Bistum Hildesheim verteidigt Umgang mit Missbrauchsvorwurf

Fragen der Plausibilität

Das Bistum Hildesheim hat seinen Umgang mit einem weiteren Missbrauchsvorwurf gegen den früheren Bischof Heinrich Maria Janssen verteidigt. Aktuell wendet sich das Bistum gegen die Darstellung eines von "Focus online" veröffentlichten Falles.

Symbolfoto sexueller Missbrauch / © Uwe Zucchi (dpa)
Symbolfoto sexueller Missbrauch / © Uwe Zucchi ( dpa )

In dem Fall einer heute 61-jährigen Frau könne nicht von einer Plausibilität der Schilderungen ausgegangen werden, sagte der Hildesheimer Domkapitular Martin Wilk der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Beraterstab des Bistums habe den Antrag der Frau deshalb abgelehnt. Sie hatte angegeben, als Zweijährige vergewaltigt worden zu sein. Allerdings wird dieser Fall genau wie andere Vorwürfe gegen den ehemaligen Bischof von unabhängigen Gutachtern weiter untersucht.

Welche Erinnerungen können Zweijährige haben?

Es sei in der Fachwelt nahezu Konsens, dass sich niemand als Erwachsener an etwas erinnern könne, was im Alter von zwei Jahren geschehen ist, sagte Wilk. Dies allein sei aber nicht maßgebend gewesen für die Einstufung als "nicht plausibel". Vielmehr gebe es mehrere Details in der Schilderung der Frau, die sich widersprächen.

Das betreffe Orte, Zeiten, die An- oder Abwesenheit von Personen sowie weitere Umstände zum fraglichen Zeitpunkt. Einzelheiten könne er mit Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz der Frau nicht ausführen. Wilk ist Geschäftsführer des Bischöflichen Beraterstabs im Bistum Hildesheim, dem auch Pädagogen, Psychologen und Juristen angehören.

Laut "Focus online" schildert die Frau, Janssen habe sie 1957 bei einem Besuch im damaligen Spätaussiedlerlager Friedland vergewaltigt. In der Folge seien bei ihr seelische und körperliche Beschwerden aufgetreten. Allerdings habe ihr erst eine Bedrohung "im beruflichen Umfeld" vor etwa fünf Jahren "den Zugang zu ihrer Vergangenheit geöffnet". Schließlich sei ihr beim Anblick "einer Art Kirchen-Chronik" während eines Besuchs in Friedland das Gesicht Janssens auf einem Foto aufgefallen, den sie als den "Mann aus meinen Gedanken" erkannt habe. Daraufhin habe sie im November 2015 Antrag auf Anerkennung ihres Leides gestellt.

Bistum lässt Vorwürfe prüfen

Janssen war vor einem Jahr vorgeworfen worden, zwischen 1958 und 1963 einen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Das mutmaßliche Opfer erhielt eine Anerkennungszahlung von 10.000 Euro durch das Bistum.

Diese Zahlung sei aber nicht mit einer Bestätigung der Tatabläufe verbunden, hieß es weiter; für Janssen gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Vor wenigen Wochen erhob ein weiterer Mann die Anschuldigung, er sei als Junge von Janssen unsittlich berührt worden.

Das Bistum Hildesheim lässt alle Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Bischof durch unabhängige Gutachter des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) in München klären. Deren Mitarbeiter prüfen auch, ob es neben den bereits bekannten Verdachtsfällen weitere Hinweise auf sexuelle Übergriffe durch Janssen gibt. Zudem sollen die Gutachter auch den bisherigen Umgang des Bistums mit den Missbrauchsvorwürfen bewerten.


Heinrich Maria Janssen (KNA)
Heinrich Maria Janssen / ( KNA )
Quelle:
KNA