Immer mehr Bischöfe setzen sich mit der Corona-Krise auseinander

Chance in der Krise?

Haben sich die deutschen Bischöfe in der Corona-Krise weggeduckt? Der Vorwurf steht seit längerem im Raum. Wie um ihn noch im Nachhinein zu entkräften, haben sich zuletzt etliche Oberhirten in der Sache zu Wort gemeldet.

Autor/in:
Andreas Laska
Ordensfrau mit Mundschutz im Innenhof des Apostolischen Palastes im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Ordensfrau mit Mundschutz im Innenhof des Apostolischen Palastes im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Eigentlich stand das Thema nicht auf der Tagesordnung - doch dann bestimmte es überraschend den Auftakt der jüngsten Regionenkonferenzen beim Synodalen Weg: Corona und die Auswirkungen für die Kirche. "Krisen sind immer Beschleuniger von Entwicklungen. Und so werden auch die kirchlichen Reformbestrebungen durch Corona beschleunigt", meinte etwa der Hamburger Erzbischof Stefan Heße.

Ins gleiche Horn stieß Essens Bischof Franz-Josef Overbeck. Auch nach der Wiederaufnahme öffentlicher Gottesdienste seien viele Kirchen nicht vor Gläubigen übergequollen, vor allem junge Menschen fehlten. "Die Corona-Pandemie ist so etwas wie ein Brandbeschleuniger."

"Denk daran, du bist nur Mensch."

Corona also als letzter Weckruf? Als Turbo-Antrieb für Reformen, die sich manch einer in der katholischen Kirche so sehnlichst wünscht? Verfolgt man die Wortmeldungen von Bischöfen zu diesem Thema - beim Synodalen Weg und auch anderswo - ist das Bild einmal mehr ziemlich uneinheitlich.

Einen ganz anderen Akzent als Overbeck und Heße setzt etwa Kardinal Rainer Maria Woelki. Corona habe neben allen anderen Folgen bewirkt, "dass wir als Menschen vor unsere Endlichkeit gestellt worden sind", so der Kölner Erzbischof. Durch die Pandemie seien "Sterben und Tod in die Mitte der Gesellschaft gerückt". Darauf habe die Kirche "oftmals keine Antworten" gehabt oder "sich nicht getraut, Antworten zu geben", sagte der Kölner Erzbischof.

Gar eine "prophetische Dimension" vermeint der Kölner Weihbischof Ansgar Puff in der Corona-Krise zu entdecken. Die Krise gebe auf jeden Fall die Antwort: "Denk daran, du bist nur Mensch." Hier müsse die Kirche stärker ansetzen. Von Reformen spricht Puff hingegen nicht.

"Heilsame Erfahrungen" im Lockdown

Einen Hirtenbrief zu Corona hat der Magdeburger Bischof Gerhard Feige geschrieben. Auch er sieht in der Krise eine Chance - mit noch einmal anderer Stoßrichtung: Manche Christen hätten im Lockdown "heilsame Erfahrungen" gemacht, schreibt Feige. Sie hätten etwa "die Kar- und Ostertage erstmals selbst gestaltet und dabei einen tieferen Zugang zu deren Botschaft gefunden". Auch hätten viele Christen Möglichkeiten gefunden, Menschen in ihrer Umgebung zu unterstützen oder ihnen Freude und Trost zu spenden.

Doch Feige hält nicht nur Rückschau. Schon jetzt, so der Bischof, sollte sich die Kirche Gedanken zu machen, "in welcher Weise wir unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen kreativ auf den Advent und Weihnachten eingehen können".

Erinnerung an die Zeit des Lockdowns

Zur Feder gegriffen hat auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. "Die große Unterbrechung" ist der Beitrag überschrieben, den die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" am kommenden Donnerstag veröffentlicht. Georg Bätzing wagt dabei einen Blick in die Zukunft und fragt, mit welchen Gefühlen die Menschen wohl dereinst an die Corona-Zeit zurückdenken werden.

Generell durchzieht Hoffnung das Schreiben: Hoffnung, dass die Corona-Pause letztlich ein heilsames Innehalten ist, dass "die große Krise als kraftvoller Innovationsimpuls am Ende zu Gutem geführt haben wird". Konkrete Schlussfolgerungen für die Kirche zieht der Limburger Bischof nicht. Stattdessen regt er einen neuen interreligiösen Feiertag an, einen "Sabbat-Tag der Besinnung" in Erinnerung an die Zeit des Lockdowns.

Mangelnde Solidarität und verstärkter Kapitalismus

Optimismus wiederum verbreitet Kardinal Reinhard Marx nicht. In einem Gastbeitrag für die Katholische Nachrichten-Agentur zeichnet er ein ziemlich düsteres Bild. Er schreibt von mangelnder Solidarität, von wachsenden Spannungen, von einem Kapitalismus, der in der Krise sogar verstärkt an Fahrt aufnimmt.

Den Finger in diese Wunden zu legen, sieht der Münchner Erzbischof als Hauptaufgabe der Kirche. Mehr denn je brauche sie "Mut und Entschlossenheit, den Auftrag zu erkennen im Miteinander der einen Menschheitsfamilie Wirtschaft und Gesellschaft so zu gestalten, dass alle im Blick sind, besonders die Schwachen und Kranken, die Armen, Ausgegrenzten hier und weltweit". Religiösem Fundamentalismus erteilt Marx hingegen eine Absage: Schließlich bekenne sich die Kirche "zu einem Gott, der der Vater aller Menschen ist, nicht nur der Christinnen und Christen".


Erzbischof Stefan Heße / © Lars Berg (KNA)
Erzbischof Stefan Heße / © Lars Berg ( KNA )

Bischof Franz-Josef Overbeck bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" / © Andreas Oertzen (KNA)
Bischof Franz-Josef Overbeck bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" / © Andreas Oertzen ( KNA )

2020: Kardinal Rainer Maria Woelki spricht bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" zum Synodalen Weg / © Bert Bostelmann (KNA)
2020: Kardinal Rainer Maria Woelki spricht bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" zum Synodalen Weg / © Bert Bostelmann ( KNA )
Quelle:
KNA