Bischof Ackermann über die Diskussionen um die ökumenische Ausrichtung der Heilig-Rock-Wallfahrt

Kein Jubiläums-Ablass

Einen starken ökumenischen Akzent will das Bistum Trier mit seiner Heilig-Rock-Wallfahrt verbinden. Drei Monate vor Beginn lud nun das Bistum zu einem ökumenischen "Gipfeltreffen". Im domradio.de-Interview spricht der Trierer Bischof Stephan Ackermann über die "schöne Qualität des Gemeinsamen" und das Problem eines Ablasses.

 (DR)

domradio.de: Der Papstbesuch im vergangenen Jahr hat bei einigen für Ernüchterung gesorgt, manch einer sieht die Heilig-Rock-Wallfahrt immer noch mit Skepsis - ist das eine schwierige Ausgangssituation für solch ein ökumenisches Forum?

Bischof Ackermann: Ich würde sagen, das ist eine nüchterne Ausgangssituation der Ökumene, wie sie sich heute darstellt. Immer wieder ist auch in diesen Tagen des Forums das Wort gefallen von einer neuen Ehrlichkeit. Und das ist, glaube ich, das einzige, was hilft. Verbunden natürlich mit einer Sympathie für einander und Interesse aneinander. Insofern, meine ich, ist das ein guter Ausgangspunkt für die Wallfahrt und auch für die Erfahrung, die wir eben vor 15 Jahren schon machen durften bei der letzten Heilig-Rock-Wallfahrt, dass auch die evangelischen Brüder und Schwestern gespürt haben, dass geht und man wird nicht zu etwas genötigt, was man nicht tun will.



domradio.de: Jetzt hat sich in Sachen Ökumene ja einiges geändert. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Huber hat von einer "Ökumene der Profile" gesprochen, sein Nachfolger Nikolaus Schneider und auch Sie plädieren da eher für eine "Ökumene der Gaben". Worin liegt da genau der Unterschied?

Bischof Ackermann: Ich glaube, der Perspektivwechsel liegt einfach darin, dass man mehr schaut, wie werde ich vom jeweils anderen bereichert. Profil - das brauchen wir selbstverständlich auch. Und ich glaube, in der gesellschaftlichen Situation, in der wir stehen, stehen auch die Kirchen unter einem gewissen Druck, sich zu profilieren. Wenn man fragt: Wofür brauchen wir die Kirchen überhaupt? Wofür braucht man katholische Kirche? Sagt mir, was ist katholisch, wofür steht Ihr? Dann ruft uns das natürlich auch auf, Profil zu zeigen. Und das geht der evangelischen Kirche sicher nicht anders, aber für den Dialog zwischen den Kirchen ist es natürlich schöner, auch zu sehen, wo hat die jeweilige Kirche eine Gabe, die besonders mit ihr verbunden ist, an die man aber auch anknüpfen kann. Das ist eigentlich unser Versuch hier bei der Wallfahrt. Eine Reliquie ist ja ein nun wirklich sperriges Teil für evangelische Christinnen und Christen, aber gerade das bringt uns in die Auseinandersetzung und ins Gespräch.



domradio.de: Wenn wir uns die Heilig-Rock-Wallfahrt und die Reliquie ansehen - Präses Schneider wirbt für eine Teilnahme auch protestantischer Christen -, dann sehen wir auch ein Problem: Vereinzelt gibt es immer noch diese Skepsis: "Nichts ist heilig an dem Rock zu Trier". Wie kann man das denn auf dieser Grundlage trotzdem gemeinsam ökumenisch feiern?

