Islamverbände fordern Kirchen zur Hilfe bei Anerkennung als Religionsgemeinschaft auf

Solidarität gewünscht

Angesichts immer mehr islamischer Lehrangebote an Schulen und Universitäten drängen die Islamverbände in Deutschland auf die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Die Beiräte, in denen Islamvertreter über Lehrpersonal und -pläne mitentscheiden, dürften nur eine Übergangslösung sein, sagte der Sprecher Koordinierungsrat der Muslime, Bekir Alboga im domradio.de-Interview. Von den Kirchen wünschten sich die Muslime in dieser Frage eine deutlichere Solidarität.

 (DR)

domradio.de: Ihr Ziel ist mit dem Islamunterricht noch nicht erreicht. Sie wollen eine juristische Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Was bedeutet das genau?

Bekir Alboga: Wir sind faktisch eine Religionsgemeinschaft. Wenn wir die Dienstleistungen, die in den Moscheegemeinden angeboten werden, mit den religiösen Diensten in den Kirchen vergleichen,  ist kaum ein Unterschied festzustellen - außer dass die religiösen Dienstleistungen islamisch geprägt und in den Kirchen christlich geprägt sind. Wir fungieren als Ansprechpartner in mehreren Bundesländern und der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland wird auch den Universitäten vom Wissenschaftsrat als Ansprechpartner empfohlen. Wir machen bei der vorübergehenden Lösung, bei der Bildung der Beiräte mit, um die Einführung des islamischen Religionsunterrichts zu fördern, weil das eine sinnvolle Angelegenheit ist. Allein in Nordrhein-Westfalen brauchen 300.000 muslimische Kinder islamischen Unterricht. Es muss nur noch die offizielle Bezeichnung folgen, dass wir auch im juristischen Sinne Religionsgemeinschaft sind.



domradio.de: Was würde sich denn dadurch für Sie ändern?

Alboga: Dann bräuchten wir nicht so viel Zeit bei Gesetzänderungen oder neuen Gesetzen zu verlieren oder zum Beispiel bei der Bildung von Beiräten. Wenn man den christlichen Religionsunterricht anbietet, dann ist die Kirche unmittelbar Ansprechpartner. Man trifft sich verbindlich, stimmt sich über den Inhalt des Curriculums, des Lehrplans ab. Dann hätten wir keinen Beirat mehr nötig, wir bräuchten keine Zwischeninstanz mehr, sondern muslimische Religionsgemeinschaften verhandeln und stimmen sich mit den Landesregierungen direkt ab.



domradio.de: Das berührt das Staatskirchenrecht. Eine Barriere ist nach wie vor die Frage der Ansprechpartner. Ist es nicht so, dass Sie und der Koordinierungsrat der Muslime nur etwa ein Fünftel aller Muslime in Deutschland vertreten?

Alboga: Das ist eine Zahl, über die ich wirklich lache, denn wenn Sie die Anzahl der praktizierenden Muslime in den Moscheegemeinden zum Beispiel mit den praktizierenden christlichen Kirchenbesuchern vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass die muslimischen Gläubigen die Angebote der Moscheegemeinden mehr in Anspruch nehmen als zum Beispiel wenn wir sagen, mehr als 50 Millionen Christen sind eingetragene Mitglieder, zahlen Kirchensteuer, aber nur zehn Millionen nehmen an den Gottesdiensten am Sonntag teil. Bei uns ist es umgekehrt. Vielleicht ist nur der Familienvater als Mitglied registriert, aber dann kommen auch die Ehefrau und wenigstens drei bis vier Kinder in die gleiche Moscheegemeinde. Das heißt, das Modell scheint nicht mehr den aktuellen Entwicklungen entsprechen zu können.



domradio.de: Wie wichtig ist es Ihnen denn, dass künftige Lehrer, die den islamischen Religionsunterricht hier in Deutschland geben, auch in Deutschland ausgebildet wurden?

Alboga: Wir können selbst das schönste Gesetz des Landes schaffen, aber wenn wir nicht gut ausgebildete muslimische Religionslehrer haben, dann können wir den islamischen Religionsunterricht immer noch nicht flächendeckend einführen. Wenn wir mit der Ausbildung von muslimischen Religionslehrern und Theologen schon vor etwa 15 bis 20 Jahren angefangen hätten, dann hätten wir jetzt eine ausreichende Anzahl von Lehrern, mit denen wir auch flächendeckend den islamischen Religionsunterricht anbieten könnten. Es ist so wichtig, dass diese Lehrer an der Universität die islamische Theologie studieren, sonst besteht die Möglichkeit, dass man den Inhalt der Religion nicht sachgemäß vermitteln kann.



domradio.de: Ihnen geht es um eine Gleichstellung mit zum Beispiel der katholischen Kirche. Dafür wünschen Sie sich auch von den Katholiken mehr Unterstützung. Wie soll diese Unterstützung denn aussehen?

Alboga: Wenn sich die Verantwortlichen der beiden Kirchen die Situation vor Augen führen würden, dass Muslime, zum Beispiel die türkisch-islamische Union Ditib, in jedem Bundesland ihre Religionsgemeinschaften ähnlich den Bistümern organisiert haben, dann kann man nicht zu den Verhältnissen von vor zehn Jahren zurück gehen. Es gibt in Deutschland schon Entwicklungen, die in Richtung der Anerkennung getan worden sind und es wäre natürlich eine wohlwollende Aussage, dass gemäß diesen Entwicklungen auch die Muslime die Anerkennung als Religionsgemeinschaft verdienen.



domradio.de: Sie wünschen sich also deutlichere Worte?

Alboga: Deutlichere Solidarität. So wie die Kirchen uns bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts seit Jahren wohlwollend unterstützen.



Das Interview führte Stephanie Gebert, domradio.de