Eine vorläufige Bilanz des Heiligen Jahres aus Vatikan-Sicht

Zwölf Monate Barmherzigkeit

Das Heilige Jahr geht langsam zu Ende. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Der Cheforganisator des Heiligen Jahres, Kurienerzbischof Rino Fisichella, spricht mit Blick auf die Botschaft, die von diesem besonderen Jahr ausgehen sollte, von einem Erfolg.

Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte / © Ettore Ferrari (dpa)
Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte / © Ettore Ferrari ( dpa )

Ein Mammutprojekt von Papst Franziskus geht seinem Finale entgegen: das Heilige Jahr. Am 20. November schließt der Papst in einer feierlichen Zeremonie die Heilige Pforte des Petersdoms und beendet damit für die katholische Kirche zwölf Monate, die ganz im Zeichen der Barmherzigkeit stehen sollten. Die vorläufigen Bilanzen fallen unterdessen unterschiedlich aus. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" nannte das Heilige Jahr jüngst einen "Flop", der Vatikan widersprach vehement.

Nur Zahlen zählen nicht

Der Cheforganisator des Heiligen Jahres, Kurienerzbischof Rino Fisichella, will hingegen nichts von einem "Flop" wissen. Derartige Medienberichte seien "Fantastereien". Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung verwies auf die Zählung der offiziellen Internetseite des Heiligen Jahrs. Demnach durchschritten bislang 20 Millionen Pilger die Heilige Pforte in Rom. Die Zahl sagt allerdings wenig aus - sie umfasst alle Durchquerungen der Heilige Pforte des Petersdoms und der drei großen Päpstlichen Basiliken sowie eines Marienheiligtums; wer alle fünf Kirchen besucht, erscheint fünfmal in der Statistik. Auch Fisichella ist offenbar nicht ganz zufrieden. Er forderte eine Analyse "möglicher Hindernisse, die einen vollen Erfolg verhindert haben könnten".

Papst Franziskus allerdings hat von vorneherein deutlich gemacht, dass es ihm gar nicht darum geht, möglichst viele Pilger nach Rom zu locken. Nach seinem Willen sollte das Heilige Jahr ebenso in den Ortskirchen begangen werden, wo in den jeweiligen Bischofskirchen ebenfalls Heilige Pforten eingerichtet wurden.

Diese weltweite Mobilisierung der Gläubigen in den Ortskirchen lässt sich kaum beziffern. Sie dürfte aber weit jenseits aller römischen Pilgerrekorde liegen. Franziskus hat das Heilige Jahr damit von einer romzentrierten zu einer weltkirchlichen Veranstaltung gemacht.

Barmherzigkeit wieder präsent

Franziskus selbst bot das Heilige Jahr ein Forum, um das Kernanliegen seines Pontifikats in der katholischen Kirche fester zu verankern: die Barmherzigkeit. Kaum eine Predigt des Papstes, in der das Wort fehlte. Die Barmherzigkeit sei in den vergangenen zwölf Monaten zurückgekehrt und "wieder das pulsierende Herz des Lebens der Kirche geworden", resümierte Fisichella. Das Heilige Jahr sollte auch Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgreifen, das vor 50 Jahren endete; dieses spielte jedoch so gut wie keine Rolle.

Franziskus nutzte das Heilige Jahr aber auch dazu, sich weitere Freiräume jenseits des Protokolls zu schaffen. Das zeigte sich vor allem in seinen monatlichen Ausflügen, die unter dem Motto "Freitage der Barmherzigkeit" standen. Mal besuchte er Wachkoma-Patienten, mal eine Neugeborenen-Stationen, mal ein SOS-Kinderdorf. Stets kam er ohne offizielle Ankündigung mit wenigen Begleitern und konnte das sein, was er am liebsten ist: Seelsorger.

Menschen sind zusammengekommen

Im Laufe des Heiligen Jahres kam die katholische Kirche in ihrer ganzen Vielfalt nach Rom: Priester, Diakone, Freiwillige und Sozialarbeiter, Familien, marianische Bruderschaften und andere. Diese Gruppen hatte auch Johannes Paul II. (1978-2005) im Jahr 2000 empfangen. Neu ist unter Franziskus, dass auch Obdachlose und Strafgefangene mit dem Papst das Heilige Jahr begehen. Dass gerade diese beiden Personengruppen den Abschluss der Wallfahrten markieren, ist bezeichnend.


Papst bei Eröffnung des Heiligen Jahres / © Guiseppe Cacace (KNA)
Papst bei Eröffnung des Heiligen Jahres / © Guiseppe Cacace ( KNA )
Quelle:
KNA