Schuster findet christlich-jüdisches Verhältnis so gut wie nie zuvor

Reichtum durch jüdische Traditionen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland lobt die Aufarbeitung von historischem Antisemitismus durch die großen Kirchen. Josef Schuster mahnt aber das Unwissen über jüdisches Leben in Deutschland und den Holocaust an.

Männer mit Kippa auf einer Bank / © Annik Susemihl (shutterstock)
Männer mit Kippa auf einer Bank / © Annik Susemihl ( shutterstock )

Die früher verbreitete Judenfeindlichkeit der Kirchen sei im 19. Jahrhundert der Nährboden des rassistischen Antisemitismus gewesen, sagte Schuster laut Manuskript am Montagabend beim Online-Jahresempfang 2021 der Evangelischen Akademie Tutzing.

Beide Kirchen hätten dies in ihrem Handeln verinnerlicht. "Es ist diese Haltung der Kirche, die dazu beiträgt, dass heute das christlich-jüdische Verhältnis so gut ist, wie es wohl noch nie in der Geschichte war."

"Christlich-jüdisches Verhältnis so gut wie nie zuvor"

Schuster hielt den Festvortrag "Bedroht, beschützt, beheimatet: Jüdisches Leben heute". Hintergrund ist das aktuelle Festjahr "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Schuster ergänzte: "Die historische Aufarbeitung, die an der Spitze der beiden christlichen Kirchen geleistet wurde, vermisse ich allerdings in der Breite unserer Gesellschaft. Sowohl habe ich manchmal Zweifel, wie viel bei der Basis, in den einzelnen Kirchengemeinden ankommt, als auch sehe ich große Defizite insgesamt in der Gesellschaft."

Unkenntnis über die Schoah

Umfragen zeigten immer wieder große Lücken in Kenntnissen über die Schoah. "Im vergangenen Jahr zum Beispiel konnten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF nur 20 Prozent der Befragten angeben, dass für den Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gewählt wurde.

Fast 70 Prozent sagten, den Anlass für das Datum des Gedenktags nicht zu kennen", so Schuster. Gerade bei jungen Menschen könne man nur noch wenig Wissen voraussetzen.

Bedeutung von Gedenkstättenbesuchen

Um so wichtiger sei die Rolle von Gedenkstätten, so Schuster. Neben dem Schulunterricht biete deren Besuch die beste Möglichkeit, um Kenntnisse zu vermitteln und Empathie mit den Opfern zu schaffen.

"Ich wiederhole daher meine Forderung, in ganz Deutschland KZ-Gedenkstättenbesuche verpflichtend für Schüler weiterführender Schulen zu machen. Ebenso sind sie für Auszubildende der Polizei und der Justiz sehr sinnvoll!"

Religiöse und kulturelle Traditionen unseres Landes - damals und heute

Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte in einem Grußwort, das Festjahr biete Gelegenheit, "sich nicht nur mit Angriffen auf das Judentum auseinanderzusetzen, sondern vor allem positiv seinen großen Beitrag zum Reichtum der religiösen und kulturellen Traditionen in Geschichte und Gegenwart unseres Landes sichtbar zu machen".

Bedford-Strohm erklärte: "Wir wissen in der Breite viel zu wenig über das gelebte Judentum in Deutschland, über so vieles, aus dem wir alle - jenseits religiöser und weltanschaulicher Grenzen - Inspiration bekommen können."


Josef Schuster / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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