Deutsche Praktikantin erlebt Corona-Krise in Schweden

Sonderbarer Sonderweg?

Amelie Tepper arbeitet auf Vermittlung des Bonifatiuswerkes in Schweden. Das Land geht einen Sonderweg in der Corona-Pandemie und setzt auf Eigenverantwortung der Bürger. Wie empfindet die deutsche Praktikantin diesen Weg?

In Schweden haben Restaurants ganz normal geöffnet / © Anders Wiklund (dpa)
In Schweden haben Restaurants ganz normal geöffnet / © Anders Wiklund ( dpa )

DOMRADIO.DE: Eigentlich sind Sie nach Schweden gegangen, um den Brigittinnen, also den Ordensschwestern in Vadstena im Gästehaus am Kloster zu helfen. Dann kam die Corona-Krise. Aber erstmal vorab: Wo genau liegt denn Vadstena?

Amelie Tepper (Arbeitet auf Vermittlung des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken in Schweden): Vadstena liegt am Vätternsee. Das ist der zweitgrößte See in Schweden, in der Südmitte des Landes gelegen.

DOMRADIO.DE: Das Gästehaus der Schwestern musste im März wegen der Pandemie schließen. Was hat das für Sie und Ihre Arbeit bedeutet?

Tepper: Vor der Corona-Krise bestand unsere Arbeit eigentlich darin, alles zu betreuen, was mit dem Gästehaus zu tun hatte. Wir haben vor allem die Gäste versorgt, ihnen Frühstück gemacht und für Gruppen auch Mittag- und Abendessen zubereitet. Wir haben zudem die Zimmer gereinigt und sind einkaufen gegangen. Nach der Kirche haben wir meistens Kaffee und Kuchen angeboten und dafür gebacken sowie Kaffee gemacht. Das fällt jetzt größtenteils alles weg, seit keine Gäste mehr kommen.

Und jetzt sind unsere Aufgaben andere als vorher. Wir haben das Gästehaus komplett einem Frühjahrsputz unterzogen und sind auch die Dinge, die komplett liegen geblieben sind und viel Zeit in Anspruch nehmen, angegangen. Wir renovieren jetzt viel, hübschen die Gartenmöbel auf und machen den Garten.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn gar nicht darüber nachgedacht das Praktikum abzubrechen, als die Corona-Krise schlimmer wurde?

Tepper: Natürlich hat man kurz darüber nachgedacht, auch wie es der Familie zuhause geht. Aber durch das Internet fällt es ja heutzutage relativ leicht, sich mit seiner Familie und seinen Freunden daheim zu verständigen. Deswegen ist man eigentlich immer auf dem neuesten Stand.

Es gibt noch Fährbetrieb von Schweden nach Deutschland und Flüge gehen mindestens einmal die Woche. Also wenn irgendetwas ist, kann man sofort nach Hause zurück.

DOMRADIO.DE: Schweden hat keinen richtigen "Lockdown" in der Corona-Pandemie vollzogen, sondern stark darauf gesetzt, dass sich die Menschen im Land vernünftig verhalten. Wie haben Sie das in Vadstena erlebt?

Tepper: Schweden setzt eher auf langfristige Maßnahmen, die die Gesellschaft und Wirtschaft schonen sollen. Deswegen wird eher an die Vernunft der Bürger appelliert, zuhause zu bleiben. Es gibt natürlich Einschränkungen. Man soll keine touristischen Fahrten machen, keine Versammlungen mit über 50 Personen abhalten und vor allem Kranke und Alte sollen geschützt werden. Hier gibt es Sicherheitsmaßnahmen in den Krankenhäusern und in den Altenheimen.

In den Restaurants muss auch auf den Sicherheitsabstand geachtet werden. Aber in den Geschäften gibt es keine Beschränkung dafür, wie viele Leute rein dürfen. Man soll den Sicherheitsabstand halten, aber es gibt keine Maskenpflicht. An den Kassen wird darauf geachtet, dass die Leute nicht zu nah beieinander stehen, aber sonst ist es eigentlich relativ ruhig hier.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn das Gefühl, dass die Leute tatsächlich darauf achten, wenn sie sich so bewegen? Haben sie dabei den "Corona-Gedanken" im Kopf?

Tepper: Ich denke schon, dass sie Corona dabei "im Kopf“ haben. Sie umarmen sich nicht mehr, wenn sie sich sehen, sondern grüßen aus einem Meter Abstand. Aber man sieht auch Menschen, die nachmittags im Park sitzen. Das gibt es auch. Aber insgesamt, so ist mein Eindruck, wird darauf geachtet.

DOMRADIO.DE: Was werden Sie aus dieser Erfahrung, dieser außergewöhnlichen Situation mitnehmen? Sie haben als Praktikantin eine Pandemie in einem anderen Land erlebt.

Tepper: Ich denke, dass ich auf jeden Fall selbstständiger geworden bin. Man geht mit Stress anders um, als wenn man sich jetzt im Schutz seiner Familie zuhause befindet.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 

Quelle:
DR