Neue Vorwürfe gegen türkische Religionsbehörde

Neue Spionageausmaße?

Die Spionageaffäre um die türkische Religionsbehörde Diyanet weitet sich Medienberichten zufolge aus. Laut Informationen des "Spiegel" wurden aus weiteren europäischen Staaten Informationen nach Ankara geschickt.

Muslime in einer Moschee / © Marcus Brandt (dpa)
Muslime in einer Moschee / © Marcus Brandt ( dpa )

Demnach lieferten Bedienstete aus den türkischen Botschaften oder Generalkonsulaten Berichte über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen Richtung Türkei.

Dem Magazin liegen zusätzlich zu Berichten von Ditib-Imamen aus Deutschland auch Dokumente aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Belgien vor. Danach wurden nicht nur Namen von Personen übermittelt, sondern auch Hinweise auf Schulen, Kitas, Kultur- und Studentenvereine, die angeblich von der Gülen-Bewegung betrieben werden.

Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Staatsfeind

Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Staatsfeind. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht sie für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich. Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bereits über enge Verbindungen der in Österreich ansässigen Türkischen Islamischen Union Atib mit Diyanet berichtet. Diyanet ist direkt dem türkischen Ministerpräsidenten unterstellt und auch für Ditib in Deutschland zuständig. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und sein österreichischer Parteifreund Peter Pilz tauschten sich am Freitag in Berlin über die Situation in den beiden Ländern aus.

In Deutschland hatte der Generalbundesanwalt am Mittwoch die Wohnungen von vier Ditib-Geistlichen durchsuchen lassen. Er verdächtigt sie der "geheimdienstlichen Agententätigkeit".

Integrationsbeauftragte fordert Konsequenzen

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte Konsequenzen. Ditib müsse sich von Ankara abnabeln, verlangte Özoguz im "Spiegel". "Der türkische Staat darf nicht das Vorstandspersonal eines deutschen Islamverbands stellen." Auch die Imame des Ditib-Verbands dürften langfristig nicht mehr aus Ankara nach Deutschland entsandt werden. "Spätestens in zehn Jahren sollten bei Ditib nur noch in Deutschland ausgebildete Imame predigen", sagte Özoguz. Zugleich riet sie, den Dialog mit Ditib nicht abzubrechen. Dafür sei der Islamverband mit seinen rund 900 Moscheen zu wichtig.

Diyanet spricht von Hetzkampagne

Unterdessen wies Diyanet-Präsident Mehmet Görmez die Vorwürfe in scharfen Tönen zurück. In einer von der türkischen Botschaft in Berlin verbreiteten Erklärung sprach er von einer unnützen "Hetzkampagne". Seine Behörde kümmere sich seit über 40 Jahren um das religiöse Leben von Muslimen in Europa. Diyanet fühle sich in seinem Dienst zur politischen Neutralität verpflichtet und habe "stets die juristischen Normen seines Gegenübers" geachtet.

Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, nannte die Kritik der Diyanet und einiger türkischer Minister an den Ermittlungen gegen Ditib eine "Frechheit". Den Verantwortlichen fehle offenbar "jedes Unrechtsbewusstsein".


Quelle:
KNA