In der Debatte über das Kölner Missbrauchsgutachten bittet Kardinal Woelki um Geduld und verweist auf den 18. März. Woelki hatte die Untersuchung über den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt zunächst bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegeben, sie bislang aber nicht wie vorgesehen veröffentlicht. Nach Einbeziehung anderer Juristen vertraute er deren Einschätzung, dass das Papier "methodische Mängel" habe. Er selbst kenne die WSW-Expertise nicht, versicherte er in mehreren Interviews. Woelki beauftragte daher den Kölner Juristen Björn Gercke mit einem neuen Gutachten, das im März der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Der Kardinal äußerte in einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" Anfang Februar Verständnis für die zum Teil heftige Kritik: "Wir haben Fehler gemacht, wir haben Vertrauen verspielt, ich verstehe die Ungeduld." So sei es ein Fehler gewesen, der Zusage von WSW zu vertrauen, "eine rechtssichere Aufarbeitung vorzulegen". Journalisten bei einem Hintergrundgespräch mit einer Verschwiegenheitserklärung zu konfrontieren, habe den Eindruck erweckt, "wir wollten keine offene und unabhängige Berichterstattung".
Zudem seien Fehler im Umgang mit Betroffenen gemacht worden: Die Entscheidung, das WSW-Gutachten nicht zu veröffentlichen, "hätten wir als Erzbistum alleine vertreten müssen", auch wenn Vertreter der Betroffenen angeboten hätten, mit dafür einzustehen. "Wir hätten das nicht annehmen dürfen", betonte Woelki. Zudem hätte man dem Betroffenenrat mehr Zeit geben müssen, um darüber nachzudenken, ob eine neue Kanzlei beauftragt werden soll.
Das Gercke-Gutachten werde "nicht der Endpunkt, sondern der Ausgangspunkt für weitere Aufklärung sein". So sei die Einrichtung einer unabhängigen Kommission vorgesehen, die beide Gutachten erhalten werde und mit der Landesregierung entscheiden solle, wie es weitergehe. Ab dem 18. März sollten zudem Betroffene, Journalisten "und andere Interessierte" Einsicht in das WSW-Gutachten erhalten. (dr/kna)
03.03.2021
In der Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln weist die Erzdiözese Vertuschungsvorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki zurück. Das Bistum nimmt damit Stellung zu verschiedenen Medienberichten der letzten Tage.
Der Erzbischof habe dafür Sorge getragen, dass Aktenvorgänge, die im Zuge eines Gutachtens untersucht wurden, der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gelangten, erklärte das Erzbistum am Mittwoch in Köln. Die Überprüfung auf strafrechtlich relevante Tatbestände und Anfangsverdachtsfälle sei von Anfang an Bestandteil der von ihm beauftragten unabhängigen Untersuchung gewesen.
Im Erzbistum Köln wird seit Monaten um die öffentliche Aufarbeitung früherer Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche gerungen. Dabei geht es auch darum, Verantwortliche zu benennen, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Ein erstes Aufarbeitungs-Gutachten hat Woelki nicht veröffentlichen lassen, weil er es für fehlerhaft und nicht rechtssicher hält. Zugleich hat er ein zweites Gutachten angekündigt, das bis zum 18. März vorliegen soll.
Kontakt zur Staatsanwaltschaft
Das Erzbistum zitierte in seiner Stellungnahme aus den Aufträgen für beide Untersuchungen. Demnach sollten sowohl die ersten als auch die zweiten Gutachter verifizieren, "ob ab 2002 alle Hinweise auf mögliche Missbrauchsfälle, die einen strafrechtlich relevanten Anfangsverdacht begründen, den staatlichen Strafverfolgungsbehörden angezeigt wurden". Der zweite Gutachter und Strafrechtler Björn Gercke habe im Auftrag des Erzbistums die Staatsanwaltschaft kontaktiert und sie "über sämtliche, sich aus den 236 Aktenvorgängen ergebenden Sachverhalte in Kenntnis gesetzt". Er stehe seit vergangenem Herbst in "regem Kontakt" mit der Ermittlungsbehörde.
Die Staatsanwaltschaft Köln prüft derzeit nach Medienangaben rund zehn Strafanzeigen von Privatpersonen gegen Woelki, die häufig auf Strafvereitelung lauten. Der Ermittlungsbehörde zufolge kommen derzeit täglich neue Anzeigen hinzu. Daher sei nicht absehbar, wie lange die Prüfung dauern werde. Erst wenn sich ein Anfangsverdacht bestätigt, nimmt eine Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Strafvereitelung bedeutet, dass die Aufklärung von Straftaten wissentlich verhindert wird. Kritiker werfen Woelki mangelnden Aufklärungswillen und schlechte Kommunikation vor.
Das Statement des Erzbistums im Wortlaut
"Die Überprüfung auf strafrechtlich relevante Tatbestände und Anfangsverdachtsfälle war und ist laut Auftrag von Anfang an Bestandteil der unabhängigen Untersuchung gewesen. Im Untersuchungsauftrag heißt es dazu wörtlich: "Die Gutachter sollen […] verifizieren, ob ab 2002 alle Hinweise auf mögliche Missbrauchsfälle, die einen strafrechtlich relevanten Anfangsverdacht begründen, den staatlichen Strafverfolgungsbehörden angezeigt wurden […]." Dieser Auftrag wurde gleichlautend zunächst an die Kanzlei Westphal Spilker Wastl und später an die Kanzlei Gercke Wollschläger vergeben.
Parallel zu der Erstellung des Gutachtens hat Professor Dr. Gercke daher im Auftrag des Erzbistums Köln Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommen. Professor Dr. Gercke hat die Staatsanwaltschaft über sämtliche, sich aus den 236 Aktenvorgängen ergebenden Sachverhalte in Kenntnis gesetzt. Er steht mit der Staatsanwaltschaft bereits seit Herbst 2020 in regem Kontakt. Damit hat Kardinal Woelki explizit dafür Sorge getragen, dass sämtliche 236 Aktenvorgänge der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gelangen."
In der Debatte über das Kölner Missbrauchsgutachten bittet Kardinal Woelki um Geduld und verweist auf den 18. März. Woelki hatte die Untersuchung über den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt zunächst bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegeben, sie bislang aber nicht wie vorgesehen veröffentlicht. Nach Einbeziehung anderer Juristen vertraute er deren Einschätzung, dass das Papier "methodische Mängel" habe. Er selbst kenne die WSW-Expertise nicht, versicherte er in mehreren Interviews. Woelki beauftragte daher den Kölner Juristen Björn Gercke mit einem neuen Gutachten, das im März der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Der Kardinal äußerte in einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" Anfang Februar Verständnis für die zum Teil heftige Kritik: "Wir haben Fehler gemacht, wir haben Vertrauen verspielt, ich verstehe die Ungeduld." So sei es ein Fehler gewesen, der Zusage von WSW zu vertrauen, "eine rechtssichere Aufarbeitung vorzulegen". Journalisten bei einem Hintergrundgespräch mit einer Verschwiegenheitserklärung zu konfrontieren, habe den Eindruck erweckt, "wir wollten keine offene und unabhängige Berichterstattung".
Zudem seien Fehler im Umgang mit Betroffenen gemacht worden: Die Entscheidung, das WSW-Gutachten nicht zu veröffentlichen, "hätten wir als Erzbistum alleine vertreten müssen", auch wenn Vertreter der Betroffenen angeboten hätten, mit dafür einzustehen. "Wir hätten das nicht annehmen dürfen", betonte Woelki. Zudem hätte man dem Betroffenenrat mehr Zeit geben müssen, um darüber nachzudenken, ob eine neue Kanzlei beauftragt werden soll.
Das Gercke-Gutachten werde "nicht der Endpunkt, sondern der Ausgangspunkt für weitere Aufklärung sein". So sei die Einrichtung einer unabhängigen Kommission vorgesehen, die beide Gutachten erhalten werde und mit der Landesregierung entscheiden solle, wie es weitergehe. Ab dem 18. März sollten zudem Betroffene, Journalisten "und andere Interessierte" Einsicht in das WSW-Gutachten erhalten. (dr/kna)