Ein Kommentar zur Debatte um die Finanzierung des Trisomie-Bluttests

Leben in seiner ganzen Vielfalt akzeptieren

Am Donnerstag debattiert der Bundestag darüber, ob die gesetzliche Krankenversicherung künftig den Bluttest finanziert, der abklärt, ob beim Fötus eine Trisomie vorliegt. Die Evangelische Kirche ist dafür, die Katholische dagegen. Der Kölner Diözesan-Caritas-Direktor erklärt hier die Gründe.

Dr. Frank Johannes Hensel (Diözesan-Caritasverband Erzbistum Köln)

Ein Gastkommentar von Dr. Frank Johannes Hensel, Diözesan-Caritasdirektor für das Erzbistum Köln

Erinnern Sie sich an Natalie Dedreux und ihren Auftritt in der ARD-Wahlarena vor der Bundestagswahl 2017? Die junge Frau mit Down Syndrom, die bei der Caritas in Köln arbeitet, fragte Bundeskanzlerin Angela Merkel, warum es denn immer noch möglich sei, dass ein Kind wie sie bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden dürfe. "Ich will nicht abgetrieben werden, ich will auf der Welt bleiben", sagte Dedreux. Merkels Antwort: Viele Eltern hätten große Angst, ein behindertes Kind zu bekommen. Sie wüssten oft nicht, wie gut sie unterstützt werden könnten.

Tatsächlich konzentriert sich die Unterstützung der Eltern aktuell eher darauf, die vorgeburtliche Diagnostik auf Anomalien im Erbgut alltäglicher zu machen. Die Bluttests, die dafür entwickelt wurden, heißen Praenatest, Panorama Test oder Harmony Test. Mit perfider Begrifflichkeit kommen die für betroffene Kinder zumeist tödlichen Nachweisverfahren daher.

Schon jetzt sind neben der bekannten Trisomie 21 (Down Syndrom) auch andere gravierende Behinderungen (Trisomie 13 und 18) auf diese Weise sehr sicher ermittelbar, ebenso wie das Geschlecht und sexuelle Uneindeutigkeiten (Intersexualität). Weitere Nachweismöglichkeiten werden hinzukommen.

Auch deshalb haben parteiübergreifend mehr als 100 Bundestagsabgeordnete jetzt eine Debatte über ethische und gesetzgeberische Fragen zu diesen Bluttests angestoßen. Das ist dringend nötig, denn spätestens, wenn die Tests zur Regelleistung der Krankenkassen gehören werden, wonach es derzeit aussieht, ist die Tür zur vorgeburtlichen Fahndung nach Behinderungen und Anomalien weit aufgestoßen.

Wie verheerend muss diese Entwicklung auf Menschen wie Natalie Dedreux wirken? Der unkomplizierte, bedingungslose und demnächst auch noch solidarisch finanzierte Zugang zu den Chromosomentests signalisiert: Menschen, die von der Norm abweichen, sind in unserer Gesellschaft nicht gewollt. Behinderung gilt zunehmend als zu vermeidendes Übel. 

Eltern könnten sich mehr und mehr dazu verpflichtet fühlen, nur ein gesundes Baby bekommen zu dürfen. Tatsächlich entscheiden sich heute 90 Prozent von ihnen für einen Abbruch, wenn die Diagnose Down Syndrom vorliegt.

Dass Eltern Gewissheit möchten und – wie Merkel in der Wahlarena erklärte – Angst haben, ein behindertes Kind zu bekommen, ist gut nachvollziehbar. Der Bluttest wirkt jedoch als Selektionsinstrument ohne Heilauftrag – ein bis in die Namen der Tests hineinragender Verrat an der Menschenwürde.

Wir haben den göttlichen Auftrag, eine wirklich inklusive Gesellschaft zu bauen, in der das Leben in seiner Vielfalt angenommen ist.