Zentralrats-Präsident Schuster: Gedenkkultur muss sich wandeln

Veränderte Erinnerung

Der zeitliche Abstand wächst, die Zeugen werden weniger: Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, will  auf gesellschaftliche Veränderungen eingehen und wirbt für einen Wandel der Gedenkkultur für die Holocaust-Opfer.

Holocaust-Mahnmal in Berlin / © Maurizio Gambarini (dpa)
Holocaust-Mahnmal in Berlin / © Maurizio Gambarini ( dpa )

Die Lebenden seien es den von den Nationalsozialisten Ermordeten schuldig, die Erinnerung an sie zu bewahren, sagte Schuster in der "Rabbiner-Brandt-Vorlesung". Er betonte zugleich, eine moderne Gedenkkultur müsse auf gesellschaftliche Veränderungen eingehen.

"Erinnern ohne Zeugen"

Zu den Veränderungen gehörten das Sterben der Zeitzeugen, der wachsende zeitliche Abstand zum Holocaust, veränderte Konsum- und Mediengewohnheiten, verschiedene Perspektiven in einer Einwanderungsgesellschaft und der politische Rechtsruck in Deutschland. Der Zentralrats-Präsident sprach auf Einladung des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zum Thema "Erinnern ohne Zeugen - über die Zukunft der Gedenkkultur".

Für Jugendliche, die selbst den Mauerfall nur aus Erzählungen kennen, sei der Zweite Weltkrieg gefühlt genauso weit weg wie der Erste, führte Schuster aus. Auch würden junge Menschen, die mit Smartphones aufwachsen, viel stärker von visuellen Eindrücken geleitet und von spärlichen Ruinen einer KZ-Gedenkstätte nicht berührt. Schließlich hätten Schüler aus Einwandererfamilien keinen familiären Bezugspunkt zum Nationalsozialismus und zum Holocaust. Darüber hinaus stellten Vertreter der AfD die Gedenkkultur infrage.

Gedenkstätten und Stolpersteine

Einwandererkinder könnten von Lehrern bei ihren eigenen Erfahrungen als Opfer von Flucht und Verfolgung oder der ihrer Eltern abgeholt werden. Dabei müssten Lehrer aber den jeweiligen Kontext deutlich machen und antisemitischen Vorurteilen entschieden entgegentreten. "Auschwitz als eigene Geschichte zu begreifen - das muss in Deutschland unser Ziel für die nachfolgenden Generationen bleiben", betonte Schuster. Dazu könne auch der Besuch von KZ-Gedenkstätten beitragen, den alle Schüler einmal gemacht haben sollten.

Zur zeitgemäßen Gedenkkultur gehöre auch die Begegnung mit der Geschichte im Alltag. Dazu trügen die "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig, die im Gehweg an vertriebene oder ermordete jüdische Mitbürger erinnern, oder Gedenktafeln an Häusern bei.


Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Horst Ossinger (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Horst Ossinger ( dpa )
Quelle:
epd