Alois Glück zum Dialogprozess und dem Besuch des Papstes

"Nicht so ängstlich sein'"

In dreieinhalb Monaten kommt Papst Benedikt XVI. nach Deutschland. Er trifft dort auf eine katholische Kirche, die sich in einem komplizierten Verständigungsprozess über ihren künftigen Kurs befindet. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach in München mit Alois Glück darüber, wie beide Ereignisse miteinander zusammenhängen. Der 71-Jährige ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

 (DR)

KNA: Herr Glück, wie kommt der Dialog in der katholischen Kirche Deutschlands voran?

Glück: Ich bin angenehm überrascht, in wie vielen Diözesen, Verbänden und Gemeinschaften der Prozess schon im Gang ist. Viele Themen, die in den letzten 20 Jahren verdrängt wurden, sind aufgebrochen und werden offener diskutiert. Unabhängig vom strukturierten Dialog zwischen dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Deutschen Bischofskonferenz hat sich die Situation bereits verändert. Auch wenn die Entwicklung in den Diözesen unterschiedlich ist.



KNA: Lässt sich abschätzen, wo es zu konkreten Ergebnissen kommt?

Glück: Nein. Wenn vorher schon feststünde, was am Ende rauskommen muss, würden wir das verfehlen, was Dialog meint, nämlich das beiderseitige Offensein, einander zuzuhören und bereit zu sein, sich auch selbst zu verändern. Das gilt für alle Beteiligten, nicht nur für die Amtsträger. Ich sehe durchaus Handlungsspielräume innerhalb des geltenden Kirchenrechts. Da wird sicher einiges in Gang kommen, auch wenn manche Bischöfe noch besorgt abwarten. Wir brauchen erste Ergebnisse in ein bis zwei Jahren. Zumindest muss spürbar werden, dass es ein konstruktiver Prozess ist, sonst wird sich schnell Enttäuschung und Resignation breitmachen.



KNA: Im September kommt der Papst nach Deutschland. Welche Bedeutung hat sein Besuch für den Dialogprozess?

Glück: Der Heilige Vater hat ein Mammutprogramm vor sich. Etwa 17 Reden wird er halten, dazu kommen so viele Termin- und Gesprächswünsche, dass keine Zeit bleibt für intensive Beratungen.

Trotzdem kann der Besuch ein wichtiger Impuls sein für die Kirche in Deutschland und weltweit. Das hängt stark davon ab, welche Zeichen und Akzente in seinen Reden Benedikt XVI. setzt. Besondere Hoffnungen sind mit der Ökumene verbunden.



KNA: Die große Nachfrage nach Karten für die Teilnahme an Papstmessen hat die Deutsche Bischofskonferenz offenbar überrascht. Sie auch?



Glück: Im Vorfeld gab es manche Sorge wegen befürchteter Störungen, vor allem in Berlin. Die werden aber allenfalls eine Randerscheinung sein. In der Tat ist die starke Nachfrage vor allem für Thüringen und Berlin ein sehr positives Zeichen. Es straft diejenigen Lügen, die behaupten, dass Katholizismus und Medien in Deutschland dem Papst vorwiegend negativ gesonnen seien, nur weil es da und dort auch kritische Anmerkungen gibt.



KNA: Nach derzeitigem Planungsstand müssen ausgerechnet in Berlin viele Gläubige und Neugierige damit rechnen, dass sie den Papst vor dem Charlottenburger Schloss kaum zu sehen bekommen. Ist das der richtige Platz für einen Großgottesdienst?

Glück: Mir fehlen die Ortskenntnisse, um das zu bewerten. Aber grundsätzlich wäre es natürlich sehr ungut, wenn viele mehr oder minder ausgeschlossen wären, weil sie keinen Platz finden oder weil die Umstände für Menschen, die nicht mehr stundenlang stehen können, so ungünstig wären, dass sie fernbleiben würden. Man sollte angesichts des überraschend großen Interesses die Organisation noch einmal überdenken und Alternativen prüfen.



KNA: Der Berliner Diözesanrat hat das Olympiastadion ins Gespräch gebracht, andere befürworten das Brandenburger Tor.

Glück: Wenn es machbar ist, wäre das sicher ein starkes Zeichen. Das muss man vor Ort entscheiden. Wegen der Resonanz braucht man aber nicht so ängstlich zu sein.



KNA: Auf welchen Programmpunkt der Papstvisite sind Sie besonders gespannt?

Glück: In Freiburg trifft das ZdK-Präsidium mit dem Heiligen Vater zusammen. Wir haben etwa eine halbe Stunde Zeit, einiges darzustellen, vielleicht auch, Missverständnisse auszuräumen. Gerne hätten wir die Gelegenheit genutzt, manche Überlegungen des Papstes im direkten Gespräch noch besser kennenzulernen. Aber dafür ist das Programm einfach zu eng.



Interview:  Christoph Renzikowski