Tag der Ökumene bei Heilig-Rock-Wallfahrt

Sichtbare Gemeinschaft

Als einen besonderen Höhepunkt der Heilig-Rock-Wallfahrt beschreibt der Trierer Bischof Stephan Ackermann den Tag der Ökumene. Rund 2000 Christen nahmen an dem Pilgerzug durch Trier teil. "Ökumenische Elementarerfahrungen machen wir, wenn wir uns gegenseitig mit offenen Armen begegnen, gerade auch in dem, was uns fremd und neu ist", betont der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad.

 (DR)

"Diese Einladung konnten wir annehmen", sagt die Düsseldorfer Oberkirchenrätin Barbara Rudolph. "Wir verehren Jesus Christus, das ist es, was uns eint", betont der Leiter der Heilig-Rock-Wallfahrt, Monsignore Georg Bätzing. Viel ist am "Tag der Ökumene" am Samstag in Trier von Gemeinsamkeiten die Rede. Protestanten, Anglikaner, Kopten und weitere christliche Konfessionen sind der Einladung des Trierer Bischofs Stephan Ackermann zur Heilig-Rock-Wallfahrt gefolgt, doch als Pilger möchten sich viele nicht bezeichnen.



Auch Jörg Zisterer nicht. Soeben ist er am Heilig-Rock-Schrein vorbei gegangen, nun hat er sich in die Prozession eingereiht, die vom Dom durch Teile der Trierer Innenstadt führt. Nein, sagt der Protestant, mit Reliquien könne er nichts anfangen, und genau genommen nehme er auch nicht an der Wallfahrt teil. Aber der "Tag der Ökumene" habe ihn dann doch gereizt, und außerdem wolle er sich selbst ein Urteil von der Veranstaltung bilden. "Erst dann kann ich beurteilen, was hier stattfindet", sagt der 47-Jährige.



Symbolträchtige Prozession durch die Innenstadt

Seit drei Wochen kommen Zehntausende Menschen nach Trier zum Heiligen Rock. Auch am Samstag reißt der Strom der Pilger nicht ab. Vor dem Dom bilden sich lange Warteschlangen. Doch die Prozession, die sich am Mittag auf den Weg macht, fällt auf. Mehrere katholische Bischöfe wie der Speyrer Oberhirte Karl-Heinz Wiesemann, aber auch der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und der Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Augoustinos, gehen gemeinsam durch die Straßen. Hunderte Menschen schließen sich an.



Besonders zahlreich sind die Vertreter evangelischer Kirchen. Dass sich Protestanten an einem Ereignis wie der Heilig-Rock-Wallfahrt beteiligen, wäre vor wenigen Jahrzehnten kaum denkbar gewesen - und ist es für manche bis heute. Schon 1996, als die "Tunika Christi" zum letzten Mal gezeigt wurde, lud der damalige Trierer Bischof Hermann-Josef Spital erstmals Vertreter der Evangelischen Kirche ein. Daran erinnert auch Oberkirchenrätin Rudolph. Sie hat in den vergangenen Wochen und Monaten viel Post von Protestanten bekommen, die kein Verständnis dafür haben, dass ihre Kirche die Einladung nach Trier angenommen hat.



Rudolph: Niemand muss sich verbiegen

Sie habe absolut Verständnis für die kritischen Nachfragen, sagt Rudolph. Schließlich seien auch ihr einige Phänomene der Wallfahrt "völlig fremd". Doch Rudolph sagt auch: "Diese Einladung konnten wir annehmen, weil wir so bleiben können, wie wir sind". Niemand müsse sich verbiegen. Zudem habe man in den vergangenen beiden Jahren eng mit den Verantwortlichen des Bistums Trier zusammengearbeitet, und es sei ein verlässliches Fundament entstanden. Dennoch blieben Unterschiede, und das sei auch gut so. "Versöhnt verschieden" laute ihr Credo, sagt Rudolph.



Auf die unterschiedlichen Vorstellungen geht auch der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, beim ökumenischen Gottesdienst am Abend ein. So dürften konfessionsverschiedene Paare "nicht länger die Stiefkinder der Ökumene" sein, fordert er. Die fehlende Abendmahlsgemeinschaft schmerze. Der gemeinsame Gottesdienst mache jedoch "Mut, dass wir geduldig und beharrlich unterwegs bleiben".



Gemeinsam an der Seite der Schwachen

Ökumene sei freilich kein Selbstzweck, mahnte der Kirchenpräsident. Christen seien gemeinsam an der Seite der Schwachen und Hilflosen: "Kirche widerspricht, wo Menschen unter die Räder kommen". Vor dem Hintergrund kritischer Stimmen zur Teilnahme von Protestanten an der katholischen Wallfahrt betonte der evangelische Theologe: "Wir sind nicht zu einem Kleidungsstück gepilgert, sondern zu Christus selbst gekommen. Die Vielfalt der Kirchen beschrieb er als Reichtum. Unterschiedliche Profile und Traditionen schlössen sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzten einander.



"Ihr Erscheinen zeigt, dass unsere Einladung angenommen ist", hatte Wallfahrtsleiter Georg Bätzing zur Begrüßung der Wallfahrer gesagt. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hatte zur diesjährigen Heilig-Rock-Wallfahrt ausdrücklich auch Protestanten und Orthodoxe eingeladen. Als Zeichen besonderer Rücksichtnahme hatte er darauf verzichtet, in Rom einen speziellen Ablass für die Wallfahrt zu beantragen.



Der Tag der Ökumene sei der Höhepunkt allen Bemühens, "dieser Wallfahrt ein ökumenisches Gesicht zu geben", sagte Bätzing.  "Mit dem Impuls des Heiligen Rocks im Rücken wollen wir den Weg zu unseren Ursprüngen gehen", sagte Bätzing. "Zur Taufe, die alle Christen verbindet."





Zweiter Tag der Ökumene in der Wallfahrtsgeschichte

In der 500 Jahre alten Wallfahrtsgeschichte nahmen zum zweiten Mal nach 1996 Nichtkatholiken am offiziellen Programm teil. Während der 31 Tage der Wallfahrt rechnet das Bistum mit insgesamt einer halben Million Besuchern. Der Überlieferung zufolge soll die Reliquie von Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, im vierten Jahrhundert nach Trier gebracht worden sein.