Caritas sieht Pflegepersonal bei Corona-Schnelltests überlastet

"Sowieso am Limit"

Der Caritasverband für die Stadt Köln schlägt Alarm: Die anlaufenden Corona-Schnelltests für Bewohner, Mitarbeiter und Besucher von Pflegeheimen und ambulanten Diensten seien zwar vernünftig, aber vom Personal zusätzlich nicht leistbar.

Caritas sieht Pflegepersonal bei Corona-Schnelltests überlastet / © Harald Oppitz (KNA)
Caritas sieht Pflegepersonal bei Corona-Schnelltests überlastet / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was ist das Problem bei der Umsetzung? Sind die Schnelltests noch nicht da oder gibt es organisatorische Schwierigkeiten?

Detlef Silvers (Caritasverband für die Stadt Köln e. V., Geschäftsfeldleitung Alter und Pflege): Die Organisation des Ganzen gestaltet sich tatsächlich schwieriger, als man auf den ersten Blick meinen mag. Für den Caritasverband für die Stadt Köln reden wir im ambulanten und stationären Pflegebereich von rund 2.500 Nutzern, also Bewohnern in Pflegeeinrichtungen und ambulant versorgten Menschen.

Die Zielgruppe der Testungen wären inklusive der Besucher und Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen knapp 4.000 Menschen, die mit den Tests erreicht werden müssen. Daraus ergibt sich eine entsprechend hohe Anforderung an Ressourcen, sowohl im materiellen Bereich, bei der Verfügbarkeit der Tests wie auch im personellen Bereich bei der Durchführung der Testung.

DOMRADIO.DE: Das Personal muss erst geschult werden?

Silvers: Genau, das sieht die Testverordnung und die Vorgabe zu den Testungen vor, dass eine Einweisung der Mitarbeiter auf die Tests durch Ärzte erfolgen muss. Das ist durch die Einrichtung selber zu organisieren. Auch das ist einer der Vorläufe, die vor der Umsetzung der Tests durch uns bewerkstelligt werden muss.

DOMRADIO.DE: Wer übernimmt denn die Kosten für die Schnelltests? Ist das geklärt?

Silvers: Zum Teil. Es ist klar, dass es da eine Kostenerstattung für die Einrichtungen stationär und ambulant geben soll. Aus dem Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung ist es aber noch unstimmig, in welcher Höhe die Erstattungen dann tatsächlich erfolgen. Unser Hauptproblem ist tatsächlich die Verfügbarkeit der Mitarbeiter, die die Tests durchführen könnten. Die Idee hinter dem Angebot oder der Regelung zu den Schnelltest ist ja die, dass das Pflegepersonal der Einrichtung selber die Testung durchführt. Wir wissen, das besagen auch Studien, dass etwa 20 bis 30 Prozent Pflegepersonal fehlen, um gut pflegen zu können.

DOMRADIO.DE: Ist es denn damit, Ihrer Meinung nach, völlig unrealistisch, dass in einem Seniorenheim geschätzt 150 Tests pro Woche durchgeführt werden können, weil das Personal sowieso knapp ist und dann noch die Erkältungszeit und die Corona-Pandemie dazukommen?

Silvers: Genau, durch die Corona-Situation ist das Pflegepersonal gefordert - immer und permanent durch höhere Hygienemaßnahmen, durch regelmäßige Kontrollen von Symptomen bei Bewohnern.

Auch die Besuche, die sehr wichtig sind, sind anspruchsvoller als im Normalbetrieb. Wir müssen die Besucher erfassen, sie auf Symptome hin befragen und Temperatur messen. Das heißt, zu den Regelaufgaben gibt es sowieso auch ohne die Tests schon einen höheren Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter und für eine Mitarbeitergruppe. Das ist ein Dienst, der sowieso am Limit tätig ist, der chronisch unterbesetzt ist und jetzt zusätzliche Aufgaben wahrnehmen soll, für die aber kein zusätzliches Personal bereitgestellt wird und auch nicht auffindbar ist.

DOMRADIO.DE: Die Absicht war, dass Labore durch Corona-Schnelltests in den Einrichtungen entlastet werden. Das bedeutet nun eine zusätzliche Belastung des Pflegepersonals, wie Sie sagen. Gibt es denn eine denkbare Lösung?

Silvers: Die Herleitung dieser Tests ist ja erst einmal ein richtiger Ansatz: Wenn es uns gelingt, früher Menschen zu erkennen, die Träger des Corona-Virus sind, unterbinden wir damit das Ausmaß der Verbreitung. Gerade Bewohner einer Pflegeeinrichtung oder auch versorgte Menschen im ambulanten Pflegedienst sind natürlich besonders gefährdete Personen, und die Pflegeperson ist ein potenzieller Weiterträger des Virus. Durch mehr Tests früher nicht erkennbarer Infektionen - gerade asymptomatischer Infektionen - können diese erkannt und Maßnahmen schneller ergriffen werden. Das ist eigentlich ein guter Ansatz.

DOMRADIO.DE: Was wäre denn eine denkbare Lösung? Brauchen Sie zum Beispiel fitte Ehrenamtler?

Silvers: Ein Corona-Schnelltest besteht ja nicht einfach nur daraus, ein Stäbchen in den Mund zu legen, sondern ist tatsächlich ein Testvorgang wie beim normalen PCR-Corona-Test. Der Abstrich aus Mund- und Nasen-Rachenraum ist nur durch Personen durchführbar, die auch medizinische, pflegerische Vorkenntnisse haben, weil sie doch sehr invasiv in den Körper eines Menschen eingreifen.

Wer mal Corona-Tests miterlebt hat, weiß, dass es kein angenehmer Vorgang ist. Der muss schon durch Personen gemacht werden, die anatomisch so gebildet sind, dass sie wissen, wo sie da gerade im Körperinneren mit einem Teststäbchen arbeiten.

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie bräuchten medizinisches Personal?

Silvers: Wir bräuchten Labor-, Medizin-, Pflegepersonal, die so einen Test sachlich richtig und auch ohne Gefährdung für den Probanden durchführen. Da ist die Problematik. Eine Pflegeeinrichtung hat kein zusätzliches Personal, was diesen Test durchführen kann. Wir sind im Moment bemüht, zusätzliche Kapazitäten zu gewinnen, zu suchen, was schwierig ist. Es ist ja niemand auf der Straße, der aus dem Bereich kommt und arbeitslos ist. Wir versuchen also Menschen anzusprechen, die sich in Rente befinden, die jetzt vielleicht vorübergehend bereit und in der Lage wären, uns in einem solchen zusätzlichen Angebot zu unterstützen.

Was uns wirklich helfen würde, ist unser Ansatz, zu dem wir als Caritas auch mit dem Gesundheitsamt im Dialog sind, sich in der derzeitigen noch nicht gesicherten personellen Lage für die Umsetzung der Tests auf anlassbezogene Tests zu beschränken. Also dort, wo Menschen Symptome zeigen - Temperatur, Erkältungssymptome, sonstige übliche Auffälligkeiten, Geschmacksverlust und so weiter - diese Personen, insbesondere Bewohner und Mitarbeiter über Schnelltests zu screenen.

Das betrifft auch Besucher, die kommen und symptomhaft sind. Indem wir erhöhte Temperatur erkennen, filtern wir Leute, die aufgrund von Symptomen eben potenziell verdächtiger sind als jedermann. Das wäre eine Beschränkung, die uns helfen würde, die Anforderungen personell deutlich zu reduzieren. Die Erwartung, regelmäßig Reihentests bei allen Personen und auch bei allen Besuchern durchzuführen, ist aktuell gar nicht leistbar.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Desinfektionsmittelspender in einem Altenheim / © Jonas Güttler (dpa)
Desinfektionsmittelspender in einem Altenheim / © Jonas Güttler ( dpa )
Quelle:
DR