Warum die Woche der Brüderlichkeit noch immer notwendig ist

"Für Juden ist es nicht immer einfach"

Mit einer Festveranstaltung in Berlin eröffnen am Sonntag Vertreter aus Politik und Religion die 65. Woche der Brüderlichkeit. Ihr Ziel ist es die den jüdisch-christliche Dialog zu stärken, so die Organisatorin Margaretha Hackermaier.

Kippa und Kreuz / © Joern Neumann (epd)
Kippa und Kreuz / © Joern Neumann ( epd )

domradio.de: Was sind die Ziele Ihres Verbandes?

Margaretha Hackermeier (katholische Präsidentin des Koordinierungsrates für die christlich-jüdische Zusammenarbeit): Unser Verband tritt sehr entschieden gegen Antisemitismus, Antijudaismus und Rechtsradikalismus auf. Wir sind der Dachverband für 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und geben Impulse an die Gesellschaften, wie diese in der Basis diese Grundsätze und die Arbeit gegen Antijudaismus umsetzen können. 

domradio.de: Die Grünen schlugen kürzlich Alarm, es gebe immer mehr Gewalt gegen Juden in Deutschland und wenig Präventionsarbeit. Wie bewerten Sie das gesellschaftliche Klima aktuell? 

Hackermeier: Die Präventionsarbeit besteht in unserer Gesellschaft schon über 60 Jahre, seit es den deutschen Koordinierungsrat gibt. Es ist zu beobachten, dass seit Sommer 2014 in sehr offener Weise Antisemitismus auf Demonstrationen lautstark verkündet wird. Auch in Berlin bekomme ich mit, dass es für Juden nicht immer einfach ist, sich in einigen Stadtteilen offen zu bewegen - zumindest erkennbar mit einer Kippa. Aber die Präventionsarbeit und viele Aktionen, die derzeit anlaufen, versuchen dagegen zu halten.

domradio.de: Wie versuchen Sie das?

Hackermeier: Unserer Meinung nach wird in unserer Gesellschaft sehr viel Erwachsenenbildung und Präventionsarbeit damit aufgeklärt, wie Juden sind und wie die Kirchen zu ihnen stehen. Dieser Antijudaismus der vor dem zweiten Vatikanum offiziell gegolten hat, hat sich deutlich verändert. Die Juden gelten als unsere jüngeren Brüder, als eine grundsätzlich theologische Richtung, auf die wir aufbauen. 

domradio.de: Die "Woche der Brüderlichkeit" will dem ab heute entgegenwirken und rückt das friedliche Zusammenleben in den Fokus. Worum dreht sich das Programm in den nächsten Tagen?

Hackermeier: Unser Thema in diesem Jahr heißt: "Nun geh' hin und lerne." Es kommt von dem Rabbi Hillel, der einige Jahrzehnte vor Jesus lebte. Dazu gibt es eine interessante Geschichte, warum wir auf diesen Ausspruch gekommen sind: Es gab einen Nicht-Juden, der zu Rabbi Hillel gesagt hat: "Wenn du mir die Lehre des Judentums vermitteln kannst, so lange ich auf einem Bein stehe, werde ich ins Judentum eintreten." Darauf hat Rabbi Hillel geantwortet: "Was dir lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht." Das ist die ganze Thora, alles andere ist nur die Erläuterung: "Und nun geh' hin und lerne."

domradio.de: Was kann man daraus ziehen?

Hackermeier: Daraus haben wir das Thema entnommen. Dieser Satz sagt deutlich, dass auch die Nächstenliebe nicht aus dem neuen Testament entstanden ist, sondern eine sehr lange Tradition hat.

Das zweite ist, dass das Lernen genau das ist, was der jüdisch-christliche Dialog bedeutet. Nämlich, dass man aufeinander hört, voneinander lernt und das andere interessiert beäugt und aufeinander zugeht.

Hier ist die evangelische Kirche in diesem Jahr sehr außerordentlich aufgefallen, weil sie sich sehr deutlich gegen die judenfeindlichen Äußerungen Luthers positioniert hat und in diesem Jahr nochmal deutlich insbesondere bei der Absage an die Judenmission, die in den christlichen Kirchen ein Aspekt ist, der mit viel Aufwand überwunden werden muss. 

domradio.de: Einer der Höhepunkte ist die Verleihung der "Buber-Rosenzweig-Medaille" an Personen oder Gruppen, die sich für Verständigung und Dialog einsetzen. Dieses Jahr geht die Medaille an die "Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden". Warum?

Hackermeier: Das sind unterschiedliche Arbeits-und Aktionsgruppen, die schon fast 40 Jahre bestehen.  Sie gehen immer wieder auf Missverhältnisse oder auf theologische Gegensätze oder auf feindliche Aspekte zwischen Christen und Juden ein. Sie setzten sich sehr dafür ein, dass insbesondere christlicher Antijudaismus  theologisch aufgearbeitet wird. Da hat diese Konferenz sehr oft neue Positionen zum Verhältnis zwischen Theologie und Kirche und Kirche zum Judentum angestoßen und hat sehr aktiv an der Erarbeitung von entsprechenden kirchlichen Erklärungen mitgearbeitet. Diese Auszeichnung hat sie sich sehr verdient.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR