Urteil im zweiten Stiftskreuzprozess

Freispruch

Das Landgericht Münster hat im zweiten Stiftskreuzprozess einen als Mittäter angeklagten Türken in der Hauptsache freigesprochen. Eine Wahrheitsfindung sei nicht möglich gewesen, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündigung.

Borghorster Stiftskreuz / © Caroline Seidel (dpa)
Borghorster Stiftskreuz / © Caroline Seidel ( dpa )

Wegen Begünstigung erhielt der 42-Jährige aber eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Als Begünstigter gilt der unbekannte Empfänger der 100.000 Euro, die die Versicherung zur Rückerlangung des Borghorster Stiftskreuzes gezahlt hatte.

Damit folgte das Gericht weitgehend dem Antrag der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von drei Jahren wegen Mittäterschaft gefordert. Gegen das Urteil ist Revision möglich (Az 3KLs 11/16).

Widersprüche bei Zeugenaussagen

Der Prozess ging über acht Verhandlungstage. Zwei der drei Diebe hatten den Angeklagten beschuldigt, sie mit dem Raub beauftragt zu haben. Der Angeklagte selbst hatte das bestritten. Er habe von den Raub erst durch einen an der Tat beteiligten Neffen erfahren und sei nicht der Auftraggeber. Vielmehr habe er den Ankauf des Diebesguts für 150.000 Euro vermittelt und selbst ein Drittel der Summe beigetragen.

In der Urteilsbegründung sagte der Richter, in der Verhandlung hätten "nicht alle alles gesagt, was sie wussten". Das beziehe sich auf den Angeklagten, den Verteidiger und die bereits als Diebe verurteilten Zeugen. Besonders letztere hätten sich in Widersprüche verwickelt.

Zudem sei deren Motivation, den Beschuldigten als Auftraggeber zu belasten, nicht eindeutig nachzuvollziehen. Es könne sein, dass sie sich dazu entschieden hätten, um Straferleichterungen zu erreichen. Zudem habe es Streitereien "zwischen den Lagern" gegeben. Die zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten Diebe gehören einem libanesisch-arabischen Clan in Bremen an.

Rolle des Anwalts der Kirche "wenig hilfreich"

Als wenig hilfreich bezeichnete der Richter auch die Rolle des Anwalts der Kirche, der Absprachen mit den Dieben in der Justizvollzugsanstalt getroffen und für die Versicherung ein Lösegeld ausgehandelt habe. Das sei aber keine Kritik am Handeln des Anwalts, so der Richter. Dieser habe nun einmal den Auftrag gehabt, das Stiftskreuz unversehrt zurückzubringen. "Wir haben es versucht", resümierte der Richter. Die Wahrheit über die Vorgänge lasse sich mit Mitteln des Gerichts in diesem Fall aber nicht ermitteln.

Das Borghorster Stiftskreuz, eine kunstvolle Goldschmiedearbeit aus dem 11. Jahrhundert, war im Oktober 2013 aus der Nikomedes-Kirche im münsterländischen Steinfurt-Borghorst gestohlen worden. Erst Mitte Februar diesen Jahres konnte das Kreuz, das als Zeugnis sakraler Kunst aus der Salierzeit gilt, unbeschädigt wiederbeschafft werden.

Dazu wurde ein von der Versicherung Provinzial Rheinland gestelltes Lösegeld von 100.000 Euro vom Anwalt des Beschuldigten an einen Unbekannten übergeben.


Münsters Bischof Felix Genn präsentiert das wiedergefundene Stiftskreuz / © Harald Oppitz (KNA)
Münsters Bischof Felix Genn präsentiert das wiedergefundene Stiftskreuz / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA