thora-Schreiber (Sofer) muss über 4.000 jüdische Gesetze kennen und sich vor Beginn seiner Arbeit rituell reinigen. Für das Aufbringen der Schrift, das selbst eine Art Gebet oder Meditation darstellt, darf er nur einen Federkiel und eine besonders haltbare schwarze Tinte benutzen. Missrät ihm einer der 304.805 Buchstaben, ist die Rolle unbrauchbar. Er muss wieder von vorn anfangen. Die Arbeitszeit beträgt ein bis zwei Jahre.
Und wenn sie fertig ist?
Fehlen noch zwölf Buchstaben des letzten Buches, die in einer Feierstunde, in der Regel in der Synagoge, vollendet werden. Auch dafür gibt es Regeln. So dürfen außer dem Sofer als eine besondere Form der Ehrbezeugung Rabbiner, Spender oder bedeutende Persönlichkeiten teilnehmen und als Paten für einzelne Buchstaben fungieren. Entweder machen sie selbst den symbolischen letzten Strich, sie halten mit dem Sofer gemeinsam den Federkiel, oder sie lassen treuhänderisch von ihm die Ausfertigung vornehmen.
Warum hält das Judentum bei seinen im Gottesdienst verwendeten heiligen Texten an der Handschrift fest?
In den christlichen Kirchen sind seit dem Aufkommen des Buchdrucks keine Handschriften mehr im Gebrauch. Annett Martini, Expertin für jüdische Kulturgeschichte in Berlin, sagt, die Beibehaltung der Handschrift habe letztlich mit der (Ehr)Furcht vor dem Namen Gottes zu tun. Eine Maschine könne diese beim Druckvorgang nicht aufbringen, wie es dem Sofer jedes Mal aufgetragen ist, wenn er ihn zu schreiben hat.
Was passiert mit Thora-Rollen, die beschädigt sind?
Wenn auch nur ein einziger Buchstabe nicht mehr leserlich ist, gilt die Schriftrolle als nicht mehr koscher und darf nicht länger im Gottesdienst verwendet werden. Sie muss dann entweder restauriert werden oder wird in einem Gefäß auf einem jüdischen Friedhof bestattet.
Wie alt sind die ältesten erhaltenen Thora-Rollen in Deutschland?
Mit 229 Jahren ist die restaurierte Sulzbacher Schriftrolle, die am 27. Januar im Andachtsraum des Bundestages beim Staatsakt zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus vollendet wird, schon ziemlich alt. Die weitaus meisten jüdischen Schriftrollen in Deutschland wurden während er Novemberpogrome 1938 von den Nazis vernichtet. Allerdings haben sich in christlichen Bibliotheken aufbewahrte wesentlich ältere Schriftrollen aus dem Mittelalter erhalten, etwa in Erfurt, Wolfenbüttel, Halle und München.
Nach den Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich jüdisches Leben hierzulande etabliert. Im Zuge der Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion seit den 1990er Jahren seien in vielen Städten jüdische Gemeinden überhaupt erst entstanden. Dass mittlerweile wieder Rabbiner in Deutschland ordiniert würden, sei fast schon "jüdischer Alltag", sagte Schuster am Dienstag. Er verwies auf rund 96.000 Mitglieder in den 105 Gemeinden, die zum Zentralrat gehören.
Schuster äußerte sich auf einer online übertragenen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Beginn des Festjahres zu 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland. Im Jahr 321 erwähnte ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin erstmalig eine jüdische Gemeinde in Köln. Das Dokument ist Grundlage für das Jubiläum zu 1.700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland, das 2021 bundesweit mit zahlreichen Veranstaltungen begangen wird.
In dem Festjahr soll die "reiche Geschichte" und der Beitrag von Juden auf vielen gesellschaftlichen Feldern, in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft gezeigt werden. Zugleich handele es sich um eine Geschichte mit "Höhen und Tiefen", betonte Schuster. Nach der Schoah mit sechs Millionen ermordeten europäischen Juden sei jüdisches Leben in Deutschland undenkbar gewesen. "Die Zeiten haben sich geändert", so Schuster mit Blick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten.
Trotz aller positiven Gesichtspunkte gebe es demografische Probleme in den jüdischen Gemeinden, so Schuster. Zudem nannte er die Bedrohungen durch gewaltbereite Antisemiten, wie sie sich zum Beispiel in dem Anschlag auf die Synagoge in Halle gezeigt hätten. Gotteshäuser seien nach wie vor auf Schutz und die jüdische Gemeinschaft auf die Solidarität der Mehrheitsgesellschaft angewiesen. Einschränkungen in der Religionsfreiheit bedrohten zudem jüdisches Leben in Europa.
Schuster verwies in dem Zusammenhang auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum rituellen Schlachten von Tieren. Demnach dürfen EU-Länder eine Betäubung von Tieren auch im Rahmen religiöser Schlachtungen vorschreiben. Das ist beim Schächten nicht vorgesehen. Die Entscheidung hatte scharfe Kritik vonseiten jüdischer Vertreter in Europa nach sich gezogen. Schuster rief dazu auf, gemeinsam das Recht auf freie Religionsausübung zu verteidigen. (KNA / 05.01.2021)