Papst lobt Christen für Widerstand in der DDR

"Gewonnene Freiheit verantwortlich gestalten"

Mit einer feierlichen Messe auf dem Erfurter Domplatz hat Papst Benedikt XVI. von den Gläubigen im Bistum Erfurt Abschied genommen. In seiner Predigt würdigte er das Engagement vieler Christen in der DDR-Zeit und lobte ihren Widerstand gegen das Regime: "Besonders im Eichsfeld widerstanden viele katholische Christen der kommunistischen Ideologie."

 (DR)

Viele seien trotz aller Bedrängnis Christus und der Kirche treu geblieben. "Sie haben persönliche Nachteile in Kauf genommen, um ihren Glauben zu leben." Die politischen Veränderungen des Jahres 1989 seien "nicht nur durch das Verlangen nach Wohlstand und Reisefreiheit motiviert" gewesen, sondern auch "entscheidend durch die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit". Diese Sehnsucht, so der Papst, "wurde unter anderem durch Menschen wachgehalten, die ganz im Dienst für Gott und den Nächsten standen und bereit waren, ihr Leben zu opfern".



Am Rande der Papstmesse war es zu einem Zwischenfall gekommen. Ein Mann habe an einer der Einlass-Schleusen wahrscheinlich mit einem Luftgewehr auf einen Sicherheitsbeamten geschossen. Der Vorfall habe sich vor dem Beginn der Messe wenige hundert Meter vom Domplatz entfernt ereignet, sagte ein Polizeisprecher. Nach Angaben des Innenministeriums wurde der Mann nicht ernsthaft verletzt.



Tausende Pilger strömten schon am frühen Morgen zum Domplatz

Es war die erste Papstmesse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Fast 30.000 Menschen waren auf dem Erfurter Domplatz. Viele von ihnen warteten schon in den frühen Morgenstunden auf die Messe. Die Nachfrage war sehr viel größer. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen ließen jedoch nicht mehr Menschen zu.



Vor dem Gottesdienst fuhr Benedikt XVI. mit dem "Papamobil" über den Platz und grüßte die Gläubigen. Angekündigt waren auch 80 Kardinäle und Bischöfe, von denen 15 mit dem Papst am Altar zelebrieren sollten. Der Altar stand auf einer Bühne von 18 Meter Höhe und ist nach den Maßen des Domchors gefertigt. Der Dom und die Severikirche im Hintergrund bildeten eine imposante Kulisse.





Benedikt XVI. äußerte sich in seiner Predigt auch kritisch zur Entwicklung nach dem Fall der Mauer. Zwar habe die neue Freiheit geholfen, dem Leben der Menschen größere Würde und vielfältige neue Möglichkeiten zu eröffnen. "Aber haben diese Möglichkeiten uns auch ein Mehr an Glauben gebracht?", fragte der Papst. "Ist der Wurzelgrund des Glaubens und des christlichen Lebens nicht ganz woanders als in der gesellschaftlichen Freiheit zu suchen?"



Papst: Mehrzahl der Menschen lebt fern vom Glauben

Immer noch, so das Kirchenoberhaupt, seien viele Spätfolgen der braunen und der roten Diktatur aufzuarbeiten, die für den christlichen Glauben "wie saurer Regen" gewirkt hätten. So lebe "die Mehrzahl der Menschen in diesem Lande mittlerweile fern vom Glauben an Christus und von der Gemeinschaft der Kirche". Deshalb rief der Papst alle Christen zu einem offensiven Bekenntnis auf: "Wir wollen uns nicht in einem bloß privaten Glauben verstecken, sondern die gewonnene Freiheit verantwortlich gestalten."



Ausdrücklich bedankte sich Benedikt XVI. bei allen Priestern und kirchlichen Mitarbeitern aus der DDR-Zeit. Aufrichtiger Dank gelte zudem allen Eltern, die "in einem kirchenfeindlichen politischen Umfeld ihre Kinder im katholischen Glauben erzogen haben". Auch in der Flüchtlingsseelsorge hätten viele Geistliche und Laien "Großartiges geleistet, um die Not der Vertriebenen zu lindern und ihnen eine neue Heimat zu schenken".



Benedikt XVI. empfiehl heilige Elisabeth als Vorbild

In seiner Predigt verwies der Papst außerdem auf die Vorbildfunktion der Heiligen, deren Glaubenszeugnis auch heute Mut machen könne zu einem neuen Aufbruch. Ausdrücklich nannte er die heilige Elisabeth, die auch von evangelischen Christen sehr geschätzt werde.



In einem mehrfach von Beifall unterbrochenen Grußwort zu Beginn des Gottesdienstes nannte der Erfurter Bischof Joachim Wanke den ersten Papstbesuch in Ostdeutschland ein Zeichen der Ermutigung für alle ostdeutschen Katholiken, die in der Zeit des Sozialismus das katholische Bekenntnis des Glaubens treu bewahrt hätten. "Gemeinsam mit den evangelischen Christen sind wir bemüht, den Himmel offen zu halten für alle, die hier leben", sagte Wanke.



Zum Abschluss der Messe sollte die "Gloriosa" des Doms erklingen, die größte frei schwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Sie wird nur an wenigen Kirchenfesten jährlich geläutet, zudem zu seltenen bedeutenden Ereignissen wie dem Tag der Wiedervereinigung 1990.



Der gut 24-stündige Besuch von Papst Benedikt XVI. in Thüringen kostet das Bistum Erfurt rund 11 Millionen Euro. 2,5 Millionen Euro wurden aufgebracht, um die technischen Voraussetzungen für die Eucharistiefeier am Samstagvormittag auf dem Erfurter Domplatz zu schaffen. An der Finanzierung des Papstbesuchs beteiligen sich auch der Staat und alle 27 deutschen Bistümer. Die Gesamtkosten der viertägigen Visite werden auf rund 30 Millionen Euro geschätzt.