Benedikt XVI. in Mexiko

Missbrauchsthema erreicht Papstreise

Die Schatten kirchlicher Missbrauchsskandale haben nun auch die die Papstreise nach Lateinamerika erreicht. Opfer der in Mexiko gegründeten Ordensgemeinschaft "Legionäre Christi" beklagen eine fehlende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Der Vatikan weist die Vorwürfe zurück.

 (DR)

Bei einer Pressekonferenz am Rande des Papstbesuches in Mexiko-Stadt hieß es, der damalige Kardinal Joseph Ratzinger habe als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation die Aufklärung behindert. Zugleich kritisierten die Opfer, dass es während des Mexiko-Besuchs des Papstes zu keinem Treffen komme.

Vatikansprecher Federico Lombardi wies die Vorwürfe zurück. Weder der heutige Papst Benedikt XVI. noch Johannes Paul II. hätten 1998 vom Doppelleben des Legionäre-Christi-Gründers Marcial Maciel Degollado (1920-2008) gewusst, sagte Lombardi am Samstagabend Ortszeit (Sonntagmorgen MESZ) vor Journalisten in Leon. Es sei ungerecht, Benedikt XVI. als einen Papst zu bezeichnen, der gegen Wahrheit und Transparenz sei.

Auch Kardinal Jose Francisco Robles Ortega verteidigte das Kirchenoberhaupt: "Wenn ein Papst jemals mit aller Energie und Realismus diesem Problem begegnet ist, dann Benedikt XVI.", zitiert die Tageszeitung "El Manana" den Erzbischof von Guadalajara. Es sei unmöglich, ihm eine Komplizenschaft vorzuwerfen.

Lombardi stellte klar, dass es im Vorfeld der Mexiko-Reise keine Anregungen und Planungen für ein solches Treffen gegeben habe - ähnlich wie schon bei den Papstbesuchen in Portugal oder Frankreich. Zugleich kritisierte er eine gewisse "Aggressivität" und "Doppeldeutigkeit" der Maciel-Opfer in dieser Frage. "Man sagte, dass man den Papst treffen wolle, wollte ihm aber nicht ehrlich zuhören". In Ländern, wo es früher solche Treffen gegeben habe, hätten die Bischöfe im Vorfeld darum gebeten und es habe Vorbereitungen gegeben. Solche Begegnungen seien in einen Dialogprozess eingebettet gewesen, in den die Kirche einbezogen war und die Opfer betreute.

Legionäre distanzieren sich von Gründer
Dem Mexikaner Maciel wurde seit 1997 vorgeworfen, junge Seminaristen sexuell missbraucht zu haben. Unter dem neuen Papst Benedikt XVI. maßregelte der Vatikan den Geistlichen 2006 und verpflichtete ihn zu einem zurückgezogenen Leben in Gebet und Buße. Mit Rücksicht auf sein Alter und seinen schlechten Gesundheitszustand verzichtete die Glaubenskongregation auf ein kirchenrechtliches Strafverfahren. Später bestätigten sich Vorwürfe, dass Maciel ein Doppelleben geführt und mehrere Kinder gezeugt hatte. Im Mai 2010 attestierte der Vatikan Maciel ein "objektiv unmoralisches Verhalten". Der Orden distanzierte sich von seinem Gründer.

Bei einer Rede vor Kindern am Samstagabend in Guanajuato forderte Benedikt XVI. am Samstagabend (Ortszeit) einen besseren Schutz und mehr Fürsorge für Kinder. Insbesondere beklagte er in Anspielung auf die Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre, dass Kinder Opfer von Gewalt würden. Familien, Kirche, Schulen und Gesellschaft müssten gemeinsam sicherstellen, dass das Lächeln der Kinder "durch nichts ausgelöscht" wird.

Die Maciel-Opfer zeigten auch Unverständnis für jüngste Äußerungen des Vorsitzenden der Mexikanischen Bischofskonferenz. Erzbischof Carlos Aguilar Retes hatte wenige Tage vor dem Papstbesuch erklärt, den mexikanischen Bischöfen seien die Namen der Opfer nicht bekannt. Es sei auch niemand an sie herangetreten.

Der Sprecher des Opferverbandes SNAP, Joaquin Aguilar, erklärte, er sei vor wenigen Tagen selbst in der Diözese des Vorsitzenden, Tlalnepantla gewesen, um einen besonders dramatischen Fall zu schildern; dort habe man ihn jedoch nicht empfangen wollen. "In Mexiko wollen sie die Politik des Schweigens leider fortsetzen", so Aguilar im Beisein zahlreicher prominenter Journalisten: "Wir hoffen, dass die Kirche als Institution jetzt anfängt uns wahrzunehmen."

Der ehemalige Geistliche und Buchautor Alberto Athie forderte Benedikt XVI. auf, sich persönlich bei den Opfern zu entschuldigen. Ein im Rahmen der Pressekonferenz vorgestelltes Buch mit dem Titel "Die Freiwilligkeit, nichts zu wissen" soll nach Angaben der Buchautoren Dokumente beinhalten, die belegen, dass der Vatikan und auch Ratzinger als Kurienkardinal bereits seit Jahrzehnten über die Missbrauchsfälle bei den "Legionären" informiert gewesen sein sollen, ohne entsprechend zu reagieren.