In der CDU nimmt die Debatte um den Mindestlohn mal wieder Fahrt auf

Streit um das "Allerheiligste"

Kaum stellt sich die Spitze der CDU hinter die Mindestlohn-Forderungen aus der Arbeitnehmerschaft, meldet sich der Wirtschaftsflügel der Partei zu Wort: Eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze widerspreche den Prinzipien der Marktwirtschaft.

 (DR)

Die Kehrtwende der CDU-Spitze zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohns stößt auf Kritik bei Arbeitgebern sowie im Wirtschaftsflügel der Union. Der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, Hans Michelbach (CSU), sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montagsausgabe), eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze widerspreche den Prinzipien der Marktwirtschaft. Ein Mindestlohn sei "ordnungspolitisch nicht vertretbar".



Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte am Montag im Deutschlandradio Kultur, die CDU habe einen Mindestlohn bisher aus guten Gründen abgelehnt. Dieser gefährde "in beträchtlichem Umfang" Arbeitsplätze. Hundt nannte die Überlegungen "außerordentlich bedenklich"



Christliche Arbeitnehmer sehen Mindestlohn als ihren Erfolg

Das programmatische Einschwenken der CDU-Führung wertet der Vorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) als einen Erfolg seiner Organisation. "Die Antragskommission konnte gar nicht über uns hinweggehen", sagte der ehemalige nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister, Karl-Josef Laumann, der Tageszeitung "Die Welt" (Montag). Zuvor hatte die CDA unter Laumanns Ägide einen Antrag zur Einführung einer allgemeinverbindlichen Lohnuntergrenze für den in zwei Wochen anstehenden Parteitag formuliert und an der Basis dafür geworben.



Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte Naumann, er sei froh, dass die CDU-Führung im Bund das Anliegen unterstütze. "Ich bin sicher, dass wir die Mehrheit der Delegierten dafür gewinnen", sagte der Vorsitzende der Düsseldorfer Landtagsfraktion. Ein Ja zum Mindestlohn beschädige die Identität seiner Partei keineswegs. "Es war nie das Allerheiligste der CDU, dass alle für 4,50 Euro arbeiten sollen."



Der CDU-Bundesparteitag soll Mitte November in Leipzig über einen Antrag aus dem Arbeitnehmerflügel entscheiden, der eine generelle Lohnuntergrenze vorsieht. Die Parteispitze unterstützt den Vorstoß. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe), auf Regionalkonferenzen der Partei sei ein großes Bedürfnis nach einer solchen Regelung zu spüren gewesen.



Eine Frage der Höhe

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe), die Frage sei nicht mehr, "ob wir einen Mindestlohn haben werden, sondern wie man die richtige Höhe aushandelt". Ziel sei eine "marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze, die weit weg vom Staat durch die Tarifparteien gefunden wird". Auch Laumann stellte in mehreren Interviews die geplante Beteiligung der Gewerkschaften heraus. "Wir dürfen die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften nicht aus der Verantwortung entlassen", sagte er im "Morgenmagazin" des ZDF.



Claus Matecki vom DGB-Vorstand sagte am Montag dem WDR, die Gewerkschaften begrüßten natürlich, dass sich in der CDU offensichtlich etwas bewege. "Wir machen jetzt seit sechs Jahren unsere Mindestlohnkampagne. Und vor sechs Jahren hat es in Deutschland überwiegend ablehnende Stimmen gegeben zu einem Mindestlohn."