Die seit 2. November geltenden neuen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stoßen bei einer Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen grundsätzlich auf Zustimmung, jedem vierten Bürger (24 Prozent) gehen sie zu weit. Dabei werden die verschiedenen Maßnahmen unterschiedlich stark akzeptiert, wie aus einer in Köln veröffentlichten ARD-Umfrage hervorgeht. So befürworten zwar 71 Prozent die Schließung von Bars und Kneipen, zugleich lehnen aber 57 Prozent die erneute Schließung von Restaurants ab.
Insgesamt finden acht von zehn Bundesbürgern (79 Prozent) den Satz richtig: "Ohne strenge Regeln bekommen wir die Corona-Krise nicht in den Griff." Viel Zustimmung gibt es insbesondere für die Kontaktbegrenzung auf zwei Haushalte und maximal zehn Personen (78 Prozent). Beim Verbot touristischer Hotel-Übernachtungen, bei der Schließung von Kultureinrichtungen wie Theatern und Kinos und beim Verbot von Amateur- und Freizeitsport halten sich Zustimmung und Ablehnung dagegen die Waage. Eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der Befragten unterstützt die Entscheidung, Schulen und Kitas offenzuhalten.
Dass die Beschränkungen zu Weihnachten wieder gelockert werden, wünschen sich sechs von zehn Bürgern (59 Prozent), 30 Prozent lehnen das ab. Die Einhaltung der Maßnahmen im Alltag bereitet nach eigenen Angaben 85 Prozent der Erwachsenen wenig oder keine Probleme. Große oder sehr große Probleme haben 14 Prozent der Deutschen, bei den unter 40-Jährigen sind es mit 23 Prozent deutlich mehr. Das Institut Infratest dimap befragte im Auftrag der ARD 1.002 Wahlberechtigte. (epd/05.11.2020)
09.11.2020
Ist es richtig, dass Gottesdienste vom Lockdown ausgenommen sind? Die Publizistin Liane Bednarz befürchtet dadurch "böses Blut" in der Gesellschaft. Der Kirchenmusiker Ansgar Wallenhorst verteidigt dieses Privileg. Ein Gastkommentar.
Wo Ostern 2020 Kirchen "wegen Corona geschlossen!“ ans Portal hefteten und auch bei Kirchenfernen eine Litanei von Kopfschütteln bis hin zu Legitimationsanfragen an Religion als systemstabilisierende Kraft hervorriefen, wird im November weiter gebetet und sogar gesungen - mit Hygienekonzept, Abstand und 20% Auslastung meist luftig-hoher Kirchenschiffe - und Maske. Die Publizistin Liane Bednarz sieht im DOMRADIO.DE-Interview darin eine "Privilegierung“, die gesamtgesellschaftlich eher "böses Blut“ denn positiv-bestärkende Akzeptanz hervorrufe. Darin läge ein "Wertungswiderspruch“ im säkular, post-religiösen Deutschland. In Solidarität zu den vielen Nicht-Christen, die derzeit weder im Theater noch im Konzertsaal auftanken und ihre arg strapazierte Psyche ausbalancieren könnten.
Auch Eintauchen im Gemeinschafts-Sport, solitäres Schwimmen, im Fitness-Studio oder der Restaurantbesuch mit Freunden bleiben uns derzeit als Gegenwelt zur allumfassenden Corona-Belastung versagt. Sollten sich da nicht die Kirchen aus ihrer "Ritual-Fixiertheit“ lösen und sich verantwortungsbewusst und solidarisch zeigen im Verzicht? Ein Zeichen setzen oder einen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung leisten?
Wem hilft ein Gottesdienst-Verzicht?
Wem hilft konkret eine Solidarität des Verzichts auf den Dreiklang aus zweckfreier Liturgie, zuversichtlichem Glaubenszeugnis und Lebenshilfe als diakonischer Umsetzung des Evangeliums? Auseinanderdividieren lässt sich das verlustfrei jedenfalls nicht: Wo wir nicht als um das Wort und den Altar versammelte Erinnerungsgemeinschaft aus dem Evangelium und den Sakramenten, den Stärkungen, Klärungen und Tröstungen des Heiligen Geistes schöpfen, sind Bestärkung für und Beistand im Leiden für andere buchstäblich haltlos.
Wir drohen in den Wellen, die immer wieder über uns hereinbrechen, unterzugehen, mutlos und entkräftet in den Chor der Verzweifelten einzustimmen. Warum sollten wir denn auf die immer wieder in Tradition und Gegenwart beschworenen Tröstungskräfte unseres Glaubens in gut gemeinter Solidarität verzichten?
Es geht um Vertrauen
Bei der Abwägung, was zur Pandemiebekämpfung zulässig und was (temporär) zu vermeiden ist, geht es ja nicht allein um das bessere Hygienekonzept oder den - nach Meinung der Virologen und Verantwortlichen im Gesundheitswesen - derzeit gar nicht (mehr) zu erbringenden Nachweis, wer sich nun wo angesteckt hat und wo Hotspots lauern. Es geht um Vertrauen!
Vertrauen, dass eine wissenschaftlich solide beratene und abwägend diskutierte politische Entscheidung die Güter sorgsam abgewogen und Freiheitsrechte mit der Fürsorgepflicht des Staates auf körperliche Unversehrtheit seiner Bürger in Balance zu halten versucht. Und Vertrauen in die Tröstungskräfte der Religion. Als Christen ist es unsere Aufgabe, die "tröstende Kraft der Rede von Gott und der verheißenen Unsterblichkeit gerade an den Widersprüchen unserer geschichtlich-gesellschaftlichen Entwicklung zum Leuchten zu bringen“ (J.B. Metz, Über den Trost, 1974) und sie als Solidargemeinschaft allen anzubieten. Nicht mehr, aber auch bitte nicht weniger!
Ein Privileg hat Konsequenzen
Wenn Gebet und Gesang, Klage und Bitte, Verkündigung und Eucharistie sich mit Stille und Klängen mischen und sich so in unserer Leiderfahrung und Lebenswirklichkeit brechen und spiegeln, wirkt das Ritual ganz ohne jegliche zwangshaften Fixierungen. Dann sind wir und die Vielen, die in diesen Zeiten des Trostes bedürfen, einfach beschenkt! Vielleicht auch privilegiert, aber mit verpflichtenden Konsequenzen: das Geschenkte müssen wir weitergeben, wo immer die "Blüten des Trostes zu kurz entsprossen sind“ (Nelly Sachs).
Unsere Sprache und unser Denken - und damit unser Tun und Wirken - für den Anderen könnten sich so verändern. Ungeschützt vor dem Unvorhersehbaren und unimprägniert gegenüber Widersprüchen zu leben, könnte uns gelassener und angstfreier agieren lassen. Leben mit Corona, durch Corona, nach Corona hoffnungsvoll in Ausschöpfung unserer Möglichkeiten und in neu bewusster und neu entflammter Verantwortung füreinander!
Ansgar Wallenhorst
Über den Autor: Ansgar Wallenhorst ist Kirchenmusiker, Theologe und Konzertorganist. Er arbeitet als Kantor an der Kirche St. Peter und Paul in Ratingen.
Die seit 2. November geltenden neuen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stoßen bei einer Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen grundsätzlich auf Zustimmung, jedem vierten Bürger (24 Prozent) gehen sie zu weit. Dabei werden die verschiedenen Maßnahmen unterschiedlich stark akzeptiert, wie aus einer in Köln veröffentlichten ARD-Umfrage hervorgeht. So befürworten zwar 71 Prozent die Schließung von Bars und Kneipen, zugleich lehnen aber 57 Prozent die erneute Schließung von Restaurants ab.
Insgesamt finden acht von zehn Bundesbürgern (79 Prozent) den Satz richtig: "Ohne strenge Regeln bekommen wir die Corona-Krise nicht in den Griff." Viel Zustimmung gibt es insbesondere für die Kontaktbegrenzung auf zwei Haushalte und maximal zehn Personen (78 Prozent). Beim Verbot touristischer Hotel-Übernachtungen, bei der Schließung von Kultureinrichtungen wie Theatern und Kinos und beim Verbot von Amateur- und Freizeitsport halten sich Zustimmung und Ablehnung dagegen die Waage. Eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der Befragten unterstützt die Entscheidung, Schulen und Kitas offenzuhalten.
Dass die Beschränkungen zu Weihnachten wieder gelockert werden, wünschen sich sechs von zehn Bürgern (59 Prozent), 30 Prozent lehnen das ab. Die Einhaltung der Maßnahmen im Alltag bereitet nach eigenen Angaben 85 Prozent der Erwachsenen wenig oder keine Probleme. Große oder sehr große Probleme haben 14 Prozent der Deutschen, bei den unter 40-Jährigen sind es mit 23 Prozent deutlich mehr. Das Institut Infratest dimap befragte im Auftrag der ARD 1.002 Wahlberechtigte. (epd/05.11.2020)