Kirchenbeauftragter kritisiert Gesetz für Islam-Unterricht

"Eher Krücke als Brücke"

Die katholische Kirche übt scharfe Kritik am neuen Gesetz zur Einführung des islamischen Religionsunterrichtes in NRW. Zwar begrüße die Kirche grundsätzlich den Unterricht für rund 320.000 muslimische Schüler, sagte der Landeskirchenbeauftragte, Prälat Martin Hülskamp. Er sieht die in Deutschland bewährte Zusammenarbeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften mit dem Staat aber infrage gestellt.

 (DR)

KNA: Herr Prälat Hülskamp, mit breiter Mehrheit hat der nordrhein-westfälische Landtag die Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichtes ab kommenden Schuljahr beschlossen. Wie steht die katholische Kirche dazu?

Hülskamp: Grundsätzlich begrüßen wir es als Kirche, dass es auch für die rund 320.000 muslimischen Schüler in Nordrhein-Westfalen einen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache geben soll. Denn da ist erstens das Recht auf Gleichbehandlung. Zweitens wird damit die Integration muslimischer Schüler gestärkt. Schließlich trägt der Unterricht dazu bei, muslimisches Leben aus den Hinterhöfen und dem Schattendasein zu holen.



KNA: Trotzdem hat die Kirche Einwände...

Hülskamp: In Deutschland haben wir beim Religionsunterricht eine erprobte Form der Zusammenarbeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften mit dem Staat, die durch das Grundgesetz, Konkordate und Schulgesetze abgesichert ist. Sie beruht auf zwei Säulen: Der Staat schafft die strukturellen Voraussetzungen für die Durchführung des Religionsunterrichtes, indem er den Schulbetrieb garantiert. Und die Kirchen sorgen in ihrer Souveränität für die Inhalte des Religionsunterrichts ohne Beeinflussung durch den Staat. Beim islamischen Religionsunterricht wird dieses Prinzip missachtet.



KNA: Inwiefern?

Hülskamp: Da die muslimischen Verbände keine Mitgliederlisten führen und deswegen nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt werden können, soll ein Beirat aus acht Personen die Lehrinhalte festlegen. Mindestens ein Viertel des Beirats wird durch die Landesregierung bestellt. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann nennt dies eine Brücke. Es ist aber keine wirkliche Brücke, sondern eher eine Krücke.



  KNA: Kann die Kirche den Kompromiss nicht mittragen?

Hülskamp: Wir sind sehr dafür, dass konkrete Schritte unternommen werden. Wir hätten es aber bevorzugt, wenn deutlicher geworden wäre, dass es wirklich nur ein erster Schritt ist, dem weitere zu folgen hätten.



KNA: Das Provisorium an sich aber akzeptiert die Kirche?

Hülskamp: Uns wäre es lieber, wenn in Deutschland ansässige religiöse Autoritäten entsprechend der Verfassung für die Inhalte des Religionsunterrichtes stehen. Die sind bei den Muslimen in organisierter Form und mit der Gewähr auf dauernden Bestand in wirklich repräsentativer Form nicht in Sicht.



KNA: Wäre es der Kirche lieber gewesen, alles beim Alten zu belassen?

Hülskamp: Die Kirche ist nicht der primäre Entscheidungsträger, sondern das Parlament. Wir nehmen diesen Kompromiss zur Kenntnis und werden ihn weithin im Interesse der Menschen konstruktiv und kritisch begleiten. Uns wäre es also lieber gewesen, dieses vorübergehende Provisorium auch als solches zu benennen und es nicht begrifflich mit dem gleichzustellen, was es nicht ist: nämlich konfessionell mitverantworteter bekenntnisorientierter Religionsunterricht im Sinn von Artikel 7 des Grundgesetzes.



KNA: Welchen Handlungsbedarf sehen Sie auf muslimischer Seite?

Hülskamp: Die muslimischen Gemeinschaften steht ein großer Kraftakt bevor. Der Koordinationsrat und die darin zusammengeschlossenen islamischen Verbände repräsentieren weniger als 50 Prozent der Muslime. Mindestens die Hälfte der Muslime werden also durch den Beirat gar nicht vertreten. Angesichts des weit gefächerten Spektrums im Islam bedarf es also noch einer großen innerislamischen "Ökumene", um überhaupt Einigkeit darüber herzustellen, wie man organisatorisch zusammenarbeitet und Unterrichtsinhalte formuliert.



Das Interview führte Andreas Otto (KNA)