Bischof Ackermann: Ja, "Nichts ist heilig am Heiligen Rock" - das ist natürlich plakativ gesagt. Da würde ich natürlich entgegnen: Der Rock ist ja nun wirklich ein Gegenstand der Verehrung und das schon länger als 500 Jahre, auch wenn wir jetzt dieses Jubiläum seit der ersten Zeigung begehen, aber wir wissen ja, dass man diese Reliquie 1196 in den damals neuen Hochaltar im Ostchor eingeschlossen hat. Insofern kann man sicher davon ausgehen, dass es Spuren gibt, die zurückführen zu Jesus Christus und ins Heilige Land. Also: Heilig heißt, das ist eine Reliquie, ein Schatz, der uns vom Heiligen Gott spricht, von Jesus Christus. Und insofern würde ich sagen, dürfen wir den Heiligen Rock wirklich als heilig bezeichnen und eben auch in Verbindung mit all den Menschen, die sich haben bestärken lassen, die zu Jesus Christus gefunden haben durch die Jahrhunderte über diese Reliquie. Aber natürlich ist der Heilige Rock nicht heilig im Sinne eines magischen Gegenstandes.



domradio.de: Wenn eine große Wallfahrt katholischerseits stattfindet, dann ist es ja üblich, dass in Rom ein Ablass erbeten wird. Eine Praxis, die heißt es, auch unter katholischen Gläubigen zunehmend unverstanden ist. Und Sie haben nun auf die Bitte um einen besonderen Ablass in Rom für die Heilig-Rock-Wallfahrt verzichtet. Auch um "die ökumenischen Beziehungen nicht zu konterkarieren".  Das hat ein bisschen für Wirbel auf katholischer Seite gesorgt. Müsste man vielleicht den Ablass theologisch neu erklären?

Bischof Ackermann: Ja, da braucht es sicher noch viel mehr Klärung. Beim Ablass geht es ja von der Entstehung her um die Unheilsgeschichte, die in Gang gesetzt wird dadurch, dass jemand sündigt, dass jemand Unrecht tut, dass andere Menschen verletzt werden. Auch wenn mir meine böse Tat in der Beichte vergeben wird, so ist aber eine Unheilsgeschichte in Gang gesetzt, die damit nicht - wie z.B. im Falle einer Verletzung anderer Menschen - einfach weg ist. Die Sünde wird dem Sünder vergeben, doch auch diese weitere Dimension der Wirkungsgeschichte von Sünde muss in den Blick genommen werden, um zu sehen, was es an gemeinschaftlicher Hilfe geben kann, um auch die Folgen der Sünde, des Unheils zu mindern - dafür steht ja von seinem geistlichen und theologischen Sinn her der Ablass. Aber das müsste man auch einfach noch einmal neu erklären. Vielleicht ist die Wallfahrt ja auch ein Anlass, darauf nochmals hinzuweisen. Nun ist es ja auch möglich, wenn Pilgerinnen und Pilger kommen, einen Ablass hier in Trier zu gewinnen - wenn man das so in klassischer Terminologie sagen will. Das ist durchaus möglich. Das sieht die Kirche ja auch vor. Nur ich habe in der Tat darauf verzichtet, jetzt nochmals eigens eine Art von Jubiläums-Ablass zu beantragen, weil dadurch natürlich das ökumenische Miteinander wirklich schwierig geworden wäre.



domradio.de: Sie weben bei Ihrer Tagung in Trier, beim ökumenischen Forum ja auch gemeinsam an ganz praktischer Ökumene: Sie haben da einen Webstuhl stehen - wie funktioniert das?

Bischof Ackermann: Das Schöne ist, dass der Heilige Rock - auch wenn das natürlich zunächst einmal sehr antiquiert klingt, allein schon der Ausdruck Heiliger Rock, wir sprechen vom Gewand Jesu Christi -, aber dass diese ganze Symbolik des Gewandes, des Gewebes, eines Textils ganz viele Assoziationen hervorruft. Und wir dürfen wirklich erleben, dass viele Menschen da anknüpfen können, und es soll also auch verschiedene Tücher geben, Menschen dürfen mit ihren Fäden kommen, auch individuell verschiedene Fäden mitbringen, die symbolisch für die Lebensfäden stehen sollen. Hier ist also der Webstuhl schon aufgebaut und ich konnte mit anderen zusammen auch schon mehrere Fäden dort hineinweben. Und dieses sinnfällige Tun hat auch eine schöne Qualität des Gemeinsamen, und insofern wird der Webstuhl auch dann die ganze Wallfahrtszeit über vor dem Dom stehen und Menschen können an diesem Gewebe des Glaubens mitweben.



