Gastkommentar zur Seligsprechung Carlo Acutis'

Traditionelles Christentum modern gelebt

Sollte ein 15-jähriger Seliger im Glassarg aufgebahrt werden? Der Pastoraltheologe Wolfgang Beck sieht das im DOMRADIO.DE-Interview kritisch. Die Reaktion eines Franziskaners aus Assisi, der bei der Feier aktiv beteiligt war.

Jugendlicher "Cyber-Apostel" Carlo Acutis seliggesprochen / © Gregorio Borgia/AP (dpa)
Jugendlicher "Cyber-Apostel" Carlo Acutis seliggesprochen / © Gregorio Borgia/AP ( dpa )

Es war vorhersehbar, dass die Seligsprechung von Carlo Acutis lebhafte Reaktionen hervorrufen wird, von begeisterter Zustimmung bis hin zu skeptischer Ablehnung. Konzentriert haben sich die Wortmeldungen vor allem im Internet auf die Ausstellung des Leichnams des Jungen – nicht wie viele Pilger dachten in der Basilika San Francesco, sondern in der Kirche Santa Maria Maggiore, dem Heiligtum, das besonders an die spektakuläre Entkleidung des heiligen Franziskus vor dem Bischof und damit an seine bewusste Entscheidung zu einem Leben nach dem Evangelium erinnert. Carlo hatte Franz von Assisi sehr verehrt, es war sein Wunsch, in der Stadt des Heiligen bestattet zu werden.

Zum Umgang mit dem Leichnam

Wir Franziskaner-Minoriten durften die Basilika San Francesco für die Seligsprechungsfeier bereitstellen, alles andere wurde von Seiten der Diözese Assisi und der römischen Heiligsprechungskongregation in Abstimmung und mit dem Einverständnis der Familie des neuen Seligen geplant und entschieden. Dazu gehörte auch der Umgang mit dem Leichnam Carlos, der, entgegen der im Internet kursierenden Behauptungen, nicht unverwest erhalten war, wie eine Stellungnahme des Bischofs klärte. Der Körper wurde nach den heutigen Möglichkeiten der Thanatologie behandelt und Gesicht und Hände wiederhergestellt; dabei hat man auch das erhaltene Herz entnommen und in einem eigens hergestellten Reliquiar verwahrt - allerdings diskret und kaum sichtbar. Das mag nun der südländischen Mentalität geschuldet sein, die gerne etwas konkret Sichtbares vor Augen hat. Ich selbst habe oft schon in die enttäuschten Gesichter süditalienischer Pilger geschaut, als ich ihnen erklären musste, dass man von den im Steinsarkophag eingeschlossenen sterblichen Überresten des heiligen Franziskus leider nichts zu sehen bekommt.

Bemerkenswert war für mich aber, dass sich auch hierzulande kritische Stimmen mehren, die von einem solchen Umgang mit Verstorbenen Abstand nehmen. Dazu bleibt anzumerken, dass ab dem 17. Oktober der Leichnam wieder im verschlossenen Steinsarg verbleiben wird.

Etwas befremdet hat mich persönlich auch, dass bei der liturgischen Feier der Seligsprechung die junge Generation in keiner Weise eingebunden war. Man lobte den Vorbildcharakter des Seligen für “die Jugend”, ohne sich direkt an sie zu wenden und in die Feier einzubeziehen, sichtbar war vor allem der Kardinal und eine große Zahl von Bischöfen, das Bild einer Kirche der älteren Generation - eine verpasste Chance, denn gerade solche Bilder prägen sich ein.

Vereinnahmung des Seligen?

Zwei Aspekte scheinen mir zur Person von Carlo Acutis erwähnenswert. Der Befürchtung der Vereinnahmung durch bestimmte kirchliche Kreise könnte man gegenüberstellen, dass er andererseits ein Beispiel dafür sein kann, wie traditionelles katholisches Christentum in moderner Weise gelebt werden und verkündet kann, von denen, die sich damit identifizieren können. Denn so ungewöhnlich auch im noch katholisch geprägten Italien seine Religiosität war, er selbst war keinesfalls ein Sonderling, kein Stubenhocker und Computernerd, sondern integriert und beliebt auch unter andersdenkenden Freunden.

Ferner trägt zur Glaubwürdigkeit seines Lebenszeugnisses sein karitatives Engagement bei. Die überraschten Eltern staunten nicht schlecht, als 2006 beim Requiem in Mailand die Pfarrkirche prall gefüllt war, besonders mit Obdachlosen und Bedürftigen, denen Carlo diskret, auch ohne Wissen seiner Familie, Geld und Sachspenden zukommen ließ. Die von Papst Franziskus so leidenschaftlich propagierte Kirche, die auf die Armen zugeht und von ihnen lernt, hat er mit großem persönlichen Einsatz verwirklicht.

Der Kirche ist in Carlo Acutis eine sympathische Beispielgestalt für ein vom Glauben begeistertes Christenleben geschenkt worden, wie dieses Lebenszeugnis vermittelt wird, bleibt eine Herausforderung, besonders für die in der Kirche Verantwortlichen.

Bruder Thomas Freidel aus Assisi

Zum Autor: Thomas Freidel ist Ordensbruder, Mitglied der Franziskaner-Minoriten, Diakon und im Pilgerort Assisi für die deutsche Touristenseelsorge zuständig. An der Seligsprechungsfeier von Carlo Acutis war er aktiv beteiligt.


Bruder Thomas Freidel in Assisi / © Freidel (privat)
Bruder Thomas Freidel in Assisi / © Freidel ( privat )

Der Leichnam von Carlo Acutis aufgebahrt in Assisi / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Der Leichnam von Carlo Acutis aufgebahrt in Assisi / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )
Quelle:
DR
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