Neue Finanzkontrollbehörde soll Vatikan sauber halten

Der Papst zieht die Notbremse

Mit einem neuen Gesetz und der Schaffung einer neuen Kontrollbehörde hat Papst Benedikt XVI. illegalen Finanzgeschäften auf dem Boden des Vatikanstaates den Kampf angesagt. Gerade noch rechtzeitig vor dem Jahresende 2010 unterwirft sich der Heilige Stuhl damit den Normen, die in der EU und in den meisten OECD-Staaten gelten.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden (KNA)
Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden / ( KNA )

So soll verhindert werden, dass die unabhängigen vatikanischen Finanzinstitutionen - allen voran die sogenannte Vatikanbank IOR - für den Transfer von Bestechungsgeldern, zur Finanzierung von Terroraktionen und für die Wäsche von Geld genutzt werden, das aus Rauschgifthandel und anderen Verbrechen stammt.



Ein Platz auf der "Schwarzen Liste"

Hätte der Papst nicht gehandelt, hätte die EU möglicherweise ihr Finanzabkommen mit dem Heiligen Stuhl gekündigt, auf dem unter anderem das lukrative Geschäft mit den päpstlichen Euro-Münzen beruht.



Die sehr viel schlimmere Konsequenz wäre jedoch eine andere gewesen: Der Vatikan wäre als einer der letzten Staaten in Europa auf einer imaginären "Schwarzen Liste" jener Staaten geblieben, die wegen mangelnder Transparenz und Kontrolle als potentieller Umschlagplatz für schmutziges Geld aus Waffen-, Menschen- und Drogenhandel gelten. Und nicht zuletzt hätte er damit seinen Stellungnahmen zur Ethik im Wirtschaften selbst die moralische Glaubwürdigkeit genommen.



In der Kritik: Ettore Gotti Tedeschi

Eine weitere mögliche Konsequenz schwebte wie ein Damoklesschwert über dem Zwergstaat am rechten Tiberufer: Der Direktor des IOR, der umtriebige und stets für einen "moralischen Kapitalismus" eintretende Banker Ettore Gotti Tedeschi, hätte sich vielleicht eines Tages nur noch durch ein Exil hinter den Mauern des Vatikanstaates dem Zugriff der Justiz entziehen können. Schon seinem Vorvorgänger Erzbischof Paul Marcinkus (1922-2006) war es vor einem knappen Vierteljahrhundert so ergangen. Damals wie heute waren über Konten der vatikanischen Finanzinstitutionen undurchsichtige Geldgeschäfte abgewickelt worden, für die sich Italiens Staatsanwaltschaft dringend interessierte.



Dass der Vatikan immer wieder zum Schauplatz - mutmaßlich - schmutziger Geschäfte wurde, hat vielschichtige Gründe. Einer ist die Nachbarschaft zur Republik Italien, wo ein Teil des Wirtschaftslebens illegal abgewickelt wird und Korruption über Jahrzehnte Bestandteil der politischen Kultur war. Daher war stets viel Schwarzgeld auf der Suche nach Schlupflöchern unterwegs. Das meiste davon wanderte traditionell in die Nachbarländer Schweiz oder Liechtenstein, manches aber auch, zumindest vorübergehend, in den Vatikan. Denn beim dort angesiedelten Finanzinstitut "Istituto per le Opere di Religione" (IOR) unterhalten neben den frommen Ordensgemeinschaften auch allerlei sonstige Institutionen und Personen Konten, die jeglicher Kontrolle von außerhalb entzogen sind.



Unabhängigkeit und fehlende Kontrolle

Diese Unabhängigkeit des IOR hat historische Wurzeln: Im Zweiten Weltkrieg, und später im Kalten Krieg gegen die kommunistischen Diktaturen, war ein unabhängiges Finanzdrehkreuz für den Heiligen Stuhl ein nützliches Instrument, um für heikle Aktionen auch mal außerhalb der Legalität Geld transferieren zu können. Der fromme Zweck heiligte in diesen Fällen die Mittel. Doch eben diese Unabhängigkeit und die fehlende Kontrolle führten dazu, dass auch Schwarzgeld anderer Art seinen Weg auf IOR-Konten fand. Wer schmutziges Geld dort parken oder waschen wollte, musste lediglich - am besten über einen Mittelsmann - einen der rund 10.000 kirchlichen Kontoinhaber finden, der dies ermöglichte.



Ein weiteres Problemfeld war auch die einflussreiche Missionskongregation, die heikle Geschäfte ebenfalls gern nach eigenem Gusto abwickelte. Diese Leitungsbehörde für die weltweiten Missionsaktivitäten der Kirche verfügt über beachtlichen Immobilienbesitz in Rom und agierte bei Bedarf in einem von Belegen und Rechenschaftsberichten freien Raum, der noch weniger zu kontrollieren war als das IOR.



Neuer Behördenleiter beginnt am 1. April

Die vom Papst nun mit deutscher Gründlichkeit geschaffene Finanzaufsichtsbehörde "AIF" steht vor einer Herkulesaufgabe. Denn sie soll ein dichtes, eher italienisch geprägtes Geflecht von Schlupflöchern, Freundschaften und Abhängigkeiten kontrollieren und die Ausbildung neuer Sumpfblüten verhindern. Vieles hängt vom Durchsetzungsvermögen des künftigen Behördenleiters ab. Er wird vom Papst ernannt werden und unmittelbar dem Kardinalstaatsekretär verantwortlich sein. Spätestens am 1. April wird er mit seiner Arbeit beginnen; dann nämlich tritt das neue Gesetz in Kraft.