Erzbischof Zollitsch will in Fulda offen über Zukunft der Kirche diskutieren

Die Krise als Wendepunkt

Nach dem Missbrauchsskandal kommt Bewegung in die Debatte über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda hielt der Konferenz-Vorsitzende Robert Zollitsch vor seinen Mitbrüdern ein Referat geprägt von radikaler bischöflicher Selbstkritik.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Nicht nur, dass der Freiburger Erzbischof erneut Fehler der Kirche bei der Bewältigung des Missbrauchsskandals, eine wenig brüderliche Binnenkommunikation und einen großen Vertrauensverlust nach außen einräumte. Die Krise reicht nach seiner Analyse tiefer. "Man sagt über die Kirche - und meint oft konkret uns Bischöfe -, wir würden zu sehr als Wissende und Lehrende und zu wenig als Lernende auftreten", so die Bilanz des Freiburger Erzbischofs. "Man sagt, unsere eigene Lebenswelt sei zu weit entfernt von der Lebenswelt der Menschen."



Zur Glaubwürdigkeitskrise ebenfalls beigetragen hat nach Ansicht des Erzbischofs "eine folgenschwere Verengung des Verständnisses vom Menschen. Wir vergessen zu oft die Schwäche und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Wir lassen uns allzu sehr von einem unrealistischen Optimismus leiten." Die Kirche müsse sich mehr auf eine "Theologie des Scheiterns" besinnen. Und Zollitsch fragt mit Blick auf den Missbrauchsskandal: "Haben wir nicht das Bild unserer selbst und der Priester so stilisiert, dass der menschliche Abgrund übersehen wurde, vor dem unausweichlich auch der geweihte Mensch steht?"



Klar ist für den Erzbischof auch, dass der Missbrauchsskandal eine Reihe von Themen nach oben gespült hat, die im Kirchenvolk schon lange virulent sind: "Zum Beispiel bohrende Zweifel an der einen oder anderen Lehre der Kirche - etwa im Bereich der menschlichen Sexualität." Viele stellten auch die Ehelosigkeit der Priester oder katholische Positionen in der Ökumene massiv in Frage. Die Bischöfe müssten sich entscheiden, wie sie mit diesen auch unangenehmen Fragen umgingen.



Offene Türen für Offensive

Zollitschs Vorschlag: Er plädiert für einen "breiten Reflektionsprozess" von Bischöfen, Priestern und Laien in der Bundesrepublik. "Warum sollten wir nicht dazu einladen, dass sich viele in Wahrhaftigkeit, Mut und Klugheit an diesem Nachdenken beteiligen - und zwar die Priester, Diakone, Ordensleute und die Laien, die oft Experten sind. Das Konzil hat es den Laien ausdrücklich aufgetragen, ihren Sachverstand zum Wohl der Kirche einzubringen." Wie dieser Gesprächsprozess konkret aussehen soll, ließ der Erzbischof noch offen. Offen ist auch, ob die Zeit für einen solchen Prozess schon reif ist und ob der Vorsitzende für seine Vorschläge die Zustimmung seiner Mitbrüder erhält. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der sogenannten Steuerungsgruppe zu, die aus den vergleichsweise jungen Bischöfen Reinhard Marx (München), Franz-Josef Overbeck (Essen) und Franz-Josef Bode (Osnabrück) gebildet wurde.



Bode hat einen Dialogprozess auf Bistumsebene bereits in Gang gesetzt. Eine Versammlung von 60 Vertretern der Bistumsspitze, des Priesterrates sowie verschiedener Gremien und Berufsgruppen traf sich vergangene Woche unter dem Motto "Vertrauen- Kirche -Zukunft". Man habe Möglichkeiten erörtert, wie verloren gegangenes Vertrauen in die Kirche wiederhergestellt werden könne, so Bode, der auch Vorsitzender der Pastoralkommission der Bischofskonferenz ist. So soll etwa geprüft werden, wie Frauen stärker in kirchliche Leitungsfunktionen eingebunden werden können. In Fragen der Sexualität plädierte der Bischof für einen "angstfreien" Dialog. Die Menschen würden mit ihren verschiedenen Lebensentwürfen ernst genommen, gleichzeitig müsse die Kirche aber auch ihre Werteorientierung besser vermitteln.



Offene Türen dürften die dialogwilligen Bischöfe mit ihrer Offensive beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken einrennen. Dessen Präsident Alois Glück fordert schon seit längerem ein gemeinsames Forum, um über die Zukunft der Kirche in Deutschland zu beraten. Die Kirche müsse sich wieder darauf besinnen, wie sie den Menschen von heute dienen könne. Auf dieses Ziel müssten alle Strukturen, Ämter und Aufgaben ausgerichtet werden.

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