Papst äußert "Beschämung und Demütigung" über Missbrauch

Benedikt XVI. in London

Papst Benedikt XVI. hat in London sein "tiefes Bedauern" gegenüber den Opfern sexuellen Missbrauchs durch Kleriker zum Ausdruck gebracht. Er empfinde "Beschämung und Demütigung" angesichts dieser "unbeschreiblichen Verbrechen", sagte das 83-jährige Kirchenoberhaupt am Samstag bei einer Pontifikalmesse in Westminster Cathedral. Die Folgen des Skandals sollten als "Strafe zur Heilung der Opfer, zur Läuterung der Kirche und zur Erneuerung ihres uralten Engagements in der Erziehung und Sorge um junge Menschen beitragen".

Audienz: Papst Benedikt XVI. begrüßt Premierminister David Cameron (KNA)
Audienz: Papst Benedikt XVI. begrüßt Premierminister David Cameron / ( KNA )

Für die Opfer hoffe er, "dass die Kraft der Gnade Christi, sein Versöhnungsopfer, ihrem Leben eine tiefgreifende Heilung und Frieden bringen möge". Zugleich betonte der Papst, ihr Leiden sei durch "die Sünden einer geringen Anzahl von Priestern" verursacht. Offen blieb, ob Benedikt XVI. außerhalb des offiziellen Programms persönlich mit Missbrauchsopfern zusammentreffen wird. Die Messe am Sitz des Londoner Erzbischofs Gerard Nichols war der religiöse Höhepunkt des Papstbesuches in der britischen Hauptstadt.



Der Feier wohnten zahlreiche Vertreter anderer Konfessionen bei, unter ihnen der anglikanische Primas, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury.

Die neobyzantinische Kathedrale hat eine große Bedeutung für die Beziehungen der katholischen Gemeinschaft zur anglikanischen Staatskirche. Hier nahm Königin Elizabeth II., ihrerseits Oberhaupt der anglikanischen Church of England, 1995 als erste Monarchin seit der Kirchentrennung im 16. Jahrhundert an einer ökumenischen Feier in einem katholischen Gotteshaus teil.



Benedikt XVI. stellte das Leiden Christi am Kreuz in den Mittelpunkt seiner Predigt. Dabei würdigte er die Christen, "die gerade jetzt um ihres christlichen Glaubens willen Diskriminierung und Verfolgung erleiden". Weiter erinnerte er an historische Debatten über die Opfertheologie zwischen Reformation und Katholizismus. In England hätten viele "die Messe standhaft und um einen hohen Preis verteidigt", so der Papst.



Laien besäßen eine "unverzichtbare Rolle" in der katholischen Kirche, betonte er. Die Gläubigen rief er auf, sich mit aller Kraft für die Verteidigung "unveränderlicher moralischer Wahrheiten" einzusetzen. Diese stünden an der Basis einer menschlichen und gerechten Gesellschaft. Kirche und Gesellschaft brauchten dringend "Zeugnisse für die Schönheit der Heiligkeit, Zeugnisse für den Glanz der Wahrheit", so der Papst. Allzu häufig werde das Evangelium als Einschränkung der menschlichen Freiheit angesehen. Stattdessen sei es "die Wahrheit, die unseren Geist befreit" und sowohl einzelnen als auch der Gesellschaft diene.



Papst trifft mit britischem Premier Cameron zusammen

Am Samstagmorgen war Papst Benedikt XVI. mit dem britischen Premierminister David Cameron zu einer privaten Unterredung zusammengetroffen. Im Anschluss an die auf 20 Minuten veranschlagte Begegnung am Sitz des Londoner Erzbischofs führte das katholische Kirchenoberhaupt auch kurze Einzelgespräche mit Vize-Premier Nick Clegg und Oppositionsführerin Harriet Harman.



Cameron hatte am Vorabend wegen der Beisetzung seines Vaters nicht an der Rede des Papstes teilnehmen können, die dieser in Westminster Hall vor den Spitzen von Politik, Wirtschaft und Kultur hielt. Von Königin Elizabeth II. war Benedikt XVI. bereits bei seiner Ankunft am Donnerstag in Edinburgh empfangen worden. Die viertägige Visite in Großbritannien gilt als Staatsbesuch.



Vor den Einzelaudienzen sprachen die Regierungsspitzen und die Oppositionsführerin mit dem Londoner Kardinal und Alt-Erzbischof Cormack Murphy-O"Connor und dem amtierenden Erzbischof von Westminster, Vincent Gerard Nichols, der zugleich Vorsitzender der Bischofskonferenz von England und Wales ist.



Heute abend Vesper

Stimmungsvoller Höhepunkt dürfte ein Abendgebet mit Zehntausenden Menschen im Londoner Hyde Park werden. (live ab 19 Uhr) Das Event im Stil von Weltjugendtagsfeiern soll auf die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman (1801-1890) einstimmen. Mit ihr endet am Sonntag in Birmingham die 17. Auslandsreise von Benedikt XVI. (live ab 11 Uhr).



Am Freitag standen Ökumene und interreligiöse Beziehungen im Mittelpunkt des päpstlichen Programms. Benedikt XVI. wandte sich gegen eine Verdrängung der Religion aus dem öffentlichen Raum und rief Gläubige aller religiösen Traditionen zu einer Allianz gegen eine wachsende Säkularisierung auf.

Besonders bekräftigte der Papst den Willen zur Ökumene mit der christlichen Mehrheit des Landes, den Anglikanern. In einer multikulturellen Gesellschaft sei eine Zusammenarbeit der Kirchen "unbedingt notwendig", sagte er bei einer herzlichen Begegnung mit dem anglikanischen Primas Rowan Williams.

Überschattet wurde der Besuch am zweiten Tag von der Festnahme von sechs Terrorverdächtigen. Britischen Medienberichten zufolge sollen sie möglicherweise einen Anschlag auf das Kirchenoberhaupt geplant haben. Der Papst wurde nach Vatikanangaben informiert, zeigte sich aber nicht beunruhigt. Das Programm wurde wie geplant fortgesetzt.