Caritas im Erzbistum Köln begrüßt Mindestlohn-Initiative der CDU

"Das Lohngefüge ist bereits durcheinander"

Einer der größten Arbeitgeber in Deutschland sind die Caritasverbände, einer der größten hier ist der im Erzbistum Köln. Diözesandirektor Frank-Johannes Hensel begrüßt den Mindestlohnvorstoß der CDU. Im domradio.de-Interview kritisiert er die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die zu der Debatte geführt haben.

 (DR)

domradio.de: Erstaunt Sie der Vorschlag der CDU zum Mindestlohn?

Hensel: Er erstaunt mich gar nicht, da insbesondere der das Thema jetzt hervorbringende Politiker schon seit Jahren für branchenbezogene Mindestlöhne eingetreten ist. Nur darf man dieses Wort so in der CDU ja nicht benutzen, da heißt es dann eben: untere Lohngrenze.



domradio.de: Was bedeutet ein echter Mindestlohn, von dem man wirklich leben kann, für Langzeitarbeitslose und Gering- und Nichtqualifizierte. Für die müsste man doch dann eigentlich andere Lösungen finden, oder?

Hensel: Das glaube ich nicht. Die Vermischung, die da jedes Mal stattfindet: dass, wenn die Löhne mit einem Leben gerecht würden und nicht noch eine Aufstockung mit Hartz-IV-Leistungen erfordern würden, Menschen dann schlechter arbeitet finden. Dass halte ich für eine Mär. Wir müssen uns Folgendes klar machen: 1,4 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten und verdienen dabei so wenig, dass sie sogar noch den untersten Sozialhilfesatz - und das ist es ja, was die Hartz-IV-Leistungen beinhalten - nicht zusammenbringen und also noch Geld von der öffentlichen Hand drauf bekommen müssen. D.h. die Löhne sind da nach unten weggerutscht, noch unter das Existenzminimum. Dem muss man politisch etwas entgegensetzen. Das ist in vielen Branchen ja schon gelungen, aber in einigen eben noch nicht. Und diese Lücke soll durch diesen Vorschlag geschlossen werden.



domradio.de: Kommt das Lohngefüge insgesamt dadurch durcheinander?

Hensel: Das Lohngefüge ist bereits durcheinander, sonst hätten wir dieses Phänomen nicht, dass weit über eine Million Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können. Wir erleben ja auch als seriöser Arbeitgeber Caritas, dass im Umfeld durch Dumpinglöhne Druck ausgeübt wird. Denn andere können ganz andere Angebote abgeben und gewinnen dadurch Ausschreibungen mit sehr, sehr schlechten Lohnverhältnissen. Wir sind dafür, dass es einen gerechten Lohn gibt, von dem man leben kann. Dafür treten wir ein, das tun wir auch in unseren Hauptbranchen. In der Pflege liegen wir ja deutlich über dem gesetzlich gefundenen Mindestlohn. Wenn sie ungelernte Pflegehilfskraft bei der Caritas sind, bekommen sie bei einer 40-Stunden-Woche im Westen 10, im Osten 9,35 Euro. Dazu kommen Kinderzulage, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Stufenaufstiege, zusätzliche Altersversorgung. Wir entlohnen ordentlich - und sind froh, wenn die unordentliche Entlohnung auf diese Weise noch mal weniger stattfinden kann, als das bis jetzt möglich ist.



domradio.de: Wird durch den Mindestlohn nicht auch die Schwarzarbeit gefördert?

Hensel: Ich halte das für unwahrscheinlich. Weil in den Branchen, in denen das jetzt eingeführt worden ist, gibt es ja kein neues, besonderes Schwarzarbeitsthema. Das ist nachher nicht schlimmer geworden als vorher. Es sind einfach ordentlichere Lohnverhältnisse geschaffen worden. Ich glaube auch, in Zeiten von Arbeitskräfte - und Fachkräftemangel ist eine gute Gesamtsituation, um hier zu gerechteren unteren Lohngrenzen zu kommen, als es sie bisher gibt, bzw. an einigen Stellen gab es ja offenbar nach unten noch kaum mehr ein Halten, sonst wäre es ja nicht nötig, dass es sich hier quasi amerikanisiert und Menschen mehrere Arbeitsstellen brauchen, um überhaupt über den Monat zu kommen. Und dass es nicht einfach nur eine Frage der Lohnhöhe ist, um sich überhaupt mal um Arbeit zu bemühen, das liegt ja auf der Hand, wenn so viele Menschen arbeiten, obwohl es nicht reicht. Sie tun das, weil sie am Leben teilhaben wollen, weil sie sich was wert sind.



domradio.de: In der Pflege gibt es seit 2010 einen Mindestlohn. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Hensel: Im Grunde eine gute, insofern als dass eine Befürchtung nicht eingetreten ist: die, dass sich die Kostenträger, die dem Krankenhaus, der Pflegeeinrichtung und der Behinderteneinrichtung die Löhne refinanzieren, an den Mindestlöhnen orientieren. Die liegen ja ein ganzes Stück unter den Caritas-Lohnverhältnissen. Und unsere Sorge war, dass man das jetzt als Luxus, den sich Dienstgeber selber verantworten und bezahlen müssen, betrachtet. Das ist tatsächlich aber nicht der Fall. Auch im öffentlichen Dienst liegt man ja darüber. Insofern hat es zum Glück diesen Abrutscheffekt nach unten nicht gegeben. Es ist eher positiv: dass wir nicht mir sittenwidrigen Dumpinglöhnen konkurrieren müssen bei Ausschreibungen.



Hintergrundinformation: Mit etwa 1,3 Millionen Arbeitnehmern sind die Kirchen in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem öffentlichen Dienst.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.