Länder-Verfassungsschützer dringen auf Materialsammlung zu AfD

Grenzen der Verfassungsmäßigkeit überschritten?

Eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz wird schon länger gefordert. Bisher sah das Bundesamt dafür aber keinen ausreichenden Anlass. Doch intern ist das offensichtlich nicht unumstritten.

Schild "Nationalismus ist keine Alternative" bei einer AfD-Kundgebung / © Silas Stein (dpa)
Schild "Nationalismus ist keine Alternative" bei einer AfD-Kundgebung / © Silas Stein ( dpa )

Einige Landes-Verfassungsschutzämter drängen nach einem Medienbericht den Bundes-Verfassungsschutz dazu, deutschlandweit Material für eine mögliche Beobachtung der AfD sammeln zu lassen. Das bayerische Landesamt habe dem Präsidenten des Bundesamtes, Hans-Georg Maaßen, bereits am 15. Januar eine vertrauliche Analyse dazu vorgelegt, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Mittwoch) unter Berufung auf Geheimdienstkreise.

Das Papier münde in das Fazit: "Ein Informationsaustausch ist sinnvoll." Zur Begründung heiße es, Teile der AfD bildeten mit der Identitären Bewegung und der Initiative "Ein Prozent" bis nach Österreich ein enges Geflecht, das Gefahrenpotenzial sei "bedeutsam".

Bereits im vergangenen Jahr hätten mehrere Bundesländer Maaßen mehrfach erfolglos gebeten, einer Materialsammlung zuzustimmen, schrieb das Redaktionsnetz. Dieser habe bisher aber nicht reagiert. In Geheimdienstkreisen der Länder sei von "mehreren Jahren Diskursverweigerung" und einer "Vernachlässigung der Vorfeldarbeit" die Rede. An diesem Mittwoch beginne am Sitz des Bundes-Verfassungsschutzes in Köln eine Amtsleitertagung der Inlandsgeheimdienste, das Thema AfD stehe nicht auf der Tagesordnung.

Eine positivie Alternative zur Alternative für Deutschland?

Derweil hat der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck die Bundesregierung aufgefordert, genau zu prüfen, ob die AfD nicht vom Verfassungsschutz überwacht werden müsste. Die Grenze, "an denen die Grundfeste des Staates infrage gestellt wird, ist an vielen Stellen überschritten", sagte Habeck der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch).

"Überzeugte Rassisten oder stramme Rechtsextreme" seien "nicht mehr erreichbar für den demokratischen Konsens". Jetzt gehe es darum, den rechtsextremen Rand nicht größer werden zu lassen.

Habeck, der seit Januar an der Spitze der Grünen steht, hob zugleich hervor, dass man nicht auf jede Provokation der AfD reagieren sollte. "Es fällt mir jedes Mal schwer, nicht laut zurückzubrüllen", sagte Habeck. "Aber damit wir nicht in Verhältnisse wie in Österreich, Polen oder Ungarn abrutschen, müssen wir doch das linke und liberal-progressive Spektrum politisieren, begeistern und für Zusammenhalt sorgen." Es gehe um eine positive Alternative, nicht immer um die sofortige Zurückweisung.

"Wenn man auf jede Provokation der AfD eingeht, steht es immer 2:1 gegen einen", warnte der Parteichef der Grünen. "Erst stellt die AfD mal eine steile These auf. Dann wiederholt man sie, um sie zu entkräften." Es werde also doppelt so häufig das gehört und verbreitet, was die AfD als Provokation von sich gegeben habe. "Wir müssen begründen, warum Humanität und eine solidarische Gesellschaft stärker sind", unterstrich Habeck.

Derzeit werden einzelne AfD-Mitglieder vom Verfassungsschutz beobachtet, auch wenn die Partei als Ganzes kein Objekt für den Inlandsgeheimdienst ist. Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer im Februar hatte ergeben, dass die Überwachung einzelner AfD-Mitglieder unter anderem in Bayern der Fall ist.

AfD im niedersächsischen Stiftungsrat?

Der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Jens-Christian Wagner, hat derweil die Bemühungen der AfD, einen eigenen Vertreter in den Stiftungsrat zu entsenden, erneut scharf kritisiert. "Das ist ein direkter Angriff auf die Erinnerungskultur", sagte er am Dienstag in Celle dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der niedersächsische Landtag hatte in der vergangenen Woche gegen die Stimmen der AfD beschlossen, künftig nur noch vier Vertreter in den Stiftungsrat zu entsenden. Bislang konnte jede Fraktion einen Sitz beanspruchen. Damit fällt der AfD nicht mehr automatisch ein Sitz zu. SPD, CDU, FDP und Grüne hatten sich fraktionsübergreifend auf diese Linie verständigt. Die AfD will nun mit einem Rechtsgutachten gegen die Entscheidung vorgehen.

"Attacke auf unsere Gedenkstättenarbeit"

Wagner zufolge will die AfD einen Vertreter benennen, der sich erst kürzlich öffentlich gegen die Braunschweiger Gedenkstätte Schillstraße ausgesprochen hat. Dort werde an die in der NS-Zeit deportierten und ermordeten Sinti und Roma erinnert. Die Gedenkstätte werde vollständig von der Stiftung finanziert: "Das ist eine Attacke auf unsere Gedenkstättenarbeit."

Die AfD will ihr Gutachten am 15. März in Hannover präsentieren. Das zuständige Kultusministerium reagierte gelassen auf diese Ankündigung: Dem Gesetz zufolge muss erst das Fachministerium die Parteien auffordern, ihren Vertreter zu benennen. Dies sei jedoch noch nicht geschehen, sagte ein Sprecher. Nur weil die AfD bereits unaufgefordert einen Vertreter benannt habe, heiße dies nicht, dass die Partei auch einen Sitz im Stiftungsrat erhalte.


Quelle:
epd , dpa