Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter Hilfe beim Suizid aufgehoben. Die Karlsruher Richter sehen durch das seit 2015 geltende Verbot unter anderem die Rechte von schwerstkranken Menschen und Ärzten verletzt. (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Die Vorschrift sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei der Urteilsbegründung.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, urteilten die Verfassungsrichter. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Gleichzeitig heißt es in der Begründung, daraus folge nicht, dass es dem Gesetzgeber untersagt sei, die Suizidhilfe zu regulieren.
Der Strafrechtsparagraf 217 stellt die sogenannte geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe. Die Hilfe beim Suizid, etwa durch Überlassen tödlich wirkender Medikamente, ist im Einzelfall nicht strafbar. Mit dem Verbot wollte der Gesetzgeber aber einer organisierten Form dieser Art der Sterbehilfe Einhalt gebieten.
Schwerstkranke Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte hatten gegen das Verbot geklagt, weil sie darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit sehen. Einer der Kläger stamm aus Marl. (epd/Stand 26.02.2020)
24.11.2020
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suidzidbeihilfe geäußert. Er sei schockiert über den Richterspruch. Eine Abwägung habe nicht stattgefunden.
Es sei "unerhört", dass sich Karlsruhe so einseitig auf die Weltanschauung von Sterbehilfebefürwortern gestützt habe, sagte der Limburger Bischof am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber Fair".
Eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Selbstbestimmung und Lebensschutz habe nicht stattgefunden, so der Bischof. Das Gericht habe damit eine Dynamik ausgelöst, die möglicherweise nicht mehr einzufangen sei, sagte Bätzing auch mit Blick auf die steigenden Zahlen bei aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden. Ein Dammbruch sei zu befürchten.
Auch Ärztegewerkschaft kritisiert Karlsruher Urteil
Kritik kam auch von der Vorsitzenden der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna. Dass Karlsruhe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben festgelegt habe, sei in Ordnung, sagte sie. Ein Paukenschlag sei aus ihrer Sicht aber, dass die Richter dieses Recht schrankenlos und unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand sähen. Deutschland habe damit eine liberalere Regelung als alle anderen europäischen Staaten.
Medizinethikerin begrüßt Gerichtsentscheidung
Die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert begrüßte demgegenüber die Gerichtsentscheidung. Einen Dammbruch befürchte sie nicht. Es werde vielmehr ein Notausgang geschaffen. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass die Selbstbestimmung des Menschen nicht beim eigenen Sterben aufhöre. Karlsruhe habe zugleich dafür gesorgt, dass der Gesetzgeber einen Schutzwall aufstellen könne, um die Freiverantwortlichkeit zu sichern.
Im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht ein weit reichendes Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben formuliert. Es schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, so die Karlsruher Richter.
Zuschauer stimmen mehrheitlich für lebensbeendende Maßnahme
In der Sendung "Hart aber fair" wurde über Ferdinand von Schirachs Kammerspiel "Gott" diskutiert, in dem ein fiktiver Ethikrat Themen wie Beihilfe zum Suizid, Selbstbestimmung am Lebensende und die Frage, wem das Leben gehört, debattiert. Konkret geht es um den Fall eines 78-jährigen, kerngesunden, aber lebensmüden Mannes, der sein Leben durch ein Medikament und mit Hilfe seiner Ärztin beenden will.
Die Zuschauer wurden aufgefordert, darüber abzustimmen, ob er das Medikament erhalten soll. 70,8 Prozent der deutschen Zuschauer stimmten mit Ja, 29,2 Prozent mit Nein. In der Schweiz wurde das Stück ebenfalls gezeigt. Bei der anschließenden Abstimmung entschieden sich 68 Prozent für Ja.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter Hilfe beim Suizid aufgehoben. Die Karlsruher Richter sehen durch das seit 2015 geltende Verbot unter anderem die Rechte von schwerstkranken Menschen und Ärzten verletzt. (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Die Vorschrift sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei der Urteilsbegründung.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, urteilten die Verfassungsrichter. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Gleichzeitig heißt es in der Begründung, daraus folge nicht, dass es dem Gesetzgeber untersagt sei, die Suizidhilfe zu regulieren.
Der Strafrechtsparagraf 217 stellt die sogenannte geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe. Die Hilfe beim Suizid, etwa durch Überlassen tödlich wirkender Medikamente, ist im Einzelfall nicht strafbar. Mit dem Verbot wollte der Gesetzgeber aber einer organisierten Form dieser Art der Sterbehilfe Einhalt gebieten.
Schwerstkranke Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte hatten gegen das Verbot geklagt, weil sie darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit sehen. Einer der Kläger stamm aus Marl. (epd/Stand 26.02.2020)