Das Interview führte Uta Vorbrodt



Hintergrund

Einen starken ökumenischen Akzent will das Bistum Trier mit seiner Heilig-Rock-Wallfahrt vom 13. April bis 13. Mai unter dem programmatischen Motto "und führe zusammen, was getrennt ist" verbinden. Die Wallfahrt setzt bewusst auf die Symbolkraft des ungeteilten Gewands, das seit Jahrhunderten im Trierer Dom aufbewahrt wird - ungeachtet der Frage nach der "Echtheit" der Reliquie. Drei Monate vor Beginn lud das Bistum zu einem ökumenischen "Gipfeltreffen", um bis zum Freitag die Symbolik der "Tunika Christi" für die Einheit der Christen auszuloten.



Für den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, hat der Heilige Rock dabei durchaus ein "Janusgesicht": Die "erbärmliche Tragik" der christlichen Geschichte sehe er darin, dass ausgerechnet die Christen selbst getan hätten, was in der Passionsgeschichte Jesu die römischen Soldaten nicht gewagt hätten - nämlich diese Einheit zu zerschneiden. Das "Ärgernis des Gespaltenseins" müsse, so der vatikanische "Ökumeneminister", viel stärker als solches empfunden werden und "Schmerz auslösen", damit die Ökumene wieder neue Impulse erhalte. Nach seiner Überzeugung reicht es dabei nicht, die "Fetzen und Stücke" gleichsam wieder zusammenzunähen. Eine "sichtbare Einheit" der Kirchen" müsse mehr sein als eine schlichte "Addition aller vorhandenen Kirchen".



Wie aber soll sie aussehen und kann sie erreicht werden? Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf, Olav Fykse Tveit, äußerte sich lobend über die "Tiefe und Energie" der ökumenischen Diskussion in Deutschland als Beitrag zur weltweiten Diskussion über die Einheit der Christen. Angesichts der weltweiten Spaltungen in Ost und West sowie Nord und Süd ist es für ihn aber vorerst wichtiger, dass die Christen zu zentralen Fragen der Gerechtigkeit und des Friedens mit einer Stimme sprächen.



Der rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte zu Koch, die von protestantischer Seite erwartete Anerkennung des Kircheseins der Kirchen der Reformation sei keineswegs das "Endziel" der Ökumene. Es gehe dabei vielmehr um ein Zeichen des Respekts, das einen Dialog auf Augenhöhe ermögliche. Generell müsse nicht immer zuerst alles bis zum Ende ausgearbeitet sein, bevor man mit dem Handeln beginnen könne. Schneider erinnerte auch daran, dass die Lehrentwicklungen der Kirche "immer nachgängig" gewesen seien. Insofern sei es auch für die Ökumene wichtig, was an der Basis gelebt werde "im Sinne eines Rezeptionsprozesses" ökumenischer Dokumente, ohne dass dies offiziell anerkannt werde.



Die evangelisch-methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner bedauerte, dass sich die Kirchen schwer damit täten, schon heute alles miteinander zu tun, was der Stand der theologischen und kirchenrechtlichen Annäherungen erlaube. Unter dem Druck der abnehmenden Akzeptanz der Kirchen in der Öffentlichkeit meinten sie, sich auf das Eigene besinnen und ihr jeweiliges Profil schärfen zu sollen, auch in Abgrenzung gegen die anderen Kirchen. Dabei hätten sie in der "Charta Oecumenica" bereits 2001 feierlich ihre Bereitschaft erklärt, dies "auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens" anders zu praktizieren.



Koch machte deutlich, dass aus seiner Sicht die "ökumenische Klärung des Kirchen- und Einheitsverständnisses" der Haupttagesordnungspunkt für die nächste Zeit sein müsse. Dies könne in eine "Gemeinsame Erklärung" über Kirche, Eucharistie und Amt münden, analog zu derjenigen über die Rechtfertigungslehre von 1999. Eine Beschränkung auf das Thema Eucharistie/Abendmahl, wie von manchen vorgeschlagen, hält der Schweizer Kurienkardinal nicht für zielführend, weil damit der "eigentlich strittige Punkt" des Amtsverständnisses ausgeblendet würde.