Große Umsatzeinbußen bei Musikinstrumenten

"Die Branche hat es hart getroffen"

Auch Deutschlands Instrumentenhersteller leiden unter Corona. Mit 30 Prozent Umsatzeinbußen rechnet der Bundesverband der deutschen Musikinstrumentenhersteller seit dem Lockdown, so Geschäftsführer Winfried Baumbach – und kritisiert den Staat.

Werkstatt eines Geigenbauers / © Sasa Dzambic Photography (shutterstock)
Werkstatt eines Geigenbauers / © Sasa Dzambic Photography ( shutterstock )

KNA: Was hat die Corona-Pandemie den Herstellern von Musikinstrumenten in Deutschland beschert? Haben die Menschen im Lockdown mehr Instrumente gekauft, um sich die Zeit zu vertreiben, oder gab es einen Einbruch?

Winfried Baumbach (Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Musikinstrumentenhersteller): Insgesamt hat es die Branche hart getroffen. Nach einem erfolgreichen Jahr 2019 haben sich die Umsätze für unsere Mitglieder auch im 1. Quartal bis zum Lockdown zunächst entsprechend bestens entwickelt. Wir müssen aber nun mit einem Einbruch von circa 30 Prozent rechnen. Allein bei einigen Zubehören, vorzugsweise Verbrauchsmaterialien, scheint es etwas besser auszusehen. Auch wer zum Beispiel im Handel schon vor der Krise Online gut aufgestellt war, hat vermutlich nicht so große Einbußen. Für Einzelhändler, die allein auf stationäre Geschäfte in den Innenstädten setzen, war der Lockdown natürlich weitaus schwerer zu bewältigen

KNA: Wie erklären Sie sich das deutliche Minus?

Baumbach: Die großen Orchester und viele Berufsmusiker hatten in den vergangenen Monaten kaum Auftritte. Und damit auch keine Einnahmen, um etwa in neue Instrumente zu investieren. Bei den von der Politik beschlossenen Soforthilfeprogrammen wurden nur die laufenden Kosten und Belastungen übernommen, nicht aber Einnahmeausfälle. Dazu kommt, dass Musikschulen geschlossen wurden und in den allgemeinbildenden Schulen ohnehin nur sehr eingeschränkt Musikunterricht erteilt wird, der vielerorts nun gänzlich weggefallen ist. Deshalb waren die Anreize, sich ein neues Instrument zu kaufen, eher gering. Was bei den Schulen allerdings nicht nur mit Corona zu tun hat.

KNA: Warum?

Baumbach: Weil viele Bundesländer die Ansprüche an Musikunterricht in den Grund- und weiterführenden Schulen ziemlich heruntergeschraubt haben. Zwar hat das Musizieren bei Jugendlichen laut Jugendstudien zuletzt deutlich an Beliebtheit gewonnen, doch was nutzt der Wunsch, wenn er nicht umgesetzt werden kann? In den Schulen haben die Mädchen und Jungen kaum Chancen, ein Instrument zu lernen. Da müssen schon die Eltern Engagement zeigen und Geld erübrigen, damit die Kinder ein Instrument kaufen und privat Musikunterricht nehmen können. Staaten wie die USA oder Japan sind da ganz anders aufgestellt: Dort gehört Musikerziehung ganz fest zum Standard der Schulen.

KNA: Allerdings gelten Musikinstrumente auch als Risiko bei der Verbreitung der Viren...

Baumbach: Musikinstrumente sind nach neuen Studien keine Virenschleudern. Einzig bei der Querflöte und manchen Holzblasinstrumenten gibt es gewisse Probleme wegen der Strömungsverhältnisse. Bei den Bläsern reichen nach jetzigen Erkenntnissen 1,5 Meter Abstand, mehr nicht. Denn Trompeter beispielsweise verursachen deutlich weniger Luftverwirbelungen als gemeinhin vermutet. Ich appelliere an Politik und Behörden, hier weitere Studien in Auftrag zu geben, damit wir mehr Klarheit bekommen.

KNA: Ein Problem für die Rückkehr zum Musikunterricht sind auch schlecht gelüftete Schulräume...

Baumbach: Corona wirft hier ein grelles Licht auf die Zustände in deutschen Schulen und damit auf die Wertigkeit von Bildung. Viele Klassenräume sind in einem dramatisch schlechten Zustand. Sie sind etwa kaum zu lüften, weil sich Fenster nicht oder nur noch wenig öffnen lassen. Der Staat muss hier dringend Abhilfe schaffen. Ideal aus Sicht des auch künftigen Gesundheitsschutzes wäre der Einbau von Filtern, die Krankheitserreger viel besser bekämpfen. Es geht ja nicht nur ums Musizieren, sondern ganz wesentlich um die Verhältnisse in den Klassenzimmern, aber auch ganz allgemein im öffentlichen Raum, in Büros und so weiter. Moderne Filteranlagen, die es auch mobil gibt, schaffen Abhilfe. Hier gilt es zu investieren, auch weil der Sauerstoffgehalt wesentlich verbessert wird, was zu deutlich erhöhter Leistungsfähigkeit führt.

KNA: Instrumente aus Deutschland haben einen guten Ruf. Wie sieht es mit dem Export aus?

Baumbach: Made in Germany hat in unserer Branche wirklich noch Strahlkraft. Schließlich gehört der deutsche Musikinstrumentenbau auch zum Immateriellen Weltkulturerbe. Über 60 Prozent der Gesamtumsätze - 2019 waren es 63,8 Prozent - aller hier produzierten Musikinstrumente gehen in den Export. Und dieses Geschäft hat wegen der Reisebeschränkungen und ausfallender Transportkapazitäten ganz stark gelitten. Auch viele Musikmessen und Branchentreffen in zahlreichen Ländern sind ausgefallen - mit sehr negativen Konsequenzen für das Geschäft.

Das Interview führte Christoph Arens.


Quelle:
KNA