Warum St. Andreas im Harz nicht gerettet werden konnte

Wenn Kirchen nicht mehr bebetet werden

Die Kirche ist erst 50 Jahre alt, aber ab Donnerstag keine mehr: St. Andreas in St. Andreasberg im Harz. Warum kein Weg an der Profanierung des Gebäudes vorbeiging, erläutert hier das zuständige Bistum Hildesheim. 

St. Andreas (bihi)
St. Andreas / ( bihi )

DOMRADIO.DE: 1967 ist Sankt Andreas geweiht worden, weil die Kapelle damals zu klein geworden war. Klären wir erst mal, warum die Kirche jetzt über 50 Jahre später wieder aufgegeben wird. Zu groß?

Dr. Christian Hennecke (Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim): Erheblich zu groß. Der Ort St. Andreasberg hat insgesamt 1600 Einwohner und ist wie der gesamte Harz demographisch an einem Punkt, der sehr schwierig ist. Da ziehen immer mehr Leute weg, die Leute werden immer älter und die Zahl der Katholiken ist noch viel kleiner. Das sind vielleicht noch 80 oder 90 Katholiken, kirchlich engagiert waren zum Schluss vielleicht noch sechs oder sieben Leute. Da können Sie weder in einer so großen Kirche gut Gottesdienste feiern, noch können Sie das Gemeindezentrum pflegen und bewirtschaften mit den Menschen, die dort vor Ort sind. Hinzu kommt: Das sind vor allem Menschen weit über 70 oder 80, die uns gesagt haben, sie kommen im Winter sowieso nicht da hoch. Das Gebäude liegt nämlich am höchsten Punkt. Und das ist ein Schneegebiet und zu gefährlich im Winter. Sie gehen dann lieber in die evangelische Kirche.

DOMRADIO.DE: Und dann sollen auch die Kosten eingespart werden?

Hennecke: Wir wollen eigentlich ungern Kirchen schließen, weil Kirchen ja Orte des Gebetes und der innersten Begegnung mit Christus und mit dem Glauben sind. Und deswegen kommen da immer nur Immobilien in Frage, die nicht mehr genutzt werden und schon gar nicht gerne Kirchen. Aber wenn Kirchen nicht mehr bebetet werden, wenn in Kirchen einfach nichts mehr stattfindet, wird das Ganze auf Dauer schwierig. Wenn dann größere Bauarbeiten anstehen, fragt man sich: Für was investieren wir hier das Geld der Steuerzahler?

DOMRADIO.DE: Profanierung ist der Fachbegriff für das, was da am Donnerstag geschehen wird. Das Gebäude ist dann danach kein Ort für Gottesdienste mehr. Wie kann man sich so eine Entweihung vorstellen?

Hennecke: Das ist eine liturgische Handlung, ein Gottesdienst, der feierlich gehalten wird und in dem dann gesagt wird: Diese Kirche ist jetzt in Zukunft nicht mehr ein Gotteshaus. Es ist ja ein besonderer Ort, den kann man nicht nur einfach zuschließen. Das ist natürlich kein fröhlicher Gottesdienst, eher ein trauriger. Wir haben vorher auch alles Mögliche versucht, wie da in Zukunft Leben als Gemeinschaft von Gläubigen möglich sein könnte. Aber wenn alle Gremien zugestimmt haben und einfach deutlich wird, dass da auch kein Leben mehr ist, dann ist das sinnvoll zu sagen: Dieses Haus werden wir auch von der Baulast her nicht erhalten können. Und deswegen versuchen wir es anders zu verwenden oder zu verkaufen.

DOMRADIO.DE: Die Kirche ist verkauft worden an die Tourismus GmbH. Was hat die denn vor mit dem Gebäude?

Hennecke: Ich bin nicht sicher, ob der Verkauf schon abgeschlossen ist. Es ist ja nicht nur eine Kirche, es ist ein ziemlich großes Gemeindezentrum, in dem früher auch Jugendgruppen übernachtet haben. Und von daher gibt es Interessen der Stadt, die keine großen Räume hat. St. Andreasberg ist ein touristischer Ort. Wir achten sehr darauf als Bistum, dass das keine Turnhalle wird oder so, sondern dass das schon auch angemessene Orte für soziale Begegnungen sein können. Denn so etwas sucht auch die Stadt.

DOMRADIO.DE: Die kleine Kapelle in St. Andreasberg ist schon in den 80er Jahren verkauft worden. Mittlerweile ist darin ein Restaurant. Wenn jetzt die zweite Kirche weggegeben wird und auch einem weltlichen Zweck dient, ist das eigentlich ein Wiederholungtrauma?

Hennecke: Die Kirchengemeinde St. Benno im Bad Lauterberg ist eine immer kleiner werdende Gemeinschaft von katholischen Gläubigen. Natürlich gibt es auch Touristen, aber Touristen sind tendenziell ja nicht alle kirchlich geprägt. Das heißt mit anderen Worten: Die Frage, wie die Christinnen und Christen da vor Ort mit umgehen, hat auch damit zu tun, dass sie noch Orte haben, an denen sie auch in Schönheit und Würde Gottesdienst feiern können. Und auch in einer Zahl zusammenkommen, die den Kirchraum nicht leer erscheinen lässt. Und insofern haben wir das schon sehr intensiv mit der Pfarrei gemeinsam überlegt, wie wir das für alle gestalten können. Und selbst die, die bis zum Schluss sehr intensiv an der Kirche gehangen haben, haben am Ende eingesehen: Sie haben einfach nicht mehr die Kraft, das zu gestalten, zu pflegen und auch nicht geistlich zu prägen.

DOMRADIO.DE: Wenn dann diese Profanierung gelaufen ist, wird dann erst mal abgeschlossen und niemand kann mehr hinein. Schlüssel weg?

Hennecke: Das wird so sein. Ja.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim / © privat
Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim / © privat
Quelle:
DR