Bistum Aachen startet Dialogprozess mit Kirchendistanzierten

"Heute bei dir"

Überalterte Gemeinden, zu große kirchliche Strukturen - Aachens Bischof Helmut Dieser sieht großen Handlungsbedarf für seine Diözese. Zuvor will er aber in einem dreijährigen Beratungsprozess die Lage analysieren.

Autor/in:
Andreas Otto
Bistum Aachen stellt Eckpunkte des "Heute bei dir"-Prozesses vor / © Marius Becker (dpa)
Bistum Aachen stellt Eckpunkte des "Heute bei dir"-Prozesses vor / © Marius Becker ( dpa )

Von Kirchenfernen lernen. So lässt sich die Zielrichtung für den vom Bistum Aachen geplanten Gesprächs- und Veränderungsprozess beschreiben. Bereits in seiner Silvesterpredigt hatte der Aachener Bischof Helmut Dieser den auf drei Jahre angelegten Dialog über die Zukunft der Kirche angekündigt. Am Montag erläutern der Bischof und sein Generalvikar Andreas Frick, was sie sich konkret vorstellen.

Dieser ist seit etwas mehr als einem Jahr Aachener Bischof. Während seiner Antrittsbesuche in den verschiedenen Regionen seien immer wieder Erwartungen formuliert worden, sich mit Blick auf die künftige Gestaltung der Seelsorge zu positionieren, erklärt er.

Doch für Entscheidungen - etwa was Pfarreistrukturen angesichts rückläufiger Gläubigen- und Priesterzahlen anbetrifft - sieht Dieser die Zeit noch nicht reif. Zunächst möchte er in einem breiten Beratungsprozess die Lage einer eingehenden Prüfung unterziehen. Dabei setzt er aber nicht auf die vorhandenen kirchlichen Gremien wie Priester- oder Diözesanrat, sondern auf Menschen, "die skeptisch auf uns schauen" und mit Blick auf Kirche "viel mehr Fragen als Antworten haben".

Finger in die Wunden

Warum der Bischof ausgerechnet diese Form der synodalen Beratung "quer zu den bestehenden Zuständigkeiten" wählt, wird aus seiner Analyse der kirchlichen Situation deutlich. Schonungslos legt er die Finger in die Wunden: Die Gemeinden seien überaltert, die Pfarreistrukturen viel zu groß geworden. Und wer Katholik ist, lebe seinen Glauben längst nicht mehr in den festen Bahnen früherer Generationen mit regelmäßigem Beichtrhythmus oder anderen Verbindlichkeiten. "Die Selbstverständlichkeit katholisch vorgegebener Formen der Sozialisation ist flüchtig geworden", so der Bischof.

Seine Schlussfolgerung lautet: "Es muss gesprochen werden." Gerade mit jenen Menschen, die mit der Kirche hadern, sollen sagen, wie Gemeinden, Caritas, kirchliche Schulen oder Kindergärten sich bewegen sollen, um mit ihrer Seelsorge bei den Menschen anzukommen. Bei dem Dialog geht es also um die Frage, wie die Kirche den einzelnen Menschen mit seinen persönlichen Fragen ansprechen kann. Entsprechend steht das Projekt unter dem Leitwort "Heute bei dir".

Konkret plant die Bistumsspitze Beratungsgruppen zu 13 Themengruppen; im Laufe des Prozesses könnten laut Frick aber weitere dazukommen.

Nach Ostern werde die Mitarbeit für die konkreten Handlungsfelder ausgeschrieben. Bewerben könne sich jeder, der aus Freude am Evangelium die Kirche mitgestalten wolle. Eine Lenkungsgruppe mit neun Mitarbeitern aus dem Generalvikariat und der Seelsorge entscheide unter Vorsitz des Generalvikars über die Teilnehmer der Beratungsgruppen, hieß es.

Dialogprozess mit drei Phasen

Der Dialogprozess erstreckt sich bis in das Jahr 2020 und sieht drei Phasen vor. Die Bistumsgremien wie Diözesan- oder Priesterrat haben das Projekt nicht mitgeplant, sollen aber in die Bewertungen der Zwischenergebnisse einbezogen werden. Neben der Arbeit in kleinen Gruppen soll es auch große Dialogformate wie Foren geben. Begleitend plant die Bistumsspitze Umfragen zu den einzelnen Themenfeldern.

Die Erörterung der Pfarreistrukturen sei Teil des Prozesses, betont der Bischof. Dieses Thema mit seinen finanziell drängenden Fragen solle die Beratungen aber nicht beherrschen und erst am Ende besprochen werden. Hier sieht der Bischof die Kirche vor einem Spagat. Die für das früher stark in der Gesellschaft verankerte Christentum ausgelegten Pfarreistrukturen könnten in dieser Weise nicht mehr aufrechterhalten werden. Umgekehrt gelte es, die lokale Präsenz der Kirche zu erhalten. Notwendig sei daher künftig eine Mischung aus lokalen wie überörtlichen Seelsorgeangeboten.

Der Bischof hat nach eigenen Worten bewusst nicht das im Kirchenrecht verankerte Format der Synode gewählt. In diesem Fall wäre genau vorgegeben gewesen, welche kirchlichen Personen und Gremien an den Beratungen zu beteiligen sind. Dann wären nur die Zuständigkeiten abgebildet worden, die heute ohnehin schon existierten, so Dieser. "Unser Prozess will darüber hinaus gelingen."


Bischof Helmut Dieser / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Helmut Dieser / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA